Max Herre in München:Textakrobat mit Tiefgang

Früher Rapper, heute Singer-Songwriter: Max Herre hat sich in seinem neuen Album vom Hiphop verabschiedet. Nicht aber auf der Bühne.

Helena Schwarzenbeck

Schon beim Opening ist klar: Die alten Freundeskreis-Zeiten sind vorbei. Der Look ist zwar der gleiche wie früher: Graues T-Shirt, schwarze Weste, der gewohnte Lockenkopf. Doch Max Herre ist jetzt nicht mehr der Hiphopper von damals. Er ist jetzt Singersongwriter.

Max Herre in München: Max Herre: Früher Rapper, jetzt Singer-Songwriter.

Max Herre: Früher Rapper, jetzt Singer-Songwriter.

(Foto: Foto: ddp)

Am Freitag war der Lockenkopf wieder einmal in München zu Gast, in der vollen Muffathalle. Die vordere Hälfte der Halle ist sogar bestuhlt, so etwas hätte es früher nicht gegeben. Doch der bestgelaunte Herre stellt schnell klar: "Sitzplätze sind nur eine Option." Eine Option, die von den wenigsten Zuschauern an diesem Abend wahrgenommen wird. Schon bei dem Einstiegssong "Ein geschenkter Tag" hält es keinen mehr an seinem Platz.

"Ein geschenkter Tag", das ist auch der Titel seines neuen Albums, einem Album, dass mit Folk, Funk und Soul kaum noch an die musikalische Vergangenheit des ehemaligen Freundeskreis-Frontmannes erinnert. Wie Jan Delay und Clueso schlägt auch Max Herre neue Wege ein und verabschiedet sich endgültig vom Hiphop. Zumindest im Studio.

Fünf Jahre hat sich Max Herre Zeit genommen, bevor er nach seinem Debütalbum "Max Herre", sein zweites Soloalbum herausbrachte. In dieser Zeit ist viel passiert: Vor allem die Trennung von seiner Frau Joy Denalane, mit der er zwei Kinder hat, bedeutete einen tiefen Einschnitt. Nun besinnt er sich auf das für ihn Wesentliche: Gitarre und Gesang.

Zusammen mit seiner neuen Band, einem Quartett aus dem Pianisten Roberto Di Gioia, dem Gitarristen Frank Kuruc, dem Bassisten Christian Diener und dem Schlagzeuger Earl Harvin, nahm er das Album in nur einer Woche auf. In dem neuen Album, das ganz akustisch gehalten ist, sind auch Einflüsse von Udo Lindenberg deutlich.

Doch das Konzert bewies, dass Herre immer noch gerne auf seine Wurzeln zurückkommt. Lange müssen die Freundeskreis-Fans am Freitagabend nicht warten, bis er die alten Songs auspackt: Bei "A-N-N-A" singt und rappt die ganze Halle mit. Und auch bei "Leg Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte" zeigt das Publikum, dass es selbst nach 13 Jahren noch textsicher mitreimen kann. Das macht auch Max Herre sichtlich Spaß.

Der Schoß der Kolchose

Die Wortakrobatik und die Vorliebe für sozialkritische Texte sind als Erbe aus alten Rapper-Zeiten auch in seinem neuen Album präsent. Im Song "Er-Sagt-Sie-Sagt", einem der besten des Abends, verbindet Herre Wortspiele und groovende Rythmen geradezu meisterhaft. Das Publikum geht begeistert mit - auch wenn beim Mitsingen kaum jemand über die erste Zeile des kryptischen Refrains hinaus kommt.

Als Herre dann wie ein Pinguin hin- und herwippend zu dem Ragtime-Stück "Baby Mama Rag" den Clown gibt, ist der coole Rapper von damals vergessen. Kontrastprogramm und Stimmungskiller hingegen ist das etwas zu lang geratene Stück "Staub", das von einer monotonen Gitarrenmelodie angetrieben, eher an meditative Klänge erinnerte. Dazu passt dann auch der heiße Tee, von dem Herre zwischen den Stücken immer wieder vorsichtig nippt.

Als aus der ersten Reihe der Ruf nach Tanzbarem laut wurde, meint Herre augenzwinkernd: "Jetzt sing ich ein bisschen, dann können wir noch den ganzen Abend tanzen."

Sein Konzert beschließt er dann aber doch mit eher ruhigen Songs: In zwei Zugaben spielt er neben alten Liedern auch das von Udo Lindenberg gecoverte Stück "Wir wollen doch einfach nur zusammen sein".

Das Publikum ist nach mehr als zwei Stunden Konzert mehr als zufrieden - sowohl die Freundeskreis-Veteranen als auch die Singer-Songwriter-Fans. Doch eines ist klar: Irgendwie kommt Max immer noch "aus dem Schoß der Kolchose". Zum Glück.

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