Maxvorstadt:Vision zerbröselt

Planungsstopp: Statt eines Vernetzungszentrums für Flüchtlingsfragen im einstigen Kapuzinerkloster bei St. Joseph baut die katholische Kirche dort nun Wohnungen. Das Ordinariat stuft das Projekt als zu komplex ein

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Nach vier Jahren des Abwägens lässt die katholische Kirche ein ambitioniertes und teures Projekt im Stadtbezirk Maxvorstadt fallen: Der Neubau eines "Zentrums für Flucht, Asyl und Integration" an Stelle des ehemaligen Kapuzinerklosters an der Tengstraße 7 wird nicht weiterverfolgt. Das hat die Ordinariatskonferenz, das oberste Verwaltungsgremium des Erzbistums München und Freising, nach Angaben von Sprecher Christoph Kappes beschlossen. Stattdessen soll dort ein Mietshaus errichtet werden, "dringend benötigter, bezahlbarer Wohnraum", wie es heißt. "Das Projekt ist zu komplex, zu umfangreich und nicht schnell genug realisierbar", sagte Kappes zur Begründung.

Damit beerdigt die Ordinariatskonferenz ein ehrgeiziges Vorhaben, welches dieses Gremium sich im November 2015 zum Ziel gesetzt hatte. Jenes Jahr, als europaweit die Zahl der Flüchtlinge stark anstieg, in Deutschland fast eine halbe Million Menschen Asyl beantragten. Das kirchliche Zentrum, so der Plan, sollte eine diözesanweite Koordinierungsstelle sein, um die Arbeit der kirchlichen Dienste, Verbände, Einrichtungen, Helferkreise sowie der säkularen Gruppierungen in der Stadt zu vernetzen und zu begleiten.

Das Gebäude an der Tengstraße 7, angrenzend an die Pfarrkirche St. Joseph, ist ein ehemaliges Kloster; 116 Jahre lang lebten dort Kapuzinerbrüder, bis 2013 die letzten drei auszogen. Doch das Gebäude, ein Nachkriegsbau, stellte sich als stark sanierungsbedürftig heraus. Das Asyl- und Integrationsprojekt lief deshalb in einem bistumseigenen Haus an der Dachauer Straße an. Dort stehen derzeit laut Kappes sechs Mitarbeitern fünf Räume zur Verfügung, um als eben jenes Vernetzungszentrum zu agieren, das in größerem Maßstab in der Tengstraße vorgesehen war.

Maxvorstadt: Bis 2013 lebten in dem Gebäude an der Tengstraße Kapuzinerbrüder. 2017 kaufte es das Erzbistum.

Bis 2013 lebten in dem Gebäude an der Tengstraße Kapuzinerbrüder. 2017 kaufte es das Erzbistum.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Offenbar hat sich der Plan aber als zu groß und damit als zu teuer erwiesen. Explizit will Kappes das so nicht bestätigen. Er drückt es so aus: Die Ordinariatskonferenz habe es für sinnvoller befunden, "weiterhin flexiblere Raumlösungen bereitzustellen und nach anderen Objekten zu suchen, als die Planung und Realisierung eines so umfangreichen wie komplexen Bauvorhabens". Das Gebäude sei in sehr schlechtem Zustand, eine Sanierung nicht wirtschaftlich, also ein Neubau nötig - der Grund überdies, weshalb das Haus auch nicht für eine Zwischennutzung über all die Jahre geeignet gewesen sei. 2017 hat das Erzbistum den Angaben zufolge das Objekt vom Kapuzinerorden erworben.

Doch aus der Neubauplanung ergab sich der "komplexe" Aspekt des Unterfangens. Die kirchlichen Verbände und Einrichtungen haben laut Kappes in allerlei Abstimmungsrunden vielerlei Ansprüche - und damit Anforderungen an den Bau - diskutiert, darunter etwa die Caritas, der Sozialdienst katholischer Frauen, Kolping, der Sankt Michaelsbund sowie Pfarreien und Helferkreise. "Der Bereich der Flüchtlingsarbeit ist zudem hoch dynamisch, die Anforderungen unterliegen vielfachen Wechseln", formuliert Kappes.

Mit anderen Worten: Um allem gerecht zu werden, hätte es ein großzügiges Bauwerk werden müssen, wobei künftige Fluchtbewegungen nicht absehbar sind - und damit auch nicht die Auslastung des "Zentrums für Flucht, Asyl und Integration", zumal das Bauprojekt womöglich auch planungsrechtlich vertrackt ist: Das Gebäude ist ohne Kommunmauer an die Sakristei der Josephskirche angebaut - und das Gotteshaus steht unter Denkmalschutz. Insgesamt also wohl ein verzwicktes Millionenprojekt mit ungewisser Zukunftsperspektive. Den Planungsstopp will das Erzbistum dabei keinesfalls als Zurückfahren des Asyl- und Integrationsengagements interpretiert sehen. Das Projekt laufe weiterhin an der Dachauer Straße, betont Kappes und hebt hervor, dass die Diözese jährlich zehn Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit bereithält.

Maxvorstadt: Der Klosterbau ist sichtlich in die Jahre gekommen.

Der Klosterbau ist sichtlich in die Jahre gekommen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Dennoch ist die Entscheidung offenbar recht kurzfristig gefallen. Der Pfarrer von St. Joseph, Markus Gottswinter, der auch für St. Ludwig zuständig ist, zeigt sich überrascht vom Aus für das Projekt. Die letzte Besprechung mit dem Ordinariat in dieser Sache sei im Sommer gewesen. "Es hieß, dass nun der Architektenwettbewerb starten soll", berichtet er. Eine "christliche Nutzung" des Gebäudes hätte ihm überaus gefallen, sagt Gottswinter, wenngleich er nun auch Hoffnung in das Wohnhausvorhaben setzt, welches das Ordinariat an der Tengstraße mittlerweile anstrebt.

Denn das Pfarrheim ist in dem ehemaligen Klosterbau untergebracht und sollte nach des Pfarrers Dafürhalten in dem Neubau Platz finden, da es bei St. Joseph kein Pfarrhaus gibt. Auch wünscht er sich, das Ordinariat möge Wohnungen für seine kirchlichen Mitarbeiter einplanen, darunter auch Erzieher zweier Kindergärten. Und noch einen Wunsch hat der Geistliche: "Der Neubau muss eine gute Architektur haben, die zur denkmalgeschützten Kirche passt." Angaben zu dem anvisierten Wohnbauprojekt will das Ordinariat nicht machen, allein dass "bezahlbarer Wohnraum" entstehen soll. Laut Kappes gibt es zu solcherlei Projekten innerhalb der Diözese folgende Vorgaben: Ein Drittel sollen geförderte, ein Drittel Wohnungen für kirchliche Mitarbeiter sein; der Rest werde "zu den üblichen Konditionen" vermietet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: