Süddeutsche Zeitung

Maxvorstadt:Mitstreiter gesucht

Die Mitbauzentrale hilft vier neuen Genossenschaften bei der Gründung

Von Hubert Grundner, Maxvorstadt

Angesichts explodierender Boden- und Mietpreise in München sind Antworten auf die Frage nach bezahlbarem Wohnraum gefragter denn je. Eine lautet: "Die Stadt will das genossenschaftliche Bauen fördern." Diesen Satz hat Stadtbaurätin Elisabeth Merk am Dienstag in der Mitbauzentrale an der Schwindstraße mit Nachdruck vorgetragen. Es geht dabei, versteht man sie richtig, um nicht weniger als den Erhalt und die Stärkung einer solidarischen Stadtgemeinschaft.

Den passenden Anlass bot ein Pressegespräch zum einjährigen Bestehen der Mitbauzentrale an der Schwindstraße. Mitinitiator Christian Stupka erinnerte noch einmal an deren Hauptaufgabe, die "Beratung für gemeinschaftsorientiertes Wohnen". Ein städtisches Angebot, für das offenbar Bedarf besteht. Man freue sich, so Stupka, gerade vier neuen Genossenschaften auf den Weg zu helfen. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine bemerkenswerte Entwicklung. Zwar gebe es etwa 40 Genossenschaften in München mit einem Wohnungsbestand von circa 40 000 Wohnungen. Dabei handle es sich aber meist um "altehrwürdige Gründungen" aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Erst in den Neunzigerjahren wurden mit Wogeno, Wagnis und Frauenwohnen drei neue Genossenschaften aus der Taufe gehoben. Aktuell sind laut Stupka zehn Genossenschaften in den Bau von ungefähr 2500 Wohnungen involviert. Und jetzt gehen, wie erwähnt, weitere vier Teams an den Start.

"Ich freue mich, dass das so gut Fahrt aufgenommen hat", kommentierte Merk diese von der Mitbauzentrale angeschobene Entwicklung. "Für mich ist interessant: Wie ausbaufähig ist das Genossenschaftsmodell?" Merk ließ damit zugleich anklingen, dass man im Planungsreferat darauf große Hoffnungen als wohnungspolitisches Instrument setzt. Schließlich werde auf diese Weise preiswerter Wohnraum geschaffen, der dauerhaft der Spekulation entzogen ist.

Die Stadt will offenbar ihren Teil dazu beitragen: So werden in Freiham bereits circa 2500 Wohneinheiten für genossenschaftliches Bauen reserviert. Insgesamt wolle die Stadt, so Merk, bis zum Jahr 2018 rund 20 800 Wohneinheiten für genossenschaftliche Bauprojekte vorhalten. Davon abgesehen sprechen für sie aber noch weitere Gründe für die Genossenschaften. So übernähmen diese - aus der Mitte der Bürgerschaft heraus - Verantwortung für die weitere bauliche Entwicklung Münchens. Wenngleich immateriell, entstehe der Stadtgesellschaft daraus großer Mehrwert. Zudem setzten Genossenschaften inhaltliche, integrative und innovative Impulse, lobte Merk. Als Beispiele führte sie unter anderem Frauenwohnen, autofreies Wohnen und gemeinschaftlich genutzte Dachgärten an. Solche Ideen und Projekte sollen wiederum "in die großen Bauträger hineinwirken", so Merks Vorstellung. Denn auf die werde man nicht verzichten können, nur sie seien in der Lage, die in großen Neubaugebieten notwendigen Infrastruktureinrichtungen wie etwa Schulen und Kindergärten zu schaffen.

Bestimmte Nischen beim Wohnungsbau aber können und sollen Genossenschaften besetzen, das ist das erklärte Ziel der Stadtspitze. Und diese "Nischen" sind gar nicht so klein: Im künftigen Prinz-Eugen-Park sind 25 Prozent der Wohnfläche für Genossenschaften reserviert. Zu den Interessenten zählen die Mitglieder der Progeno Wohnungsgenossenschaft eG. Sie wollen insgesamt 50 Wohneinheiten errichten, unter anderem Inklusionswohnungen in Kooperation mit der Stiftung ICP. Laut Vorstand Philipp Terhorst und Aufsichtsrätin Ariane Groß kann vielleicht schon im November ein Architekt mit den Planungen beauftragt werden. Ebenfalls im Prinz-Eugen-Park will sich der Bürgerbauverein München eG engagieren. Er beabsichtigt, in siebengeschossigen Holzbauten - ein Novum für München - circa 80 Wohnungen zu errichten. Die Ausschreibung soll laut Merk in Kürze stattfinden. Einen anderen Weg suchen die Macher von "Hallo Nachbar!". Sie wollen sich zunächst bei einer bereits bestehenden Genossenschaft und deren Wohnbauvorhaben beteiligen. Extrem ehrgeizige Ziele hat sich schließlich die Kooperative Großstadt gesetzt. Sie will mit engagierten Bürgern die Stadt für alle weiter bauen und neue Standards setzen. Eines aber ist allen vier Genossenschaften gemeinsam: Sie suchen Mitstreiter.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2015
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