Marode Sportstätten:Staubige Angelegenheit

Marode Sportstätten: Das Spielfeld der Bezirkssportanlage Lerchenau ist vorübergehend gesperrt.

Das Spielfeld der Bezirkssportanlage Lerchenau ist vorübergehend gesperrt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Rasen? Trocken wie eine Fußmatte. Die Tornetze? Mit Kabelbindern geflickt. Die Duschen? Verschimmelt: Münchens Bezirkssportanlagen sind zum Teil so marode, dass Plätze gesperrt werden müssen. Die Stadt hat zwar den Etat erhöht - aber die Vereine sind skeptisch.

Von Martin Schneider

Christian Douda kniet sich hin und erklärt Thomas Müller, was er gleich tun soll. Neymar kommt dazu, Messi läuft dagegen lieber wieder zu seiner Mama. "Wir bewegen uns in diesem Feld", sagt Douda zu seiner neuen G-Jugend, und die Sechsjährigen rennen in den Trikots ihrer Vorbilder los. Dann übergibt Douda das Training an einen Kollegen und geht vom Feld. "Ich zeige Ihnen jetzt mal, was das hier für Zustände sind", sagt er. Seine Stimmlage hat gewechselt. Er ist sauer.

Es ist Donnerstagnachmittag, Trainingstag beim SV München Nord auf der Bezirkssportanlage Lerchenau. Der SV Nord ist mit 32 Mannschaften einer der größten Fußballvereine Münchens. Christian Douda ist Vorsitzender des Vereins und trainiert neben der G-Jugend die C2, die C3 und die B-Mädchen. In manchen Wochen steht er zehn Stunden auf der Anlage, plus drei Spiele am Wochenende. Douda kniet sich hin und fährt mit der flachen Hand über den Kunstrasen. "Das ist im Prinzip nur noch eine Fußmatte", sagt er. Die Stadt kümmere sich überhaupt nicht darum.

Bezirkssportanlagen sind Sportgelände, die im Besitz der Stadt München sind und die an Vereine vermietet werden. 20 Stück gibt es, verteilt über das ganze Stadtgebiet. Als Vermieter ist die Stadt München für den Zustand der Anlagen verantwortlich. Wenn Vereine etwas wollen, müssen sie es bei der Stadt beantragen.

Aus dem Abfluss stinkt es "nach 3000 toten Ratten"

Douda nimmt ein Tornetz in die Hand. Es ist mit Kabelbindern geflickt. "Es dauert ewig, bis da von der Stadt ein neues kommt", sagt er. Aber das sei nicht alles. Auf dem Ascheplatz liegen große schwarze Steine. Jugendliche, die zu Sozialstunden verurteilt wurden, sollten den Platz eigentlich pflegen. Stattdessen macht einer ein Nickerchen im Schubkarren. Neben dem Ascheplatz liegen in einem Holzschuppen von ungefähr zwei auf fünf Metern ein paar Fußbälle. "Theoretisch sollen wir hier Material für 32 Mannschaften lagern. Völlig unmöglich", sagt Douda. Neben dem Gelände ist eine Bogenschießanlage. Vor einiger Zeit flog ein Pfeil über die Absperrung und traf ein Kind in den Unterschenkel.

Dann geht Douda in die Kabine. Im Flur bröckelt der Putz von den Wänden. "Aber das ist nicht das größte Problem", sagt der ehemalige Abwehrspieler und öffnet die Tür zur Dusche. Die Decke und die Fugen der Fließen sind schwarz. Vollgeschimmelt. "Hier duschen Kinder drin", sagt Douda. Nur die Tür ist sauber. "Da haben wir eine neue gekriegt, weil die alte durchgefault ist." Aus dem Abfluss stinke es teilweise nach "3000 toten Ratten".

Ein paar Hundert Meter weiter nördlich liegt die Bezirkssportanlage Am Hart. Robert Schaller sitzt in seinem Büro und erledigt Papierkram. Er ist beim SV Am Hart für die Finanzen verantwortlich. Er steht auf und öffnet die Türen zu Kabinen und Duschen. "Dieser Bereich hier ist neu. Da ist noch alles in Ordnung", sagt Schaller. Neben den neuen Kabinen steht aber noch der alte Trakt.

Dort ist unter den Türen zu den Kabinen gut 20 Zentimeter Luft. Dünne Menschen können durchkriechen. Aus der Schiedsrichterumkleide sei so schon einiges geklaut worden. Die Duschen sehen aus wie in der Lerchenau. Voller Schimmel, nur noch schwärzer, falls das überhaupt möglich ist. Schon mit Schuhen und Kleidern kostet es Überwindung, die Duschen zu betreten. Ein großer Metallbehälter mit Desinfektionsmittel hängt an der Wand. "Vor Fußpilz schützen. Knopf drücken", steht in schwarzen Buchstaben auf rotem Grund darauf. Trotz des neuen Traktes müssen Vereine die alten Räume mitbenutzen "Die Anlage ist total überfüllt", sagt Schaller. Im Sommer soll saniert werden, haben sie von der Stadt gehört.

