Maxvorstadt:Furcht vor dem Verlustgeschäft

Maxvorstadt: Hinter grüner Fassade: das Haus an der Sandstrasse 25

Hinter grüner Fassade: das Haus an der Sandstrasse 25

(Foto: Stephan Rumpf)

Gegen die Empfehlung des Sozialreferates verzichtet der Stadtrat in der Maxvorstadt auf die Ausübung des Vorkaufsrechts für das Haus an der Sandstraße 25. Der Bezirksausschuss verlangt Aufklärung

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Schon seit Jahren ist die Situation für Mieter vor allem in den Innenstadtquartieren angespannt. Häuser in diesen Lagen sind bei Investoren heiß begehrt, die Mieten steigen stetig. Da kann sich glücklich schätzen, wer in einem Erhaltungssatzungsgebiet wohnt. Die Lokalpolitiker in der Maxvorstadt achten penibel auf die Einhaltung der Schutzklauseln - und melden sich zu Wort, wenn sie Versäumnisse identifizieren - so auch jetzt im Fall des Verkaufs eines Hauses an der Sandstraße 25. Der Bezirksausschuss wirft der Stadt vor, das Haus nicht vor einem Investor gerettet zu haben. "Die Landeshauptstadt München hätte das Vorkaufsrecht wahrnehmen können", heißt es in einem Antrag des Gremiums.

Erhaltungssatzungen sollen der Bevölkerung günstigen Wohnraum sichern; der Stadtrat hat für 18 Gebiete solche Schutzregelungen erlassen. Luxussanierungen sind hier untersagt, Umwandlung in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig. Zudem hat die Stadt ein Vorkaufsrecht und kann Objekte nach ihren Bedingungen reprivatisieren. Die Politik in der Maxvorstadt ist bei diesen Milieuschutz-Vorgaben extrem wachsam - schließlich wurden etwa an der Georgen- und Arcisstraße Wohnungen veredelt, obwohl sie im Erhaltungssatzungsgebiet liegen. Zuletzt war ein Neubauprojekt an der Linprunstraße 40 im Erhaltungssatzungsgebiet St.-Benno-Viertel in den Fokus geraten: Das Gremium befürchtet den Bau von Luxuswohnungen.

Das dreistöckige Gebäude an der Sandstraße 25 liegt nur 300 Meter östlich davon, ebenfalls innerhalb des Satzungsgebiets zwischen Dachauer Straße und Lazarettstraße. Wie aus einer internen Beschlussvorlage des Kommunalausschusses, die der SZ vorliegt, hervorgeht, wurde das Haus im August 2015 für 1,3 Millionen Euro an einen Investor verkauft. Die Stadt verzichtete auf den Erwerb - gegen die Empfehlung des Sozialreferates. Dort ist man gemäß dem Papier der Auffassung, "dass die Voraussetzungen zur Ausübung des Vorkaufsrechts erfüllt sind". Laut der internen Vorlage gibt es in dem Anwesen mit Rückgebäude drei Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 196 Quadratmetern, zwei davon, so heißt es, stünden leer. Zudem werden drei Gewerbeeinheiten genannt. Alle Wohneinheiten seien "nach Auffassung des Sozialreferats (. . .) als erhaltenswert einzustufen", heißt es in dem Schreiben. Die Nettokaltmiete eines Bewohners wird mit 8,69 Euro angegeben, die Vergleichsmiete qua Mietspiegel liegt demnach zwischen 9,91 und 11,17 Euro. Zitiert wird zudem ein Immobilienmarktbericht, der für mittleren Wohnwert in München bis zu 14,80 Euro, für guten in der Maxvorstadt bis zu 16 Euro Nettokaltmiete ausweist. "Es besteht daher eine Verdrängungsgefahr", wird die Einschätzung des Sozialreferats wiedergegeben.

Das Kommunalreferat, federführende Behörde für die Bewertung des Vorkaufsrechts, kommt zu dem Schluss: "Die Stadt verzichtet aus wirtschaftlichen Gründen auf die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts." Zur Begründung heißt es: Das Gebäude sei in einem stark reparaturbedürftigen Zustand und "nicht mehr sinnvoll zu sanieren". Der Verkehrswert wird mit 1,46 Millionen Euro angesetzt, die Instandsetzungs- und Modernisierungskosten veranschlagt das städtische Bewertungsamt auf 300 000 Euro, der Reprivatisierungsgewinn läge bei 60 000 Euro. Die städtische Wohnungsgesellschaft GWG sieht laut Vorlage "erhebliche Risiken" bei dem Objekt. Sie geht von Gesamtkosten in Höhe von 964 000 Euro und einem "liquiden Verlust" von 899 000 Euro aus. Als Fazit steht ein Vorschlag in dem Beschluss, dem der Kommunalausschuss - nach SZ-Informationen gegen die Stimmen von SPD und Grünen - letztlich gefolgt ist: "Aufgrund der aufgezeigten gravierenden Mängel und des erheblichen Bauunterhaltsrückstaus wird von einem Erwerb dringend abgeraten." Die Vollversammlung bestätigte die Entscheidung, dem Vernehmen nach mit sehr knapper Mehrheit.

Das will die Stadtviertelpolitik nicht hinnehmen. "Eine Ausübung des Vorkaufsrechts hätte es ermöglicht, die Ziele der Erhaltungssatzung nach Mieterschutz und Erhalt der Bevölkerungsstruktur wenigstens in einem gewissen Maße durchzusetzen", appelliert das Gremium in dem Antrag an die Stadt, den die Grünen formuliert haben. Das Gremium dringt darauf, die Stadt solle "alle rechtlichen Maßnahmen ausschöpfen, die die Erhaltungssatzung zum Schutz der Bevölkerungsstruktur hergibt". Zudem wird Rechenschaft darüber verlangt, wie die gesetzlichen Vorgaben kontrolliert werden, wenn der neue Eigentümer das Haus abreißt und neu baut. "Abriss und Neubau hätte man ja auch mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft machen können", sagt Gesche Hoffmann-Weiss (SPD). SPD-Fraktionssprecherin Katharina Blepp äußerte die Befürchtung, dass an dieser Stelle ein "riesiges Luxusgrundstück" entstehen könnte, denn: "Das Grundstück an der Linprunstra- ße 5 wurde von dem gekauft, der auch das Gebäude Sandstraße 25 erworben hat."

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