Maxvorstadt:NS-Dokuzentrum braucht neuen Chef

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Leicht ist es ihm angeblich nicht gefallen. Dennoch hat Münchens Kulturreferent die Gründungsdirektorin Irmtrud Wojak von ihren Leitungsaufgaben entbunden. Ausschlaggebend war ihr Grobkonzept für das Haus an der Brienner Straße. Sie selbst vermutet "parteipolitische Hintergründe".

Das NS-Dokumentationszentrum braucht eine neue Leitung: Gründungsdirektorin Irmtrud Wojak ist von ihrer Leitungsaufgabe entbunden worden. Letztlich ausschlaggebend war ihr kürzlich vorgelegtes Grobkonzept für das Haus an der Brienner Straße, das Anfang 2014 eröffnet werden soll. Mit ihrem 32-seitigen Papier stieß Wojak in den Gremien des Dokuzentrums rundweg auf Ablehnung.

Das Papier war dort bereits am 7. Oktober vorgestellt werden. "In meiner Abwesenheit", so Wojak zur SZ, "ich war an diesem Tag erkrankt." Dass ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, ihr Konzept vorzustellen und zu erläutern, habe sie "sehr überrascht". Nun sollen vier Historiker bis Januar 2012 ein erstes Ausstellungskonzept erarbeiten.

Die Entscheidung, Wojak ihrer Chef-Funktion zu entheben, sei ihm "wahrlich nicht leicht gefallen", sagt Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD). Er habe ihr die fachlich-inhaltliche und dienstliche Leitung entziehen müssen, um das Projekt nicht zu gefährden. Diese Entscheidung habe er vorab mit dem Wissenschaftlichen Beirat des NS-Dokumentationszentrums abgestimmt, der sich dem einstimmig angeschlossen habe.

Wir haben eigentlich erwartet", so Küppers, "dass Wojaks Konzept einen roten Faden aufzeigt, und dass es auch auf die künftige Gestaltung eingeht, die Verteilung der Themen im Raum aufzeigt und etwas über die Visualisierung verrät." Das alles sei jedoch nicht der Fall gewesen. Küppers erwartet nun von dem vierköpfigen Gremium aus den Historikern Hans Günter Hockerts, Winfried Nerdinger, Peter Longerich und Marita Krauss bis Mitte Januar eine neue Konzeption. Dies sei ihm auch zugesichert worden. Küppers: "Wir haben noch keine Zeit verloren, wir sind noch im Plan."

Wojak selbst meldete sich am Freitag mit einer Presseerklärung zu Wort, aus der ihre Enttäuschung spricht. Sie habe das Haus als einen "offenen Lern- und Erinnerungsort" zur NS-Geschichte konzipieren wollen. Ihr Konzept sei in ihrer Abwesenheit im wissenschaftlichen Beirat erörtert worden. Als Grund ihres Rauswurfs vermutet sie "Missverständnisse, aber auch parteipolitische Hintergründe", ohne diese näher zu benennen.

Neben der parteiübergreifenden Kritik an ihrem Konzept, das vielen als zu theoretisch und nichtssagend gilt, hatte es schon lange Unmut gegeben über Wojaks Kommunikationsstil. Die Diskussion über die Namensgebung des Zentrums führte im Frühjahr zum Eklat im Stadtrat. Weil sich von Wojaks Äußerungen Stadträte brüskiert fühlten, musste sie sich entschuldigen. Sie hatte sich vehement gegen das Kürzel "NS" im Namen des Zentrums gewandt.

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), Mitglied im Kuratorium, nannte die Abberufung eine "richtige Entscheidung". Wojak sei eine hervorragend qualifizierte Wissenschaftlerin, die "auf hohem Abstraktionsniveau" argumentiere. Die konkrete Arbeit am NS-Dokuzentrum sei aber "längst nicht weit genug gediehen" - daher müsse man nun dringend einen geeigneten, auch im Ausstellungsgeschäft erfahrenen Nachfolger suchen. Den Vorwurf, dass die Personalie Wojak einen politischen Hintergrund gehabt haben könnte, wies Ude zurück: "Es hat eine sehr lange öffentliche Beteiligung in den Gremien gegeben - ob das der Sache gut getan hat, darüber kann man streiten." Ude hält es für "möglich", dass das NS-Dokuzentrum trotz planerischer Verzögerungen wie vorgesehen Anfang 2014 eröffnen kann. Wojak selbst bleibe städtische Angestellte im Kulturreferat - ohne Leitungsfunktion.

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) nennt die Abberufung Wojaks "zwingend geboten". Sie habe es nicht vermocht, das lange geforderte Konzept vorzulegen: "Es ist schwerer Schaden entstanden." (Seite 5) chrm, fb, fjk, beka

© SZ vom 29.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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