Deutsche, sagt Irina Filichkina, "haben einen Schulterwinkel von 22 Grad". Also recht gerade Schultern. Bei Nordeuropäern seien die Schultern sogar noch gerader, bei Süditalienern eher bei 24 Grad. Filichkina setzt das Winkeldreieck an. Greift zum Bleistift, späht durch ihre überdimensionale, blassblaue Vintagebrille. Und überträgt auf dünnes weißes Papier, was vorher mit dem Maßband sorgfältig festgehalten worden ist: den Schulterwinkel eben. Und Schulterbreite, Achsellinie, Brustumfang, Taille, Gesäßweite, Handgelenksweite. Sollte jemand asymmetrische Schultern haben, eine tiefer hängend als die andere, oder die ganze Haltung etwas gebeugt sein, würde sich das hier auf ihrer Skizze auf den Millimeter genau abbilden. "Ich liebe es", sagt sie, "ich liebe weißes Papier, meine Bleistifte." So könnte ein Maler klingen, ehe er den ersten Farbstrich auf die jungfräuliche Leinwand aufträgt.
Handwerksbetriebe in München:Wo Hemden noch maßgeschneidert werden
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Schulterwinkel der Süditaliener? Warum ein Hemd auch mal 800 Euro kostet und die Kragenpartie immer wichtiger wird? Weiß alles Irina Filichkina, Schnittdirectrice bei der Münchner Maßhemden-Manufaktur Reiser .
Von Sonja Niesmann
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