Martyrium in Abstellkammer:Lebenslange Haftstrafen für Raubmord

Die Mitglieder der sogenannten Froschbande überfallen ein altes Ehepaar in dessen Haus, schlagen es zusammen, der Mann stirbt. Sechs Täter werden nun zur Höchststrafe verurteilt, zwei Helfer müssen für 13 Jahre ins Gefängnis

Von Andreas Salch, München/Seefeld

An die "weißen spitzen Schuhe" des Mannes kann sich Therese S. (Name geändert) noch genau erinnern. Am frühen Abend des 4. September 2015 hatte der Unbekannte an der Türe ihres Anwesens in Meiling im Landkreis Starnberg geklingelt. Er bat ihren Mann, ihm Wasser in einen Kanister zu füllen - eine Autopanne habe er, gab der Unbekannte vor. In Wirklichkeit wollte er nachsehen, ob in dem Haus ältere Menschen leben. Der Unbekannte gehörte zu einer achtköpfigen Bande, die ältere Menschen in ihren Häusern überfiel und ausraubte. In Meiling kam es aber zu einem Mord. Der 72-jährige Mann von Therese S. starb. Zuvor hatten die aus Rumänien stammenden Männer im Alter zwischen 24 und 55 Jahren in wechselnder Besetzung unter anderem in Österreich eine Vielzahl brutaler Raubüberfälle begangen.

Am Montag verurteilte die Schwurgerichtskammer am Landgericht München II nach einem zweimonatigen Verfahren im Hochsicherheits-Gerichtssaal der Justizvollzugsanstalt Stadelheim sechs der Täter für die Tat in Meiling unter anderem wegen Mordes aus Habgier zu jeweils lebenslanger Haft. Außerdem stellte die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Thomas Bott die besondere Schwere der Schuld fest. Dass sie nach 15 Jahren Haft auf Bewährung freigelassen werden, ist somit unmöglich. Die zwei Fahrer der Bande, die nicht am Tatort waren, müssen für je 13 Jahre in Haft.

Nachdem der Mann von Therese S. den Kanister an jenem Abend aufgefüllt hatte, war der Unbekannte gegangen. Um Mitternacht kehrte er mit fünf seiner Komplizen zurück zu dem Haus. Über die beiden Senioren brach ein Albtraum herein. Therese S. lag in ihrem Bett und war gerade eingeschlafen. Plötzlich bekam sie mehrere Faustschläge ins Gesicht. "Wo Geld?", fuhr sie ein Mann in der Dunkelheit an und warf sie auf den Boden. Er soll ihr fast 20 Tritte mit der Schuhspitze gegen Brust und Bauch versetzt haben. "So wie man gegen einen Fußball tritt", sagte die 70-Jährige bei ihrer Vernehmung aus. Trotz der Dunkelheit will sie die "weißen spitzen Schuhe" wiedererkannt haben. Es sollen die des Mannes gewesen sein, der seinen Kanister mit Wasser auffüllen ließ.

In der Nacht auf den 5. September hatte die Hündin des Paares angeschlagen. Therese S.s Mann war auf die Terrasse gegangen, um nachzusehen. In diesem Augenblick fielen vier der Täter, die sich hinter dem Haus versteckt hatten, ohne Vorwarnung über ihn her. Mit Holzlatten, einem hölzernen Schaufelstiel und einer Eisenstange schlugen sie den krebskranken Senior zusammen. "Die Kammer geht davon aus, dass alle sechs koordiniert agiert haben", sagte Richter Bott bei der Urteilsbegründung. Anschließend zerrten die Täter den 72-Jährigen und seine Frau in eine nicht einmal einen Quadratmeter große Kammer und verbarrikadierten sie mit einem Tisch. Nur einen Spalt ließen sie offen. Therese S. wurde nach zwei Tagen schwer verletzt befreit. Ihr Mann jedoch erlag seinen Verletzungen. Die Täter erbeuteten Bargeld und Schmuck im Wert von etwas mehr als 4000 Euro.

Einige der acht Angeklagten sind miteinander verwandt. Sie nennen sich der "Frosch-Clan", allgemein bekannt sind sie eher als die "Froschbande". Angeblich rührt der Name daher, dass der Großvater eines der Täter der Polizei einmal entwischte, indem er in ein Gewässer sprang. Staatsanwältin Karin Jung hatte gefordert, alle Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Zudem beantragte sie, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. "Sie haben eine ganze Region in Angst und Schrecken versetzt", warf sie der Bande vor.

Dem widersprachen nicht einmal die Verteidiger. Sie plädierten dafür, keine lebenslangen Haftstrafen zu verhängen: Es sei unklar, wer was getan habe. Alle Angeklagten "widersprechen sich oder erzählen eine andere Variante" vom Ablauf der Tat, sagte etwa Rechtsanwalt Peter Schneider, der den 49-jährigen Gheorghe C. vertrat. Wer die beiden Opfer mit welcher Intensität geschlagen habe, könne nicht festgestellt werden. Die Anwälte der Fahrer plädierten auf Haftstrafe von nicht mehr als acht Jahren.

Für von ihnen begangene Raubüberfälle hatte das Landesgericht Wiener Neustadt im Juli 2016 Haftstrafen zwischen neuneinhalb und 19 Jahren gegen den "Frosch-Clan" verhängt. Die Täter, so das Gericht, seien mit "massiver und unnötiger Gewalt" gegen ihre hilflosen und hochbetagten Opfer vorgegangen. Bei einem handelte sich um eine behinderte Frau. Ob einer der Angeklagten überhaupt noch einmal in Freiheit kommt, ist fraglich. Nach ihrer Entlassung aus der Haft in Österreich werden sie an die Bundesrepublik ausgeliefert und müssen ihre Strafen für die Tat in Meiling verbüßen.

Therese S. und ihre Söhne traten als Nebenkläger auf. Das Haus, in dem sie und ihr Mann den Lebensabend verbringen wollen, hat die Frau verlassen. Einer der Söhne sagte, die Täter hätten seiner Mutter die Heimat genommen. Noch heute passiere es, dass seine Mutter vor dem Anwesen stehe und ihn Tränen ausbreche.

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