Kolumne "Das ist schön":Was der Minister vom Bildhauer lernt

Kolumne "Das ist schön": Minister Markus Blume in der Pinakothek der Moderne vor einer Arbeit des Bildhauers Tony Cragg, beim Empfang zu Ehren des Künstlers.

Minister Markus Blume in der Pinakothek der Moderne vor einer Arbeit des Bildhauers Tony Cragg, beim Empfang zu Ehren des Künstlers.

(Foto: Susanne Hermanski)

Bayerns Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume erkennt in den Arbeiten von Tony Cragg einen Teil seines Alltags wieder.

Von Susanne Hermanski

Tony Cragg darf sich Sir nennen, die Queen hat ihn 2002 zum Ritter geschlagen. Als Bildhauer hat er unzählige Preise erhalten, und die Preise, die seine Arbeiten bei Sammlern erzielen, sind ebenso imposant. Also ist es vollkommen nachvollziehbar, dass Bayerns Kunst- und Wissenschaftsminister beim eleganten Dinner der Freunde der Pinakothek der Moderne zu Ehren des Künstlers in die Knie geht.

Er will alles auf sein Handy-Foto bekommen, was Craggs frühe aus Müll kompilierte Arbeit, eine Art Floß aus in Regenbogenfarben geordneten Plastikgegenständen, ausmacht. In seiner Anfangszeit hat Cragg viele solcher Skulpturen und Stapelobjekte geschaffen.

Dass Markus Blume von dieser Ausstellung mehr mitgenommen hat, als ein schönes Bild für seinen Social Media Account, erweist sich später. Doch zunächst ein paar Worte über den großartig freundlichen, vor Esprit sprühenden Tony Cragg selbst. Cragg, der als Brite seit 1977 in Wuppertal lebt und seit dem Brexit zudem die deutsche Staatsbürgerschaft hat, hält eine Rede auf Deutsch. Und ganz anders als viele andere Künstler keineswegs wortkarg.

Cragg nimmt seine Verehrerinnen und Verehrer mit auf eine kunstphilosopische Lecture fürs Leben. "Unsere Geschichte der Menschheit ist die Geschichte von Formverarmung", sagt er, der jahrzehntelang an der Kunstakademie Düsseldorf lehrte und zeitweise auch deren Rektor war. "Gehen Sie eine halbe Stunde durch eine selbst so schöne und große Stadt wie München: Sie sehen nur Kreise und rechte Winkel und Grau über Grau. Gehen Sie eine halbe Stunde durch einen Wald, und Sie sehen die ganze Pracht."

Dennoch sei die Welt in ihrer Gänze Kunst. "Und selbst wer einem beim Frühstück gegenüber sitzt, ist eine ästhetische Entscheidung", sagt Cragg mit einem Lächeln, und alles an den Banketttischen starrt einen Moment lang sein Gegenüber an. Kunst sei es, "durch die Augen eines anderen Menschen die Welt sehen".

Dass jedenfalls er dazu in der Lage ist, beweist prompt Markus Blume. Die vielen Akten, die sich in seinem Amt vor allem zu den vielen sanierungsbedürftigen Kulturbauten Bayerns auftürmten, könne er jetzt ganz anders betrachten, sagt er. Die seien gar nicht nur eine Last. Sie seien Stapelkunstwerke, ganz im Sinne Craggs. Dass Blume diesen Vergleich zieht, ist durchaus eine herrliche Form der Selbstironie. Und dass in Bayerns Behörden sich immer noch nicht das papierfreie Büro durchgesetzt hat, ist somit wunderbar und schön.

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