Maximilianeum:So lebt es sich im ungewöhnlichsten Studentenwohnheim Bayerns

Maximilianeum München

Bayerns Parlamentarier debattieren in einem Studentenwohnheim, könnte man sagen: der Stiftung Maximilianeum gehört das Gebäude am Ende der Maximiliansstraße, der Landtag ist nur Mieter.

(Foto: cab48 - Fotolia)

Im Maximilianeum wohnen 49 Elite-Stipendiaten - nebenan: das Parlament. Seit eine Feier schiefging, herrscht Partyverbot. Machen die Studenten etwa Krawall und Remmidemmi im Landtag? Ein Besuch.

Von Elisa Britzelmeier

Beim Mittagessen, sagen die Maximer, spürt man die Gemeinschaft am besten. Und vielleicht spürt man hier auch am besten, was das Leben in einem der ungewöhnlichsten Studentenwohnheime Deutschlands ausmacht. 13 Uhr, zehn Stipendiaten sind da, einer nach dem anderen holt sich seine Serviette vom Stapel, die Servietten sind aus Stoff, und jede trägt die Initialen ihres Besitzers eingestickt.

Durch die Fenster des Speisesaals geht der Blick auf die Arkaden des Landtags. Das Haus ragt wie eine Theaterkulisse am Isarhochufer auf, wer hinein will, muss an der Pforte den "Lichtbildausweis unaufgefordert vorzeigen". Nicht wegen der 49 Studentinnen und Studenten, die im Maximilianeum leben. Sondern wegen des prominenten Untermieters, des Parlamentes des Freistaats Bayern. Man könnte also fast sagen: Bayerns Parlamentarier debattieren in einem Studentenwohnheim.

Schon allein deshalb ist es kein ganz normales Wohnheim, auch wenn die Bewohner das gerne so sehen würden. Im Speisesaal hängt ein Gemälde, groß wie zwei Doppelbetten, die "Gründung der katholischen Liga durch Herzog Maximilian I. von Bayern", gegenüber ein Holzkreuz. Auf dem langen Tisch: Porzellanteller, Tischdecken, Kerzen und Tannenzweige. Ein Student nach dem anderen sucht sich seinen Platz, bleibt hinter dem Stuhl mit der hohen Lehne stehen, wartet, Serviette in der Hand, es ist wie ein Moment der Andacht. Als alle da sind, begrüßt Matthias Weigand die Runde. Erst dann setzen sie sich.

Matthias Weigand, "M. We." in blauer Stickerei auf dem weißen Stofftuch, 20, ist Haussprecher der Stipendiaten, die Besten der Besten sollen sie sein. Alle haben ihr Abitur mit 1,0 abgelegt, in keinem Fach weniger als 13 Punkte geschafft und ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen. Sie dürfen kostenlos in dem historischen Bau am Ende der Maximilianstraße wohnen. Angestellte der Stiftung kochen für sie, waschen, putzen ihre Zimmer. "Talentvollen Jünglingen" wollte König Maximilian II. ein sorgenfreies Studium ermöglichen, als er die Stiftung 1852 gründete. Aus Bayern und der Pfalz sollten sie sein, das gilt bis heute, auch wenn die Pfälzer in der Unterzahl sind. Die prominentesten Alumni: Franz Josef Strauß, Werner Heisenberg und Michael Kunze, der vor allem deshalb berühmt ist, weil er den Text zum Schlager "Ein Bett im Kornfeld" geschrieben hat.

Erst seit 1980 sind Frauen dabei, nur durch eine weitere Stiftung können auch sie gefördert werden. Heute leben etwa gleich viele junge Frauen wie junge Männer im Maximilianeum, nur Migrationshintergrund hat nach wie vor kaum jemand. Die jüngsten sind 17, die ältesten 25. Am Mittagstisch gibt es ein paar Rollkragenpullover und sehr faltenfreie Hemden zu sehen, eine Biologiestudentin sitzt in Jogginghose und FC-Bayern-Schal am Tisch und spricht über Hummeln. Das Essen wird in großen Schüsseln serviert, Tomatensuppe, Quiche, Fleisch, Gemüse und Kartoffeln. Gegessen wird erst, wenn jeder etwas hat. Sie sind sehr höflich und rücksichtsvoll, die Maximer. Wenn das Handy während des Gesprächs klingelt, entschuldigen sie sich sofort. Und Besuchern hilft man bei der Begrüßung selbstverständlich aus den Mänteln.

Mitte Dezember haben die Stipendiaten Schlagzeilen gemacht, die etwas anders klangen. Als würden sie im Maximilianeum ordentlich Krawall und Remmidemmi machen. Da war diese Feier, die schief ging. Irgendwie hatten Partygäste es in die Büros der Grünen-Abgeordneten geschafft. Die liegen im selben Gebäudetrakt wie der Partykeller der Stipendiaten - nur eine Aufzugfahrt entfernt im fünften Stock. Der Keller sieht beinahe so aus wie in anderen Wohnheimen: keine Gemälde an der Wand, dafür eine Discokugel an der Decke. Es gibt einen Tresen, Musikboxen, einen Kicker und einen Billardtisch. Wenn hier nicht Party ist, finden Tanzkurse statt, und Party war sowieso nur einmal im Jahr.

