Konzertante Oper im Prinzregententheater:Zauberhafte Wiederentdeckung

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Die Illustration zeigt eine Szene aus der ersten Inszenierung von "Mazeppa". (Foto: RetroNews / Palazzetto Bru Zane)

Das Münchner Rundfunkorchester präsentiert im Prinzregententheater die Opernrarität „Mazeppa“ von Clémence de Grandval.

Von Egbert Tholl

Mihhail Gerts kannte das Werk vorher auch nicht. „Woher denn“, sagt er. Von dieser Oper, „Mazeppa“ von Clémence de Grandval, gibt es bislang keine Aufnahme, die letzte Aufführung dürfte so um die 120 Jahre her sein. Den jungen, estnischen Dirigenten, einen superwachen, freundlichen Musikmacher, machte Palazzetto Bru Zane, das von einer Stiftung getragene Zentrum für französische Musik der Romantik, aufmerksam, das seit Jahren höchst sorgfältig edierte Aufnahmen mit Opernraritäten herausgibt. Gerts hat ein Faible für das Rare, weil man da „viel mehr auf sein eigenes Musizieren angewiesen“ sei: „Alles obliegt meiner Vorstellung, meiner Verantwortung.“ Und der des BR-Chors und des Münchner Rundfunkorchesters, mit dem Bru Zane schon lange kooperiert und wundervolle Aufnahmen herausgebracht hat – in einem Jahr kommt die „Mazeppa“ heraus.

Im herrlichen Studio 1 im Rundfunkgebäude ist Probe. Deren Besuch ist eine abermalige Gelegenheit, die Abrisspläne des BR bezüglich dieses Kleinods zu verteufeln. Nicht nur wegen seiner herausragenden Ästhetik, sondern auch: Das Studio klingt einfach sehr gut, man spürt die Musik körperlich. Die Schülerinnen und Schüler einer ebenfalls zuhörenden Schulklasse (neunte) sind hochkonzentriert.

Schon nach wenigen Minuten der Probe bedauert man, nicht bis zu deren Ende am Nachmittag bleiben zu können. Denn Clémence de Grandval schafft es mit einem, bis auf wenige konventionelle Stellen sehr eigenen Ton Poesie und Plastizität zu verbinden. Die verworrene Handlung vermittelt sich ganz unmittelbar, die Gesangssolisten machen ihre Charaktere deutlich erfahrbar. Viel zarter Zauber ist hier drin, der Chor brilliert, singt einmal ein Gebet wie ein duftendes Lied. Und das Rundfunkorchester hat große Freude am Musikmachen.

Es gibt eine andere Oper „Mazeppa“, sie kam einige Jahre vor der von Clémence de Grandval heraus, komponiert von Pjotr Tschaikowski. Man muss die gar nicht vergleichen, de Grandvals Werk ist völlig eigenständig, auch wenn die Handlung in weiten Teilen ähnlich ist: Es geht um Liebe und Eifersucht, aber vor allem um Politik, um den Freiheitskampf der ukrainischen Kosaken gegen die russische Zarenherrschaf; das Ganze spielt zu Beginn des 18. Jahrhunderts.

Über Clémence de Grandval schrieb ihr Kollege Camille Saint-Saëns, sie wäre sicherlich berühmt, wenn sie keine Frau wäre, womit damals, Ende des 19. Jahrhunderts, viele Menschen ein Problem hatten. Dennoch schaffte sie es, selbst auch Sängerin, von ihrem Beruf zu leben, eigenständig, selbstbewusst. Lustigerweise wusste Mihhail Gerts das gar nicht. Erst während des Partiturstudiums stellte er fest, aha, Clémence ist ein Frauenname. Spielte es eine Rolle? Nein, natürlich nicht.

Clémence de Grandval „Mazeppa“, Münchner Rundfunkorchester, BR-Chor, Mihhail Gerts, Prinzregententheater, Sonntag, 19. Januar, 19 Uhr.

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