Mangel an Kinder-Medikamenten:Bayern erlaubt Einfuhr nicht zugelassener Antibiotikasäfte

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Symbolbild (Foto: imago images/Cavan Images)

Kinder- und Jugendärzte aus mehreren europäischen schreiben einen Brandbrief: Es mangelt an Antibiotika für Kinder. Die Bundesregierung verweist auf ein Gesetz, das in Arbeit sei.

Wegen Medikamentenmangels erlaubt die bayerische Staatsregierung vorübergehend die Einfuhr in Deutschland nicht zugelassener Antibiotikasäfte für Kinder. "Wir in Bayern lassen nichts unversucht, um die Lage zu verbessern", teilte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) mit. Somit ist es nach Holetscheks Worten den Landesbehörden nun möglich, im Einzelfall vorübergehend von Vorgaben des Arzneimittelgesetzes (AMG) abzuweichen.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte am Dienstag offiziell "Versorgungsmangel" bei antibiotischen Säften für Kinder festgestellt. Kinder- und Jugendärzte aus mehreren europäischen Ländern appellierten zudem in einem Brief an die Gesundheitsminister ihrer Länder, gegen die Knappheit bei Kinderarzneimitteln vorzugehen. Die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen sei "durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet", schrieben sie. "Eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung ist dringend erforderlich!", heißt es in dem Schreiben. Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) hatte zuerst darüber berichtet.

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Zu den Mitzeichnern gehört Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Es fehle an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform, sagte er der NOZ. Auch das Antibiotikum Penizillin gebe es derzeit nicht. Nach Angaben des BVKJ stehen selbst schwer erkrankten Kindern derzeit nicht ausreichend Antibiotika zur Verfügung.

In Bayern sollen jetzt Holetschek zufolge zwei Schritte eingeleitet werden, die den Mangel an antibiotischen Säften für Kinder lindern sollen. Zum einen soll eine neue Allgemeinverfügung den Regierenden gestatten, befristet Arzneimittel einzuführen, "die bei uns eigentlich nicht zugelassen oder registriert sind". So könnten Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln.

Zum anderen soll Apothekern die eigene Herstellung von Antibiotika erleichtert werden. Holetschek appellierte dazu an die Krankenkassen, bei Rezepten und Vergütungen kulant damit umzugehen, wenn Apotheker nicht verfügbare Fertigarzneimittel selbst herstellten.

Bund will höhere Preise ermöglichen

Auch die Bundesregierung hatte die üblicherweise strengen Regeln gleichzeitig mit ihrer Bekanntmachung für die raren Arzneien gelockert. So könnten Behörden es nun etwa auch möglich machen, ein Medikament aus Spanien, das keine deutsche Verpackung hat, von Apotheken hierzulande ausgegeben zu lassen, erläuterte der Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Florian Lanz.

Die Ursachen für Lieferengpässe bei Arzneimitteln seien vielfältig, heißt es vom Bundesgesundheitsministerium. Verwiesen wird etwa auf "Engpässe bei Grundstoffen" oder auch "Produktionsprobleme". Der GKV-Spitzenverband gibt der Pharmabranche eine Mitschuld: "Es gab ein gemeinsames Vertrauen in die Pharmaindustrie, dass sie im Zweifel die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherstellt. Dieses Vertrauen ist mittlerweile erschüttert", sagte Lanz. Die Branche habe in der Vergangenheit Lieferketten mit Produktionsstätten im Ausland aufgebaut, die sich jetzt als instabil erwiesen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb zudem am Samstag bei Twitter, die Sorge der Kinderärzte sei berechtigt und verwies auf ein entsprechendes Gesetz zur Bekämpfung der Engpässe, das die Bundesregierung Anfang April auf den Weg gebracht hatte. Vom Bundestag beschlossen ist es aber noch nicht. Es soll unter anderem Herstellern ermöglichen, höhere Abgabepreise für Kindermedikamente in Deutschland zu verlangen, so dass sich Lieferungen nach Deutschland mehr lohnen.

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