Ben Schneider hat sich verrannt. Und das, obwohl er alles so gemacht hat, wie es richtig war. Er ist 29 Jahre alt, Wirtschaftsprüfer und gut in dem, was er tut. Aber glücklich ist er nicht. Um diesem "Kreislauf beschwerlicher Scheiße" zu entfliehen, zieht er einen Entschluss: Er will sein Leben beenden.
"Ben hat sich in ein Leben manövriert, von dem er dachte, dass er es zu wollen hat", sagt Max Osswald. Ben ist die Hauptfigur in Osswalds Buch, das er am Sonntag, 15. Mai, bei der Benefiz-Aktion "Read for Peace" im Münchner Literaturhaus sowie am Dienstag, 17. Mai, im Substanz vorstellen wird: seinen Debütroman "Von hier betrachtet sieht das scheiße aus" (dtv). Das ernste Thema ist vielleicht erstaunlich. Osswald ist Comedian, sein Roman aber nicht auf Pointe geschrieben. Stattdessen schreibt er aus der Sicht eines Menschen, der vom Leben nichts mehr erwartet. Spitzzüngig, aber mit klugen Vergleichen lässt Osswald seinen Protagonisten Ben jede Situation zerpflücken, auf die er trifft. Diese manchmal bitterbösen Gedanken bringen den Leser zum Schmunzeln (wenn Ben Netflix-Serien zerreißt) und zum Nachdenken (wenn er vor dem Grab eines Freundes steht und feststellt: "Das bleibt also von uns: zwei Fakten und zwei Quadratmeter"). Ben möchte sterben. Sich selbst umbringen will er aber nicht. Sein Plan ist umständlicher: Wenn sein Leben schon nicht besonders war, soll es wenigstens sein Tod sein. Er engagiert einen Auftragsmörder.
2018 entdeckte er Poetry Slam für sich
Kennt man Osswalds Vita, wirkt der Roman etwas autobiografisch. Der Autor ist 29 Jahre alt, genau wie Ben, und auch er hat in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet. Spricht man Osswald auf diese Parallelen an, witzelt er: "Ich habe keinen Auftragsmörder auf mich angesetzt." Die Ähnlichkeiten erklärt er mit Pragmatismus: Er kennt die Welten, in denen Ben sich bewegt. Sie sind einfacher zu beschreiben. Eines gibt Osswald bei allem Witz doch zu: "Hätte ich nicht irgendwann einen anderen Weg eingeschlagen, hätte das ich sein können."
Anders als Ben entschied sich Osswald auszubrechen. Während seines dualen BWL-Studiums verlor er die Lust an der Arbeit mit Zahlen. Durch Freunde, die am Theater arbeiteten, drang er ein in die Kunstwelt, sah, wie glücklich die Leute dort waren. Das wollte er auch - und begann deshalb ein Volontariat im Story-Department einer Daily Soap. 2017 führte ihn das nach München. Geschrieben hat Osswald, der aus Ostfildern in der Nähe von Stuttgart stammt, schon immer, Gedichte und Kurzgeschichten. Nun verdiente er mit seiner Leidenschaft Geld.
2018 entdeckte er Poetry Slam für sich, trat bei der "Kiezmeisterschaft" im Stragula an oder beim "Isar Slam" im Ampere. Seinen ersten Auftritt hatte Osswald aber bei der Comedy-Bühne "Ja und Weiter". Das passte: Osswald schrieb für die Bühne vor allem lustige Texte. 2019 schaffte er es ins Finale des "NightWash Talent Award". Da war klar: Er möchte sich auf Stand-up konzentrieren. Seitdem tingelt er auf den Comedy-Bühnen Münchens umher.
"Mir muss das Schreiben mehr Spaß machen als das Geschrieben-Haben."
Die Literatur blieb dabei immer im Hinterkopf. Drei Jahre schrieb der Wahl-Münchner an seinem Debütroman. Der mutet mit seiner zynischen und einsamen Hauptfigur Ben fast popliterarisch an und erzählt im Kern auch von Vergänglichkeit. Darüber hat Osswald oft nachgedacht: dass sich in ein paar hundert Jahren niemand mehr an ihn erinnern wird. "Das ist so ein Punkt, der hat mich zeitweise fertig gemacht." Inzwischen hat er sich vom Druck befreit, unsterblich werden zu müssen.
Sein Name steht jetzt auf einem Roman. Ist das nicht schon ein kleines Denkmal? Osswald ist da bescheiden. Er klingt wie jemand, der nicht zu träumen wagt. Stattdessen erzählt er, wie viele Bücher jedes Jahr erscheinen, wie klein die Chance ist, dass gerade seines ein Bestseller werden könnte. Osswald möchte weiter schreiben. Bücher, aber auch ein Comedy-Soloprogramm, mit dem er auf Tour gehen kann. Ob er irgendwann unsterblich wird, ist nebensächlich, sagt er: "Mir muss das Schreiben mehr Spaß machen als das Geschrieben-Haben."
Max Osswald, Read For Peace, So., 15. Mai, 18 Uhr, Literaturhaus, boersenverein-bayern.de ; Book-Release-Party, Di., 17. Mai, 20 Uhr, Substanz, Ruppertstr. 28, substanz-club.com