Maxvorstadt:Geborgen in der Muttersprache

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Sensible Sterbebegleitung: Projektleiterin Yasemin Günay (links) und Diana Grubić, die gerade die Ausbildung macht. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Um Sterbende aus fremden Kulturkreisen besser betreuen zu können, bildet der Hospizverein "DaSein" Ehrenamtliche mit Migrationshintergrund zu Begleitern aus. Das Projekt hat den bayerischen Integrationspreis gewonnen

Von Julia Weinzierler, Maxvorstadt

Der Tod gehört zum Leben - und doch fällt der Umgang mit ihm schwer. Die Frage, wer jemanden auf dem letzten Weg begleitet, will gut überlegt sein. Gerade im hohen Alter ziehen sich viele Menschen in die Vergangenheit zurück, schwelgen in Erinnerungen. Doch was ist, wenn diese Vergangenheit nicht in Deutschland stattgefunden hat und man sie mit niemandem teilen kann? Dann ist es gut, wenn der Sterbebegleiter oder die -begleiterin einen ähnlichen kulturellen Hintergrund hat. Sie verstehen am ehesten, "wo man sich gerade bewegt", erklärt Yasemin Günay, Projektleiterin beim Hospizdienst "DaSein".

Diese Kultursensibilität ist ein zentraler Punkt in der Sterbebegleitung des gemeinnützigen Vereins an der Karlstraße 55. Viele Münchner haben eine Migrationsgeschichte, aber unter den ehrenamtlichen Mitarbeitern findet sich kaum jemand mit nicht-deutschem Hintergrund. Daher startete "DaSein" Ende 2019 eine Ausbildung, die genau diese Personengruppen für das Ehrenamt gewinnen möchte. Neun Menschen unter anderem aus Kroatien, China, Spanien und der Türkei durchlaufen derzeit die verschiedenen Ausbildungsstationen, um Schwerstkranke am Ende ihres Lebens begleiten zu können. In der Muttersprache, mit der gewohnten Musik, mit Blick auf alle Tabus und Gepflogenheiten. Dafür ist "DaSein" mit dem bayerischen Integrationspreis ausgezeichnet worden.

Der Preis stand dieses Jahr unter dem Motto "Ehrenamt öffnet Türen - Engagement verbindet!". Ausgezeichnet wurden Initiativen und Projekte, die explizit Migranten für ehrenamtliches Engagement gewinnen konnten. Unter 132 Bewerbern landete der Hospizdienst "DaSein" auf dem ersten Platz.

Die ehrenamtlichen Sterbebegleiter sollen Schwerstkranke in der letzten Phase ihres Lebens unterstützen und den Angehörigen zur Seite stehen. Gerade in dieser emotional aufgeladenen Zeit spielen Vertrauen und Verbundenheit eine große Rolle. Das weiß auch Diana Grubić, die momentan die Ausbildung durchläuft. Ihre Eltern kamen als Gastarbeiter aus Kroatien nach Deutschland, und die in München lebende Musikpädagogin und -therapeutin fühlt sich in deren alter Heimat tief verwurzelt.

Als ihr Vater starb, hatte die 48-Jährige ein Schlüsselerlebnis: "Ich konnte ihn bis zum letzten Atemzug begleiten. Ich weiß nicht, woher diese Ruhe kam." Ein Ehrenamt schwebte ihr schon länger vor, das Angebot von "DaSein" überzeugte sie. Der Tod ist für Grubić keine "schreckhafte Begegnung", wie sie nun weiß. Gerade der kultursensible Teil spielt für sie eine wichtige Rolle. Auch auf persönlicher Ebene: Als ihre Tante starb, hat sie bei ihr den "Verfall der deutschen Sprache" selbst miterlebt.

Den Menschen auf Kroatisch zu begegnen, ihren Humor zu verstehen und dabei keine Tabus zu brechen, sei zentral. Manchmal sind es aber auch die kleinen Dinge, die einen Unterschied machen: Falls der Sterbende etwa vom Meer kommt, würde Grubić ihn mit "šjor" ansprechen, einer regionalen Form von "Herr". Genau diese Feinheiten können Sterbenden das Gefühl geben, geborgen zu sein. Vertrauen, das weder mit einem Dolmetscher noch in einer Fremdsprache entsteht.

Das bedeutet aber nicht, dass die jetzigen Auszubildenden ausschließlich Migranten in ihrer letzten Lebensphase begleiten oder dass andere Ehrenamtliche keine Personen mit ausländischen Wurzeln betreuen können. Die Palliative-Care-Fachkräfte des Hospizes eruieren immer, welcher Bedarf besteht. Nur wenn sich zeigt, dass eine Begleitung durch einen Migranten aus dem gleichen kulturellen Umfeld einen Mehrwert haben könnte, wird die Betreuung entsprechend eingeteilt. Das Ziel sei nicht, Parallelstrukturen zu bilden, sagt Günay.

In der kostenlosen Ausbildung lernen die Ehrenamtlichen, was für eine Sterbebegleitung wichtig ist. Jeder Teilnehmer bringe andere Erfahrungen in die Kurse, alle profitierten von diesen Einblicken, sagt Günay. Der Integrationspreis kommt dem Verein gerade recht - im nächsten Jahr sollen erneut Migranten für das Ehrenamt gewonnen werden. Denn die gleiche Sprache zu sprechen wie die oder der Sterbende, den man begleitet, könne einfach ein Pluspunkt sein, weiß Günay. "Und mit Sprache meine ich nicht nur Sprache im Sinne des Verbalen, sondern eben einfach das Wissen: Worum geht es dem anderen?"

Der nächste Ausbildungsstart für Migranten zur Sterbebegleitung bei "DaSein" ist für Januar 2021 geplant. Für weitere Informationen können sich Interessierte an Projektleiterin Yasemin Günay wenden, telefonisch unter 124 70 51 42 oder per E-Mail an y.guenay@hospiz-da-sein.de.

© SZ vom 12.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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