Süddeutsche Zeitung

Maxvorstadt:Kübelstreit

Der öffentliche Raum in München ist knapp - und der Kampf um seine Nutzung treibt kuriose Blüten, wie sich am Gerangel um Pflanztröge am Josephsplatz zeigt: Sogar über Blumenkübel wird jetzt schon gestritten.

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

München galt einst als die etwas verschnarchte Weltstadt mit Herz, ohne die anstrengende Großstadt-Hektik. Es gab da eine Sehnsucht, die Landeshauptstadt möge endlich eine gescheite Metropole werden. Nun erfüllt sich der Wunsch, allerdings fragen sich viele, ob das gescheit ist, angesichts vollgestopfter Züge, genervtem Gehupe und Geklingel auf Straßen und Wegen, kurz: dem ständigen Gerangel um den knappen Platz im öffentlichen Raum. Das strapaziert die Nerven. Mehr Blumen wären vielleicht etwas, um die Gemüter zu beruhigen; mehr Blumen im öffentlichen Raum findet doch jeder schön, da dürfte es doch ausnahmsweise mal kein Gerangel geben. Doch, das gibt es, wie sich am Josephsplatz zeigt.

Dabei hat der Zoff auf und um diesen Platz zwischen Hiltenspergerstraße und der Kirche St. Joseph bereits eine gewisse Tradition. 2013 marschierten Aktivisten auf, um gegen die geplante Anwohnertiefgarage und den Kahlschlag der Bäume zu protestieren; laut und ausdauernd wurde gestritten, die Bäume dennoch gefällt, das Bauwerk in die Erde geschraubt. Wie die neue Oberfläche auf dem Platz aussehen soll, darüber verkrachte man sich wieder. "Die Freunde des Josephsplatzes" hieß damals die Bürgerinitiative. Jetzt gibt es die "Freunde des Franziskusbrunnens".

Die Anwohnergruppe stört sich an zweierlei: an Autofahrern, die immerzu am Nordwesteck bei eben jenem Franziskusbrunnen den Platzzugang zuparken; nicht willkommen sind ihnen auch jugendliche Skater, die regelmäßig mit ihren Boards über die Stufen des Brunnens brettern, was unangenehmen Krach verursache, wie es heißt, zudem den denkmalgeschützten Brunnen beschädige. Eine absonderliche Spielart des Gezerres um den öffentlichen Münchner Raum nimmt seinen Lauf.

Dabei ist die Frontstellung altbekannt: Immer wieder beschweren sich Anwohner per Eingaben über Lärm, den junge Skater mit ihren Brettern ausgerechnet vor ihrer Haustür veranstalten; umgekehrt reklamieren die jungen Sportler ihr Recht auf öffentliche Plätze. Häufig endet das mit vermeintlich eleganten Vertreibungsversuchen: Am Georg-Freundorfer-Platz auf der Schwanthalerhöhe wurden nach Anwohnerbeschwerden Holzbänke aufgestellt, im Arnulfpark Sitzbänke mit Lehnen versehen, damit sie als Parcourselemente ausfallen. Skater-Vergrämung geht aber auch mit Blumen, wie die "Freunde des Franziskusbunnens" demonstrieren.

Die Anwohnergruppe stellte Blumentröge auf die Stufen des Brunnens, sodass man mit dem Skateboard nicht mehr drüberschlittern kann. Zum Missfallen des Baureferats allerdings, welches dies als "unerlaubte Sondernutzung auf öffentlichem Verkehrsgrund" bezeichnete. Der Bezirksausschuss Maxvorstadt schaltete sich ein. Das Gremium fand die Kübel-Aktion durchaus charmant. Das schade doch niemandem und mache keinen Schmutz, lobten die Lokalpolitiker.

Bis zum nächsten Frühjahr kommen die Anwohner-Kübel erstmal weg - ein Etappensieg für die Skater und all ihre Freunde

Gleichwohl, beide Seiten, Lokalpolitiker und Behörde, zeigten sich verhandlungsbereit. Man traf sich bei einem Ortstermin, eine Art Kübel-Gipfel wenn man so will - wobei zwischenzeitlich bei einer Gegenaktion Unbekannte zwei der Pflanzentröge gestohlen, Anwohner dann wieder neue hingestellt hatten, diesmal "mit Metallklammern verbunden", wie Hans-Stefan Selikovsky (SPD) in der Bezirksausschuss-Sitzung berichtete. Die aktuelle Lage an der Blumenfront sieht demnach so aus: Die Tröge müssen auf jeden Fall weg, denn sie "verschandeln das Brunnendenkmal" (Selikovsky). Allerdings könnte man, wenn der Bezirksausschuss sich entschlösse, das zu wollen, die Anwohner-Kübel "in eine städtische Kübelbepflanzung überführen", wie der Gremiumsvorsitzende Christian Krimpmann (CSU) ausführte.

Zu einer erhofften Aussprache mit allen Beteiligten kam es an diesem Abend nicht: Die "Freunde des Franziskusbrunnens" waren nicht erschienen. Dafür ergriff eine Anwohnerin das Wort, man kann sie wohl als Freundin der Skater bezeichnen. "Auch Jugendliche sollen in der Stadt ihren Sport treiben können", sagte sie. Man könne hier nicht immer nur Ruhe einfordern. "Der Josephsplatz liegt mitten in der Stadt." Da schwang auch eine gewisse Genervtheit mit, das moderne München-Gefühl, das auch aus den Wortbeiträgen der Fraktionen herauszuhören war. Es wurde geschimpft auf Zugezogene, die Kneipenlärm und Jugendliche nicht dulden wollten. Die Replik: Es rede sich leicht, wenn man da nicht wohne und die "stundenlangen Skating-Aktion" ertragen müsse. Die einen zeigten Sympathie für die "Guerilla-Aktion" mit den Pflanztrögen, andere missbilligten, den Platz mit "Baumarkt-Blumenkübeln", womöglich bald auch noch mit Gartenzwergen, vollzustellen.

Nun sollen sich Profi-Schlichter des Allparteilichen Konfliktmanagements (Akim) der Kübel-Kontroverse annehmen, und "versuchen, dass die Parteien sich einigen", wie eine Emissärin der städtischen Stelle in der Sitzung sagte. Mit dem Ergebnis wird sich der Bezirksausschuss befassen, wohl erst im nächsten Frühjahr. Bis dahin kommen die Pflanzkübel vorerst weg. Ob städtische Kübel stattdessen hinkommen, muss sich noch weisen. Ein Etappensieg also für die Skater im Kampf um den öffentlichen Raum am Josephsplatz.

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SZ vom 12.10.2019/lfr
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