Maxvorstadt:Starke Schultern

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Seit zehn Jahren bietet die Initiative "Wellcome" jungen Familien mit Kindern Unterstützung in schwierigen Lebenslagen

Von Yannick Seiler, Maxvorstadt

Die Mutter schafft es nicht mehr, für ihre Kinder zu sorgen. Das Jüngste, erst seit Kurzem auf der Welt, ist krank. Tag und Nacht muss sie die Kleinen betreuen. Hilfe von Familien und Freunden hat sie nicht. "Das war unser erster Fall", erklärt Sandra Rother, Koordinatorin für die Initiative "Wellcome". Sie vermittelt für die Organisation Ehrenamtliche an Familien, die niemanden in der Nähe haben, der diese nach der Geburt unterstützt. Der Mutter habe die Hilfe durch die schwierige Zeit geholfen. Vor zehn Jahren war das. An diesem Donnerstag feiert Wellcome Jubiläum.

Seitdem haben die Ehrenamtlichen der Initiative in mehr als 41 000 Betreuungsstunden unter anderem mit Kindern gespielt, mit Eltern über deren Problemen geredet oder auf ältere Geschwister der Babys aufgepasst. Darauf verweist Brigitt Schwarzmann, Geschäftsführerin der Katholischen Familienbildungsstätte. "Vor zehn Jahren haben wir erkannt, dass es so ein Angebot in München noch nicht gibt." Zuvor seien Familien, die etwa durch die Betreuung von neugeborenen Zwillingen, Drillingen oder behinderten Kindern überfordert waren, auf sich alleine gestellt gewesen. Also entschloss sich Schwarzmann zusammen mit der Beratungsstelle für natürliche Geburt und Elternsein, Wellcome zu gründen. Mit der Evangelischen Familien-Bildungsstätte und der Paritätischen Familienbildungsstätte sei die Zahl der Träger auf vier gestiegen. 2008 eröffnete Wellcome in Moosach und der Stadtmitte die ersten beiden Beratungsstellen. Zehn Jahre später zählt die Organisation 31 Standorte nahezu im gesamten Stadtgebiet wie in der Maxvorstadt. Fazit: "Wir sind fast durch."

Trotz der Erfolge im vergangenen Jahrzehnt sei der Beginn aber nicht leicht gewesen. "Anfangs war es schwer, Freiwillige zu finden", meint Schwarzmann. Mit einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung habe sich die Situation aber geändert. Immer mehr Frauen hätten sich gemeldet, die selbst Kinder groß gezogen hatten und ihre Erfahrung nun an junge Eltern weitergeben wollten. Seit 2008 hätten mehr als 1200 Ehrenamtliche rund 1600 Mal Familien in Not unterstützt. Auch in der Politik hat sich die Organisation Gehör verschafft. Im Neubaugebiet Freiham sei bereits ein Standort geplant. "Die Politiker sehen, dass es sich lohnt, uns zu unterstützen", meint sie.

Hebamme und Kinderkrankenschwester Sandra Rother war von Anfang an dabei: "Der beste Aspekt an der Sache ist, dass wir zwei Generationen zusammenbringen." Laut Rother passen vor allem ältere Frauen gerne auf kleinere Kinder auf und verschaffen den Eltern eine Auszeit. Zwar hatte sie anfangs Zweifel, doch als sich der Erfolg der Initiative unter Münchner Seniorinnen herumgesprochen habe, seien ihre Bedenken verflogen. Ihrem Erfolgsrezept sind die Verantwortlichen treu geblieben. Mindestens ein Kind, das betreut werden soll, müsse jünger als ein Jahr alt sein. Anschließend unterstützten die Freiwilligen die Familien bis zu sechs Monate. Wellcome vermittelt den Kontakt zwischen hilfsbedürftigen Familien und den Ehrenamtlichen. Rother, die im Münchner Westen die Vermittlung übernimmt, ist Stolz auf das "flexible Modell".

Die Unterstützer bringen sich in dem Maße ein, in dem sie Zeit finden. Die Betroffenen geben so viel Geld, wie sie entbehren können. Probleme gebe es dennoch. Rother nennt etwa das Hasenbergl, wo die "soziale Struktur schwieriger ist" und es mehr hilfsbedürftige Familien als Ehrenamtliche gebe. Doch auch dafür habe sie Lösungen gefunden. So betreuten dort die Helfer angrenzender Stadtteile junge Eltern. "Wir haben die Durchschnittsfamilie im Blick." Auf Menschen am unteren Rand der Gesellschaft werde sehr geachtet. Selbst intakte Familien rutschten aber "durch das soziale System", wenn durch Nachwuchs unerwartet Probleme entstehen. Um das zu verhindern, gibt es in München Wellcome - seit zehn Jahren

Jubiläumsfeier am Donnerstag, 24. Januar, 18 Uhr, im Haus der Familie, Machtlfinger Straße 5.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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