Süddeutsche Zeitung

Maxvorstadt:Urbaner Stapellauf

Auf den Freiflächen rund um das neue Gebäude am "Norkauer Platz" wird derzeit letzte Hand angelegt. Ein ausgefallener Entwurf, der den Charakter des Stadtraumes auf markante Weise verändert

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Diese Stelle ist schon lange eine besondere Insel in den Häuserschluchten: Zwischen Dachauer Straße, Augusten- und Karlstraße zwängt sich eine dreieckige Fläche ins enge urbane Gefüge. Hier erhebt sich nun ein futuristisch anmutendes Gebäude, das den Charakter dieser Nahtstelle verändert hat. "Karl 47" hat der Investor sein Projekt getauft, das von Süden her an einen riesigen Schiffsbug erinnert und einen noblen Akzent in dieser sonst eher wenig schicken Gegend nördlich des Hauptbahnhofes setzt. Bald werden auch die letzten Arbeiten auf den Freiflächen abgeschlossen sein. Dann ist der neue "Norkauer Platz" fertig - und der Projektsteuerer kann einen finalen Haken unter einen verzwickten Auftrag setzen. "Es war in jeder Beziehung ein schwieriges, anspruchsvolles Projekt", sagt Michael Bruckenmayer vom federführenden Büro M & B Projektinitiative GmbH.

Der Norkauer Platz ist in keinem Stadtplan zu finden, doch die Anwohner in der Maxvorstadt haben dem Dreiecks-Grundstück schon vor langer Zeit diesen Namen gegeben. Denn ein knappes Vierteljahrhundert hatte die Firma Norkauer, ein Fachbetrieb für Bodenbeläge, dort ein altes Trafo-Häuschen gemietet. Um dieses Häuschen und die Zukunft der Fläche war vor sechs Jahren eine Debatte entbrannt. Die Stadtwerke München (SWM) unterhielten dort eine Umspannstation, brauchten die Anlage aber nicht mehr und wollten das Grundstück verkaufen. Der Bezirksausschuss kämpfte um den Erhalt des 1899 erbauten Industrie-Relikts und wünschte sich die Umgestaltung zum öffentlichen Erholungsraum; es setzten sich aber jene Stimmen durch, die eine Chance sahen, hier, umringt von Spielotheken und Bars, einen eleganten Gegenpol zu schaffen. Die SWM durfte verkaufen, doch die Stadt verlangte einen Architekten-Wettbewerb.

Der Name des Käufers ist nicht bekannt, ein "Privatmann aus dem Münchner Raum", wie Bruckenmayer nur verraten mag. Die eigens gegründete Projektentwicklungsfirma Augustenkarree GmbH & Co. KG residiert in Starnberg. Indes zeigt sich an diesem Projekt, welche Widrigkeiten Investoren auf sich zu nehmen bereit sind, um 3000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche für ein Wohn- und Geschäftshaus in der Innenstadt zu realisieren. Die Investitionssumme gibt Bruckenmayer mit 20 Millionen Euro an. Den ersten Platz im Wettbewerb belegte das Münchner Büro Hierl Architekten; doch den Zuschlag bekam der Entwurf des Zweitplatzierten Kuehn Malvezzi Architekten Berlin. Dort hatte man sich ein sechsgeschossiges Haus ausgedacht, "das durch unterschiedliche Radien und Eckrundungen drei Gesichter zur Stadt ausbildet", wie es in einer Projektbeschreibung heißt. Es sollte sich in die Sichtachsen einfügen, aber auch "ein Solitär" sein. Kein einfaches Unterfangen.

Es fing mit der Charakteristik des Grundstücks an: Die 550 Quadratmeter große Fläche ist von Trambahn-Oberleitungen in Augustenstraße und Dachauer Straße eingefasst. "Allein wegen des Baukrans war das immer ein riesiges Theater", sagt Bruckenmayer. Denn die SWM wollten nach seinen Worten den Strom über dem Ausweichgleis in der Augenstraße nicht dauerhaft sperren - so musste bei Kranmanövern bei den Stadtwerken angerufen werden, damit der Saft abgedreht wird, was jedes Mal Geld kostete.

Kopfzerbrechen bereitete der Bauleitung auch das komplizierte Hauskonzept. Ebenerdig sollte in einem zweigeschossigen Sockel das italienische Restaurant "Storia" einziehen, mit einem speziellen Abluftsystem für die Pizzaöfen in zwei Küchen in Unter-und Erdgeschoss. Die Stockwerke darüber waren für den global tätigen IT-Dienstleister Eqs reserviert, wobei dieser Corpus verschachtelt eingepasst werden musste, da für das Restaurant ein eingeschobenes Atrium auf der Freifläche zur Dachauer Straße hin vorgesehen war.

Hinzu kommt: Der Bau entfaltet vor allem durch seine großen Fenster seine Wirkung, doch die machen ein ausgeklügeltes Kühl- und Heiz-System nötig. "Wenn auf der einen Seite die Sonne herein brennt, muss dort gekühlt, auf der anderen Seite geheizt werden", erklärt Buckenmayer. Zu allem Überfluss wollte der Investor auch noch eine Hightech-Tiefgarage unter dem Areal. Es entstanden 19 Stellplätze auf fünf Etagen; das Auto wird in einer Schachteinfahrt abgestellt, ein Code an einer Tastatur eingetippt - schon wird es automatisch verräumt. Einer der Plätze dürfte dem Besitzer der Penthouse-Wohnung gehören, die sich im sechsten Stock des Komplexes ausbreitet. 230 Quadratmeter groß, verkauft, Preis unbekannt.

Schon seit Mai 2015 ist das Haus bezogen, das Restaurant brummt, der Norkauer Platz (offizielle Adresse Karlstraße 47 a) ist jetzt eine schicke Insel inmitten eines mehr oder weniger angeschmuddelten Viertels. Das Finale soll laut Bruckenmayer spätestens Anfang Mai abgeschlossen sein: An der Augustenstraße werden immerhin vier Bäume gepflanzt; der Bezirksausschuss wollte rundherum mehr Grün. Doch das Baureferat teilt mit, dass weitere Baumpflanzungen wegen der geforderten Mindestabstände zu den Trambahngleisen nicht möglich seien. Als krönender Abschluss wird die Behörde, sobald es die Witterung zulässt, den restaurierten Delphinbrunnen wieder an der Straßengabelung der Südseite platzieren. Die Bronzegruppe, gestaltet von Bildhauer Arthur Storch, bewohnt diese Insel schon seit 1903 und steht unter Denkmalschutz.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2016
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