Massive Verspätungen und Schäden:Massenbesäufnis in der Münchner S-Bahn

Grölende und urinierende Fahrgäste mit Bierflaschen in der Hand, Verspätungen und ein gesperrter Bahnhof: In München haben mehrere tausend Menschen mit einem Massenbesäufnis den S-Bahn-Verkehr massiv beeinträchtigt und Züge beschädigt. Ein durchaus fragwürdiges "Abschiedstrinken" - und ein Argument für das Alkoholverbot, das künftig auch in den S-Bahnen gilt.

Mit einer wilden Alkohol-Party haben in der Nacht auf Sonntag mehrere tausend Menschen die Einführung des Alkoholverbotes in den Münchner S-Bahnen beantwortet. Sie verabredeten sich unter dem Stichwort "Abschiedstrinken" zu einer Art Adieu vom Alkoholtrinken in den S-Bahn-Zügen der bayerischen Landeshauptstadt. Doch lustig war das nur für die Partygäste selbst: Denn die Betrunkenen richteten dabei zahlreiche Schäden an und behinderten den Verkehr, masssiv.

Alkohol-Party in Münchner S-Bahnen

Feiernde in der Münchner S-Bahn: Unter dem Stichwort "Abschiedstrinken" haben sich mehrere tausend Menschen zu einem Massenbesäufnis verabredet.

(Foto: dpa)

Die S-Bahn-Station Karlsplatz (Stachus) musste zeitweise gesperrt werden. Hier trafen sich die zumeist jungen Leute zu ihrer Tour durch die Züge. Die Bahnen waren voll von grölenden Fahrgästen mit Bierflaschen in der Hand. An den Bahnsteigen standen Männer, die auf die Gleise urinierten. Vielerorts mussten die Beamten eingreifen. Größere Polizeieinsätze gab es am Ostbahnhof sowie an der Haltestelle Hackerbrücke.

Polizeiangaben zufolge beschädigten die Beteiligten 22 S-Bahnen und richteten mindestens sechs weitere Schäden an. Gegen 22.00 Uhr sei die Situation in vielen Zügen eskaliert, sagte ein Sprecher am Sonntag in München. So seien mit steigendem Alkoholspiegel vielfach Beleuchtungen und Deckenverkleidungen zerstört worden. Viele Züge müssten am Sonntag zunächst in die Werkstatt. Die Schäden an den 50 Zügen bewegten insgesamt im niedrigen sechsstelligen Bereich. Einmal sei eine Notbremse betätigt worden.

Die Folge der Vandalismusschäden: massive Verspätungen. Etliche Züge wurden gleich ganz gestrichen. Die Linien S1 aus Freising und S6 aus Tutzing endeten zeitweise am Münchner Hauptbahnhof.

Aber auch im Münchner Osten bekamen die Fahrgäste die Auswirkungen der S-Bahn-Party zu spüren. An der Haltestelle Berg am Laim ging zeitweise gar nichts mehr. Als nach etwa 45 Minuten eine S-Bahn kam, blieb diese erst einmal zehn Minuten lang stehen. "Schon wieder ein Polizeieinsatz", gab der Fahrer durch. "Die Weiterfahrt ist auf unbestimmte Zeit verschoben." Viele Fahrgäste versuchten, auf Busse und U-Bahnen auszuweichen.

Die Polizei will nun die Haupttäter und Rädelsführer ermitteln, darunter auch diejenigen, die über das Internet-Netzwerk Facebook zum "Abschiedstrinken" aufgerufen hatten. Die Videoaufzeichnungen der Bahn sollen bei der Ermittlung der Randalierer helfen.

Darüber hinaus sei es eine gesellschaftliche Aufgabe, darüber nachzudenken, wie man mit dem hohen Alkoholkonsum der jungen Menschen umgehe: "Es ist eine hohe Not, den Alkoholkonsum einzudämmen - insbesondere dann, wenn er gesellschaftsschädlich wird", sagte Polizei-Einsatzleiter Jürgen Vanselow. Weil rechtlich noch nicht geklärt ist, ob Verabredungen über soziale Netzwerke genehmigungspflichtige Veranstaltungen sind, habe man die Veranstaltung auch nicht vorher unterbinden können.

Anlass für das "Massensaufen" war das neue Alkoholverbot in den S-Bahnen, das zum 11. Dezember in Kraft getreten ist. Rund 3000 Menschen hatten sich schon Tage vorher über das soziale Netzwerk Facebook verabredet. Die Polizei schätzte nun, dass etwa 2000 Menschen wirklich kamen.

Alkoholverbot gilt ab Sonntag

Auf Facebook wird das Treiben nun kontrovers diskutiert. "Euer Verhalten hat mehr als deutlich gezeigt, dass dieses Verbot absolut vonnöten ist", schreibt ein User auf der Facebook-Seite "MVV-Abschiedstrinken". Ein anderer wünscht "viel Spaß bei der Gerichtsverhandlung".

"Es gab auch Leute die einfach nur 1 -2 Bierchen getrunken haben ohne sich aufzuführen", schreibt dagegen ein weiterer User. "Die meisten die sich da so aufgeführt haben, waren irgendwelche halbstarken pubertierenden Jugendlichen." Natürlich habe es Schäden gegeben, und dafür müssten die Verantwortlichen aufkommen. "Aber man solte nicht jeden, der am 10. Dezember S-Bahn gefahren ist, als Vollassi abstempeln", schreibt der User.

Die Aktion Münchner Fahrgäste ist froh, dass dass Abschiedstrinken "einigermaßen glimpflich ausgegangen ist". Sie weist jedoch darauf hin, dass die S-Bahn als "unverzichtbares Verkehrsmittel" als "Partyzone außerhalb von Sonderzügen doch eher wenig geeignet" ist.

Immerhin, die jungen Leute seien in der Regel "kommunikationsbereit und einsichtig" gewesen. Und: "Sehr viele haben sich auch eine MVV-Tageskarte gekauft, wenn sie nicht schon vorher Stammkunden des MVV waren".

Die Bahn gab an, das Alkoholverbot auf Anregung von Fahrgästen hin einzuführen. "Wir möchten so das subjektive Sicherheitsempfinden in unseren Fahrzeugen verbessern", hatte der Geschäftsleiter der S-Bahn München, Bernhard Weisser, laut Mitteilung gesagt. Selbstverständlich dürfe man weiterhin betrunken die S-Bahn benutzen. Lediglich das Trinken von Alkohol in der S-Bahn sei jetzt verboten.

Ein Bußgeld wie in Hamburg, wo seit September bei einem Verstoß 40 Euro fällig werden, ist jedoch nicht geplant. Bahn und Polizei wollen das Verbot "mit Augenmaß" umsetzen. Sollten die Sicherheitsleute einen Fahrgast mit geöffneter Flasche antreffen, werden sie ihn zunächst auf das Verbot hinweisen. Zeigt er sich uneinsichtig, wird er vielleicht sogar noch aggressiv, können ihn die Mitarbeiter aus dem Zug werfen.

In Münchner U-Bahnen und Bussen gilt ein solches Verbot bereits seit 2009.

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