Und jetzt haben sie Partyverbot. Denn: Eine Vase ging bei den Grünen zu Bruch, ein Bild hing danach nicht mehr an seinem Platz. "Es tut uns wahnsinnig leid, was da passiert ist", sagt Matthias Weigand.

Wie es passiert ist und wer es war, wissen sie nicht. Bei den Grünen haben sie sich entschuldigt, die Vase ersetzt - alles wieder gut, war bald zu hören. Aber unangenehm ist es den Stipendiaten noch immer. Nur eins hat sie geärgert: Dass es hieß, sie müssten zur Strafe putzen. Denn das hätten sie doch sowieso getan. Theresa List, 19, Perlenohrringe, Bluse, war auf der Party, aber mitbekommen hat sie nichts. "Wir haben uns alle gewundert, als das am nächsten Morgen herauskam." Es war die Einzugsfeier ihres Jahrgangs, seit Oktober wohnt die Jurastudentin im Maximilianeum. "Die Party an sich war nicht außer Rand und Band", sagt sie. Wer die Stipendiaten beim Mittagessen erlebt hat, kann sich ohnehin kaum vorstellen, wie sie die Kontrolle verlieren und richtig einen draufmachen.

Ein Fußballturnier gegen den Landtag - und Seehofer an der Zimmertür

Es kommt durchaus vor, dass man als Stipendiat als Streber abgestempelt wird. Dass sie Elite-Studenten sind, wollen sich die wenigsten anmerken lassen. "Wenn man mich fragt, wo ich wohne, antworte ich: In einem Wohnheim am Max-Weber-Platz", sagt Matthias Melcher, 22, Hemd, Brille, ebenfalls Haussprecher. Dabei sitzt er im Festsaal seines Wohnheims am Max-Weber-Platz, die Decken sechs Meter hoch, in der Ecke ein Flügel, hinter ihm posiert in Öl der Stifter, den sie hier nur "Max Zwo" nennen. Melcher sagt auch: "Ich will mich nicht dafür verteidigen müssen, dass ich ein sehr gutes Abitur gemacht habe und deswegen gefördert werde."

Vielen hier fiel es schwer, sich für ein Studienfach zu entscheiden - sie sind halt überall gut. Mehrere Stipendiaten sind für Kombinationen wie Physik und Germanistik eingeschrieben. Matthias Weigand studiert Volkswirtschaftslehre, Gitarre hätte ihm aber auch gefallen. Er trägt ein Jimi-Hendrix-T-Shirt unter dem offenen Hipsterhemd, in seinem Zimmer stehen zwei Gitarren und ein Plattenspieler, selbst restauriert, dazu Aufnahmen von Pink Floyd und den Beatles. Im Regal daneben: ein Überblick über die deutsche Literaturgeschichte, knapp 800 Seiten. "Das habe ich mal durchgearbeitet, weil ich es spannend fand." Germanistik wäre vielleicht auch was für ihn gewesen.

Die Zimmer von Weigand und den anderen Maximern hat man mit drei Schritten durchquert, wie in anderen Wohnheimen auch. Dafür liegen sie im Altbau an einem Gang mit knarzenden Dielen und Säulen mit Stuck. Eine Reinigungskraft zieht einen Staubsauger hinter sich her. Im Stockwerk darüber: die Bibliothek, Arbeitsplätze mit grünen Schreibtischlampen, es riecht nach alten Büchern. Wer Seminararbeiten schreibt oder lernt, muss das Haus kaum verlassen. Leihfristen gibt es nicht. Auf dem Flur stehen die alten Stühle aus dem Landtag, so wie sich manche WGs Kinosessel in die Wohnung stellen. An die Zimmertür eines Bewohners hat jemand eine Autogrammkarte von Horst Seehofer geklebt.

"Jeder Zögling erhält bei jeder Mahlzeit einen halben Liter Bier"

Woran man noch merkt, dass sie sich das Haus mit dem Landtag teilen? Im Sommer gehen die Stipendiaten auf das Sommerfest der SPD, der einzigen Partei, die gleich nebenan feiert. Jedes Jahr gibt es ein Fußballturnier gegen den Landtag, fast immer verlieren die Studenten. Und so gut wie jeder hat sich schon mal eine Plenarsitzung angesehen, es ist ja nur eine Minute, dann sind sie drüben. Nach draußen sichern Drehkreuz, Schranke und Wachhäuschen das Parlament und damit auch die Studenten ab. Kommen Freunde zu Besuch, holt man sie ab. Es ist wie ein Schutzraum, in dem sie, die Besten der Besten, nichts Besonderes sind. In dem sie gemeinsam "Tatort" schauen, sich über Ballett und Harry Potter unterhalten.

"Jeder Zögling erhält bei jeder Mahlzeit einen halben Liter Bier", hieß es in der Hausordnung von 1852. Noch heute steht ein Kühlschrank voller Bierflaschen in einem der Gemeinschaftsräume. Es ist der einzige Raum, in dem geraucht werden darf. Aber es raucht nur einer der Stipendiaten. Und seinen täglichen Liter Bier schafft keiner.

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