Maxvorstadt:Vu Tang Kitchen: Münchens erstes Restaurant mit laotischer Küche

Maxvorstadt: In den Räumen des ehemaligen "Schmock" finden Gäste von Huy und Dung Vu weder die Ente süßsauer auf der Speisekarte noch zieren Papier-Lampions und Porzellan-Drachen das Ambiente.

In den Räumen des ehemaligen "Schmock" finden Gäste von Huy und Dung Vu weder die Ente süßsauer auf der Speisekarte noch zieren Papier-Lampions und Porzellan-Drachen das Ambiente.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Zwillinge Huy und Dung Vu haben erst das Trend-Label "Distorted People" etabliert und nun in den Räumen des ehemaligen "Schmock" ein Restaurant eröffnet.

Von Yasmin Ismail

Wenn man sich in Laos zum Essen trifft, breitet man eine Decke aus und verteilt die Speisen auf bunten Tellern. Was auf gar keinen Fall fehlen darf, ist das Hauptnahrungsmittel der Laoten - Sticky Rice. Die Reiskörner mit ihrer klebrigen Konsistenz rollt man mit den Fingern zu kleinen Bällchen und tunkt sie in Zitronengras-Dip. Diese Picknick-Stimmung ist jetzt in der Maxvorstadt zu erleben.

Vor vier Wochen haben die Zwillinge Dung und Huy Vu, 40, das "Vu Tang Kitchen", das erste Restaurant mit laotischer Küche in München eröffnet. In den Räumen des ehemaligen "Schmock" an der Augustenstraße finden Gäste allerdings weder die Ente süßsauer auf der Speisekarte noch zieren Papier-Lampions und Porzellan-Drachen das Ambiente. Statt konventioneller Asia-Dekoration prangen Tapeten mit laotischen Feldarbeitern und buddhistischen Geistern an den roten Wänden. Dutzende Bambuskörbe, in denen der Sticky Rice serviert wird, schmücken den hinteren Speisebereich.

In der Szene kennt man die Vu-Brüder, sie haben jahrelang als Barkeeper im P1 gearbeitet und sich vor allem durch ihr Männer-Mode-Label "Distorted People" einen Namen gemacht. Das Sortiment besteht aus lässigen Shirts, Hemden, Jacken, Caps und Schuhen, allesamt in Vintage-Optik und mit dem prägnanten Logo, gekreuzte Rasierklinge mit Schlachterbeil. Die Mode fällt durch schlichtes, klares Design auf. Vollbärtige Hipster und Stammkunden wie Bastian Schweinsteiger und Robert Lewandowski kleiden sich regelmäßig in dem Laden an der Hans-Sachs-Straße ein. Distorted, auf Deutsch verzerrt, steht für den unangepassten Stil des Modelabels der Zwillinge. Als sie die Marke 2008 mit einem Freund aus Kindheitstagen gründen, fehlte die Erfahrung in der Modeindustrie noch gänzlich. "Wir hatten noch nicht mal Ahnung von Buchhaltung", sagt Huy Vu. Anfangs gab es nur T-Shirts im Onlineshop zu kaufen, mit dem Erfolg erweiterten sie in den Jahren das Sortiment und eröffneten drei Geschäfte in München, Frankfurt und Karlsruhe.

Als Florian Gleibs, Besitzer des "Schmock", die Zwillinge fragte, ein neues Konzept für sein israelisches Lokal zu entwickeln, zögerten die Brüder nicht. "Die Entscheidung haben wir in zwei Tagen getroffen", sagt Dung. Schräger Humor über das Judentum und eine eigens gebaute Klagemauer im Restaurant waren Markenzeichen für das israelische Lokal, das Gleibs 16 Jahre führte. Der Szene-Gastronom brauchte neue Ideen. In den vergangenen Monaten sah er sich und sein Restaurant zunehmender israel-kritischen und zum Teil sogar antisemitischen Stimmungen ausgesetzt.

Mit dem Vu Tang Kitchen erfüllen sich die Zwillinge nun einen Traum. Seit der Eröffnung sind im 160 Quadratmeter großen Lokal die Tische fast täglich ausgebucht.

Über Flucht spricht lange niemand in der Familie Vu

Ein trendiges Modelabel und ein Szenerestaurant - als sie nach der Schule eine Ausbildung zum Industriekaufmann beziehungsweise Hotelfachmann begannen, war daran noch nicht denken. Dung und Huy sind ehrgeizig, wenn sie sich für ein Projekt entscheiden, gibt es drumherum nicht viel, schon gar keine Freizeit. Der letzte Urlaub liegt Jahre zurück. "Wir freuen uns am Wochenende schon wieder auf Montag", sagt Dung. Diese Arbeitsenergie hatte schon ihr Vater, der früher selbst zwei asiatische Restaurants betrieb.

Der Vater motivierte seine Söhne, "ihr eigenes Ding" zu machen. Und bestärkt hat sie darin vielleicht auch die Lebensgeschichte des Vaters. Dung und Huy sind 1976 in Luang Prabang, einer Stadt im nördlichen Laos geboren. Die Eltern stammen ursprünglich aus Vietnam. Der Vater verteilte Mitte der Siebzigerjahre Flugblätter gegen das kommunistische Regime in Laos. Ihm drohte politische Verfolgung. Eine sichere Zukunft für seine Söhne war dort nicht möglich und so plante er die Flucht der Familie. Die Zwillinge waren gerade mal zwei Jahre alt, als sie gemeinsam mit ihren Eltern in aufgepumpte Lkw-Reifen stiegen und darin mitten in der Nacht die Flucht über den Mekong wagten. Sie trieben so lange an den Ufern des Flusses, bis sie thailändisches Gebiet erreichten. "Hätten uns Grenzschützer entdeckt, wären wir wohl alle nicht mehr hier", sagt Huy. Mit einer Hilfsorganisation kamen sie nach Deutschland.

Über Flucht spricht lange niemand in der Familie Vu, erst als Teenager erfahren die Brüder davon. Mit dem Bewusstsein, dass ihre Zukunft in Laos wohl anders ausgesehen hätte, entwickeln sie enormen Ehrgeiz. Seit ihrer Kindheit sind die Zwillingsbrüder jeden Tag zusammen, kleben aneinander wie die Körner von Sticky Rice. "Streit gab es vielleicht vor 25 Jahren das letzte Mal", sagt Dung Vu. Sie wohnen zusammen, teilen den Freundeskreis, haben all ihre beruflichen Entscheidungen zusammen getroffen. Nur bei einem sind sie unterschiedlicher Meinung, beim laotischen Lieblingsessen. Aber zum Glück stehen beide Gerichte auf ihrer Karte, zur Sicherheit gegen Verwechslungen auch nach ihren Vornamen Dung Pork Belly und Huy Laab benannt.

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