"Uns ist bewusst, dass einzelne Kabinen in einem schlechten Zustand sind", sagt Thomas Urban, Sportreferent der Stadt München. Es gebe jetzt mehr Geld, der Etat sei von fünf auf sechs Millionen Euro aufgestockt worden. Man wolle die Sanierung von Duschen und Kabinen angehen. In den 90er-Jahren seien Fehler gemacht und Arbeiten versäumt worden. Darunter leide man noch heute.

Schimmel und eine durchgefaulte Tür

Auf der Bezirkssportanlage Obersendling steht am Freitagnachmittag der Vorstand vom FC Hertha München vor der Vereinswirtschaft. Werner Starke, der Präsident des Vereins, ist ein stämmiger Mann mit weißem Schnauzbart. Er lächelt müde, wenn die Stadt etwas ankündigt. So was haben sie hier schon sehr oft gehört. "Wir haben hier zu wenig Platz", sagt Starke. Teilweise müssten sich fünf bis sechs Mannschaften eine Kabine teilen. Und Schimmel, klar, den habe man auch. Die Tür, die in der Lerchenau schon durchgefault ist, ist in Obersendling gerade dabei, das zu tun. Gegenüber der Dusche sind Schließfächer, auf denen "Einwurf: Eine D-Mark" steht. Neben Starke steht in grüner Latzhose Franz Lehmann. Er ist Platzwart und damit so etwas wie der Statthalter der Stadt.

Jede Bezirkssportanlage wird von einem Platzwart betreut. Der wohnt meistens auch direkt an der Anlage und dient als Vermittler zwischen Stadt und Vereinen. Wenn Hertha ein neues Trainingstor haben will, beantragt der Platzwart es bei der Stadt. Das Tor wird dann zum Verwaltungsakt. Und der kann dauern. "Wir haben mal drei Jahre auf ein Trainingstor gewartet", sagt Starke. Vor Kurzem fiel das warme Wasser aus. Bis die Organisationskette Platzwart - Stadtverwaltung - Firma durchlaufen war, vergingen drei Wochen. Es waren Osterferien.

Der SV Neuperlach betreibt den Sportplatz künftig selbst

Einen Sonderweg, um aus dem ständigen Kampf mit Stadt herauszukommen, hat der SV Neuperlach eingeschlagen. Der Verein übernimmt die Bezirkssportanlage an der Bert-Brecht-Allee einfach selbst. Zuvor hat die Stadt zugesichert, die Anlage zu sanieren. Der SVN baut anschließend in Eigenregie eine Dreifachturnhalle darauf. Allerdings ist so eine Übernahme schwierig und teuer. In der Vergangenheit haben sich viele Vereine daran verhoben. "Das geht nur, wenn sie als Verein seriös wirtschaften und neue Einnahmequellen erschließen", sagt Norbert Kreitl, Vorsitzender des SVN. Der Verein betreibt beispielsweise ein eigenes Fitnessstudio und will in Zukunft an einer eigenen Kletterhalle verdienen. Kreitl sagt, das Konzept des SV Neuperlach sei auf andere Vereine übertragbar. Er hält deutschlandweit Vorträge darüber.

Beim FC Hertha sind sie allerdings weit davon entfernt, eine Anlage übernehmen zu können. Sie wären schon mit viel weniger zufrieden. Hartmut Stöger, Abteilungsleiter Fußball, holt seine Digitalkamera. Darauf sind Bilder von einem Jugendspiel auf dem Ascheplatz. Über den Platz fegen Staubwolken wie bei einem Sandsturm. Seit mindestens 13 Jahren sei an diesem Platz nichts mehr gemacht worden, sagt Stöger. Dabei brauche man ihn dringend. Auf allen Bezirkssportanlagen werden von November bis Ende März die Naturrasenplätze gesperrt. Zum Trainieren bleiben nur Hart- und Kunstrasenplätze. "Da kriegen wir nicht mehr alle Mannschaften unter. Viele Trainingseinheiten fallen aus", sagt Stöger.

Sportreferent Thomas Urban kennt das Problem. Die verbliebenen 18 Ascheplätze sollen verschwinden und ersetzt werden. Vom nächsten Jahr an soll es jährlich drei neue Kunstrasenplätze geben.

Christian Douda wäre schon mit weit weniger als einem neuen Kunstrasen glücklich. Er wäre schon froh, wenn sich die Stadt um die bestehenden mal kümmern würde. Der Kunstrasen in der Lerchenau sei in sieben Jahren genau einmal gereinigt worden.

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