Maxvorstadt:Die Wüste soll leben

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Seit Langem gibt es den Wunsch, die triste Straßenschlucht am Oskar-von-Miller-Ring menschenfreundlicher zu gestalten. Nun zeichnet sich ab, dass die riesige Kreuzung zu einem üppig begrünten Boulevard wird

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Der Kontrast könnte kaum größer sein zwischen Draußen und Drinnen, Wirklichkeit und Wunschvorstellung. Draußen wälzt sich die übliche Blechkarawane im Schneckentempo über den Oskar-von-Miller-Ring gen Altstadttunnel; drinnen hat sich der elende Feierabendverkehr in Luft aufgelöst, zu sehen ist ein blühendes Idyll: Passanten schlendern über die riesige, plötzlich von Sträuchern und Blumen gesäumte Kreuzung, weit und breit kein einziges Auto. "Nicht ein Auto? Das ist schön gedacht, wird aber niemals so sein", kommentiert ein Besucher die Simulation auf der Leinwand. Gut 60 Besucher spenden gereizten Beifall.

Donnerstagabend im Oskar-von-Miller-Forum, das Begegnungszentrum für das Bauwesen, welches passenderweise direkt an jenem Ort liegt, um den es bei dieser Infoveranstaltung geht: die monströse Straßenschlucht am Westausgang des Altstadttunnels, dieser mächtige Verkehrsknoten an der Nahtstelle zwischen City und Museumsquartier, frequentiert von täglich 60 000 Fahrzeugen. Kein Wunder, dass einige an diesem Abend irritiert sind vom autofreien Entwurf des Münchner Büros Kübert Landschaftsarchitektur. "Es war keine böse Absicht. Wir haben nur keine Notwendigkeit gesehen, Autos zu zeigen. Sie sind ja eher das Negativum", rechtfertigt sich Architekt Horst Kübert.

Und was für eins. Seit Jahrzehnten herrscht Konsens, dass dies eine krasse Bausünde ist, die ausgebügelt gehört. Nur wie? Schließlich muss der Verkehr weiter fließen. Ideen wurden hin- und hergewälzt, den tristen Stadtraum zu einem Ort nicht nur für Autos sondern für Menschen zu machen. Mit der Sanierung des Tunnelbauwerks bietet sich - wohl ab 2023 - die Gelegenheit dazu. Der Kern des Konzepts: Die graue Wüste wird kleiner, und sie wird mit üppigem grünem Saum eingefasst, der fast Biotop-Qualitäten haben soll. In den Worten von Florian Hochstätter, Chef der Abteilung Gartenbau im Baureferat: "Heute ist es eine Verkehrsschneise. Wir begegnen dem mit geballter Vegetation."

Die Kreuzung ist ein Überbleibsel aus jener Zeit, als die Politiker dem Planungsgrundsatz der "autogerechten Stadt" folgten. Zu den Olympischen Spielen 1972 sollte die Fußgängerzone in der Altstadt fertig sein. Die Röhre und jede Menge Fahrspuren wurden nötig, um den Verkehr ums Zentrum herum zu leiten.

Der Stadtrat hat sich dagegen entschieden, diesen Bereich zwischen Markuskirche, Landesbank-Komplex und Tunnel komplett zurückzubauen. Stattdessen wurde ein Architektenwettbewerb angestoßen, flankiert von einem Bürgerworkshop. Als Sieger ging das Büro Kübert hervor.

Prinzipiell soll sich am Gefüge nichts ändern, jedoch wird der Raum für die Autos gehörig gestutzt: Im Tunnel fällt eine Fahrspur Richtung Osten weg, dafür wird eine Einbiegemöglichkeit Richtung Süden auf den Altstadtring eingerichtet, die Fußgängerunterführungen zugeschüttet, die Kreuzung oberirdisch überquerbar gemacht, rundum Fahrradwege angelegt.

Das Entscheidende ist aber: Der achtspurige Abschnitt der Gabelsbergerstraße wird auf fünf Spuren verengt, zudem die voluminöse Zufahrtsrampe steiler angelegt - dadurch wird viel Fläche frei, die gemäß dem Entwurf von Kübert Landschaftsarchitektur kultiviert werden soll. Derzeit haben Fußgänger rundherum 7500 Quadratmeter zur Verfügung, darin enthalten sind 1900 Quadratmeter kärgliches Straßenbegleitgrün. Zukünftig sollen es 10 000 Quadratmeter sein, davon 3000 Quadratmeter "ökologisch hoch wirksamer Fläche", wie Hochstätter sagt. Das Büro Kübert beschreibt es in einem Kommentar so: "Das überbordende Grünkonzept unter Einbeziehung der Bestandsbäume interpretiert den bisher nüchternen, wenig gestalteten Stadtraum im Sinne einer sensitiven, urbanen Naturästhetik neu." Üppige Mischpflanzungen aus Stauden und Gräsern sollen zu einem grünen Boulevard verwoben werden, eine "blütenreiche Abschirmung" zum Verkehr entstehen. Besonders wuchern soll die Botanik vor dem Oskar-von-Miller-Forum, wo auch eine brunnenartige Wasserwand vorgesehen ist.

Einige Besucher sind jedoch skeptisch. "So toll wie im Botanischen Garten wird es ja wohl nicht werden", formuliert es Martin Fürstenberg vom Münchner Forum. Er macht keinen Hehl aus seinem Bedauern, dass der Bereich vor der Markuskirche nicht spürbarer aufgeweitet wird - und spricht aus, was seit Beginn des Workshops viele beklagen: "Dies ist keine Stadtreparatur. Die Schneise zur Altstadt, diese Wunde, bleibt bestehen."

Hochstätter mag da nicht widersprechen. "Es ist kein großer Wurf und keine echte Reparatur", räumt er ein. Aber doch ein attraktiver Weg. "Von der Altstadt zum Kunstareal zu gehen, könnte selbst zur Attraktion werden", sagt er und versichert: Dies sei ein Konzept, kein Plan. Baldmöglichst soll der Stadtrat sein Placet zum Konzept geben - die genaue Ausarbeitung werde in enger Abstimmung mit Anwohnern und Bezirksausschuss erfolgen.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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