Maxvorstadt:Arri baut sein Kino an der Türkenstraße aus

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Derzeit gibt es keine Vorstellungen an der Türkenstraße: Doch im Innern laufen Bauarbeiten. (Foto: Florian Peljak)
  • Zehn mal 20 Meter soll die Leinwand messen und ist damit viermal so groß wie heute und gehört zu den größten der Stadt.
  • Arri will seinen Standort in der Stadt behalten - anders als viele andere Traditionsunternehmen.

Von Alfred Dürr und Laura Kaufmann

Es ist ein beispielloser Strukturwandel, der bei Gewerbe und Industrie in der Stadt passiert. Traditionsunternehmen wie Agfa, Osram, Pfanni oder Rodenstock haben ihre angestammten Betriebsflächen verlassen, moderne Gebäude anderswo bezogen und damit Platz geschaffen für andere Nutzungen auf ihren ehemaligen Arealen. Aktuell macht auch Arri, der weltweit führende Hersteller von Kamera- und Beleuchtungssystemen für die Film- und Fernsehindustrie, diesen Prozess durch. Arri bleibt seinem Stammgelände an der Türkenstraße in der Maxvorstadt treu, obwohl in der Parkstadt Schwabing die neue Firmenzentrale entsteht.

Für das verschachtelte Quartier, in dem 1917 die Erfolgsgeschichte des Unternehmens begann, wird es nach dem Umzug in den Neubaukomplex keine radikalen Veränderungen nach der bekannten Münchner Mischung mit Luxuswohnungen, Büros, Läden und Gastronomie geben. Das hat Arri-Vorstand Jörg Pohlman im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung bekräftigt. Obwohl das eher unauffällige Erscheinungsbild der alten Zentrale weitgehend erhalten bleiben soll, schließt Pohlman einzelne Neu- oder Umbauten auf dem Gelände nicht aus. So kann er sich etwa Aufstockungen bei bestehenden Häusern vorstellen, oder Läden beziehungsweise Gastronomie entlang der Türkenstraße. Konkrete Konzepte gibt es aber noch nicht.

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Die deutlichste Veränderung betrifft aktuell das 1958 eröffnete Arri-Kino. Das Foyer, der Saal selbst und die umliegenden Räume werden zur Zeit umgebaut. Noch ist ein wenig Fantasie nötig, um sich das eingerüstete frühere Studio entlang der Rambergstraße als Kino vorzustellen. Die enormen Dimensionen sind aber schon jetzt beeindruckend. Hier soll der Saal mit der wahrscheinlich größten Leinwand Münchens entstehen. Man ist sich noch nicht ganz sicher, ob sie nun wirklich die Leinwand im Mathäser übertrifft. Zehn mal 20 Meter wird sie jedenfalls messen, und damit viermal groß sein wie die bisherige Leinwand des Arri-Kinos.

Dazu großzügig bestuhlt, bequem und mit Beinfreiheit auch für lange Menschen, wie es das Konzept der Astor-Kinos vorsieht. "In Zeiten von Netflix und Amazon muss man den Leuten etwas Besonderes bieten", sagt der neue Betreiber Hans-Joachim Flebbe, der den Kinobesuch neu definiert hat mit der Marke Astor. Er macht daraus wieder ein Happening, mit besonderem Komfort und Service im Saal. Das Arri-Kino wird, wenn es im Spätsommer neu eröffnet, Astor Film Lounge im Arri heißen.

Der große Saal, der früher etwa der Bullyparade und der Sendung "Die Anstalt" als Studio diente, ist für 350 Leuten gedacht; so viel fanden im alten Arri-Kino Platz. Dieser Saal ist auf 180 Plätze reduziert worden. Das dritte Kino ist in der ehemaligen Betriebskantine eingerichtet, mit 70 Plätzen, roten Plüschsesseln und Bücherregalen an den Wänden. Die Technik ist auf modernstem Stand.

3-D-Filme können ebenso gezeigt werden wie Filme auf 70 Millimeter für ein cineastisches Liebhaberpublikum. Arthouse soll neben gehobenem Mainstream seinen Platz finden. "Wir wollen das Publikum, das bisher ins Arri gegangen ist, nicht verschrecken", sagt Flebbe. Die Kartenpreise sollen sich zwischen 11 und 16 Euro bewegen, Garderobe und Begrüßungsdrink inklusive, also günstiger als bei der Konkurrenz vom Gloria Palast. Das Fingerfood, welches im Kinosaal vor der Vorführung serviert wird, soll recht bodenständig sein, Leberkas im Glas, Obazda, Gemüsesticks. Und auch Popcorn wird es nun geben, aber besonderes.

Pohlman und Flebbe, der schon die Cinemaxx-Gruppe gründete, bevor er die Astor-Premium-Kinos entwickelte, sind sichtlich stolz. Ein "Leuchtturmprojekt" nennt Flebbe das neue Arri. Das Foyer ist nun doppelt so groß, im Stil der Fünfzigerjahre wird es hergerichtet. Ein petrolfarbener Teppich kommt hinein, die charakteristische Decke bleibt erhalten. Eine Gastronomie wird es ebenfalls geben, zwischen Exponaten aus dem Arri-Imperium und Schautafeln mit der erfolgreichen Geschichte des Unternehmens; den beiden 17-jährigen Schulfreunden, die mal einen Western an der Isar drehten und deren Equipment heute beinahe ganz Hollywood nutzt. Ob die Gastronomie als Lokal auch Nicht-Kino-Gängern zugänglich gemacht wird, ist noch nicht sicher. Aber ein schöner Raum für Premierenparties gehört damit auch zum Portfolio.

Unterdessen geht die neue Firmenzentrale an der Herbert-Bayer-Straße in der Parkstadt Schwabing und gegenüber dem Einkaufszentrum der Parkstadt Schwabing ihrer Fertigstellung entgegen. Vor einem Jahr war die Grundsteinlegung, jetzt ist der Innenausbau an der Reihe. Ende diesen Jahres werden bereits die ersten 80 Mitarbeiter in das Hauptquartier namens "Arrial" einziehen. Später werden 600 Leute dort arbeiten.

Doch die Räume reichten schon gar nicht mehr aus, sagt Vorstand Pohlman. Arri ist mit seinem Produkten vor allem im Ausland auf Erfolgskurs. Die Umsatzkurve zeigt nach oben, erhöht hat sich auch die Zahl der Mitarbeiter. In Ismaning und auf dem Gelände der Bavaria Filmstudios in Grünwald wurden Büros angemietet. Ein Teil der Belegschaft werde auf jeden Fall an der Türkenstraße bleiben, sagt Pohlman. Auch die vorhandenen 20 Wohnungen auf dem Areal würden nicht aufgegeben. Nur auf die Kantine müssen Mitarbeiter an der Türkenstraße verzichten. Da ist ja bald ein neues Kino. Mahlzeiten gibt es in den umliegenden Läden. Arri gibt dafür Gutscheine aus.

© SZ vom 08.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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