Süddeutsche Zeitung

Kritik:Denkwürdig

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Martha Argerich, Mischa Maisky und Gidon Kremer ehren mit ihrem Konzert in der Isarphilharmonie den verstorbenen Konzertagenten Georg Hörtnagel.

Von Paul Schäufele

Diese drei haben es geschafft. Sie sind zu Ikonen geworden, werden für ihre künstlerischen Haltungen ebenso geliebt wie für ihre Marotten. Mischa Maisky, der in schimmernden Hemden die Fahne der Romantik hochhält; Gidon Kremer, das personifizierte musikalische Gewissen; Martha Argerich, die coolste Pianistin der Welt. Sie kommen zusammen, um an den 2020 verstorbenen Konzertagenten Georg Hörtnagel zu erinnern.

Als Trio in der Isarphilharmonie sind sie Hauptdarsteller in einem Stück, das von den Freuden des Musizierens unter Großmusikern handelt. Keine Frage, das sind sie: eminente Interpreten, Jahrhundertmusiker, die zu Recht verehrt werden. Aber ganz unproblematisch ist diese Dreierkonstellation nicht. Zwar arbeiten Mischa Maisky und Martha Argerich in Beethovens zweiter Cello-Sonate gemeinsam an einer Dramaturgie, stürmend und drängend in Cello-Kantilenen und gläsern perlenden Klavier-Triolen, sich im rechten Moment zurücknehmend und mit geistreichem Witz im Rondo. Die Gelöstheit, mit der diese beiden die Partitur mit Leben füllen, ist Gidon Kremer allerdings abhandengekommen. In seinen besten Momenten, zumal in der fünften Violinsonate Mieczysław Weinbergs, erreicht er einen schmerzlich fragilen Ton, der sich einpasst in die fahle Klangwelt des Schostakowitsch-Freundes. Da ist viel zu spüren von der Ausdrucksgewalt, die Kremer immer ausgezeichnet hat.

Doch oft, etwa in den solo vorgetragenen Stücken (eine schlichte Serenade von Valentin Silvestrov und das den Opfern des Ukraine-Konflikts 2014 gewidmete "Requiem" von Igor Loboda), verliert Kremer die Kontrolle. Dann werden Töne nicht geformt, sondern fallen als rohes Material zu Boden. Schostakowitschs zweitem Klavier-Trio schadet das nicht allzu viel. Die folkloristisch inspirierten Melodien gewinnen durch den schneidenden Fiedel-Ton, und den Rest machen Argerich und Maisky durch Klangkultur wett, sodass nach der seelentröstenden Zugabe von Schuberts "Du bist die Ruh" Ovationen im Stehen entgegengebracht werden: Applaus für denkwürdige Konzert-Momente, aber auch für eine große Vergangenheit.

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