Ausstellungen in Münchner GalerienAuf der Suche nach einer besseren Welt

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Um Fragen von Wissenschaft und Philosophie geht es bei Paul Valentin. Auch in seiner neuesten Videoarbeit „Coda“ von 2024.
Um Fragen von Wissenschaft und Philosophie geht es bei Paul Valentin. Auch in seiner neuesten Videoarbeit „Coda“ von 2024. (Foto: Paul Valentin)

Wie Künstlerinnen und Künstler mit ihren Mitteln das Erdzeitalter erforschen und dystopische Entwicklungen infrage stellen, zeigen zwei Ausstellungen bei Max Goelitz und Britta Rettberg.

Von Evelyn Vogel

Kann man diese Welt als einzelner Mensch noch erfassen? Sind wir nicht alle viel zu sehr von Reizen wie Bildern, Nachrichten und Meinungen überflutet? Weil alle alles digital in die Welt blasen – ohne Rücksicht auf Verluste? Verlust von Wissen und Sicherheit wegen der all der Fake News. Verlust von Konzentration, weil wir nur noch mit dem Wischen durch diese Flut beschäftigt sind. Einer Flut, die nicht selten einem Sumpf gleicht?

Wie begegnen Künstlerinnen und Künstler dieser Flut? Was interessiert sie? Welche Haltungen nehmen sie ein? Neue Technologien sind ein großes Ding. Zugleich aber rückt die Idee von Natur und dem Blick des Menschen darauf in den Vordergrund, wie die Ausstellung „Dirt“ von Jenna Sutela und Pamela Rosenkranz in der Galerie von Max Goelitz zeigt.

Ein Erdhaufen, der ein Soundsystem speist: Details aus Jenna Sutelas Installation „Vermi Cell“ 2023.
Ein Erdhaufen, der ein Soundsystem speist: Details aus Jenna Sutelas Installation „Vermi Cell“ 2023. (Foto: Dirk Tack/Courtesy of max goelitz and the artist)

Wer die Galerie betritt, wird multisensorisch umfangen. Die finnische Künstlerin Jenna Sutela hat für die Installation „Vermi Cell“ einen Erdhaufen aufgeschüttet, in dem Setzlinge gedeihen und Regenwürmer ihre Arbeit verrichten. Geht’s noch geerdeter, denkt man? Da aber schieben sich schon die audiovisuellen Momente der Installation in den Vordergrund. Lichter flackern, Töne füllen den Raum. Die Energie für all das liefert der Organismus selbst. Energie, die mithilfe von Elektronen im Erdhügel aufgezeichnet und über Computer weiterverarbeitet wird. Aber wie die Natur nun mal ist: Mit der Zeit verändert sie sich, weswegen hier nichts bleibt, wie es war.

Die Zweite im Bunde, die Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz, versucht, mit ihren Werken auf diesen Organismus dialogisch zu agieren, verhandelt die Idee von „Natur“, indem sie den menschlichen Blick darauf reflektiert. Augen, die wie blutüberströmt wirken, scheinen die Besuchenden zu beobachten und ihrer Wahrnehmung und der Körperlichkeit in einer immer stärker technologisierten Welt nachzuspüren.

Pamela Rosenkranz / Jenna Sutela: Dirt, Galerie Max Goelitz, Maximilianstraße 35, bis 5. Oktober

Noch tiefer in die Erde einzutauchen, genauer ins Erdzeitalter, scheint die Ausstellung „Solid Currents“ von Lennart Lahuis und Paul Valentin bei Britta Rettberg. Geradezu anachronistisch wirken die Schrifttafeln aus Ton aus Lahuis’ Werkserie „Murmur“, bis man erkennt, dass die Bruchstücke keine Botschaften aus der Vergangenheit transportieren, sondern höchst aktuelle, aus einer Wissenschaftsstudie stammende Umwelt-Themen ansprechen.

Das Spiel mit der Sichtbarmachung solcher Botschaften setzt der niederländische Künstler in anderen Formen fort. Etwa indem er in der Serie „When Is It That We Feel Change In The Air“ mithilfe von Wasserdampf (und natürlich computergesteuert) Botschaften aus Tonnen aufsteigen lässt. Auch hier denkt man zunächst an etwas Archaisches: Rauchzeichen, die über die Prärie ziehen, etwa. Aber auch hier geht es um das Sichtbarmachen von Dingen, die die Menschheit bedrohen – und die Menschen gerne so schnell und flüchtig wie möglich beiseiteschieben würden.

Paul Valentin aus München erweitert mit seiner neuesten Videoarbeit „Coda“ seinen 2023 begonnenen digitalen Science-Fiction-Kosmos „Formula“, von dem schon Teile bei Rettberg zu sehen waren. Dieser basiert auf einer dystopischen Landschaft, in der post-humane Figuren agieren. Doch es geht nicht um Sci-Fi. Die Figuren verhandeln naturwissenschaftliche und philosophische Gedanken – auf der Suche nach einer besseren Welt.

Solid Currents: Lennart Lahuis, Paul Valentin, Galerie Britta Rettberg, Gabelsbergerstraße 51, bis 19. Oktober

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