Nachruf auf Europas bekannteste Promi-FotografinMarianne Sayn-Wittgenstein – die Mutter aller Paparazzi ist tot

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Marianne Sayn-Wittgenstein im Jahr 2011.
Marianne Sayn-Wittgenstein im Jahr 2011. (Foto: Ursula Düren/dpa)

Ob Sean Connery am Strand, Maria Callas mit Pudel auf der Schulter oder einen bierseligen Prinz Charles: Marianne Sayn-Wittgenstein hat über Jahrzehnte den europäischen Jetset abgelichtet, weil sie wusste, wie man die Promis für sich gewinnt. Nun ist sie im Alter von 105 Jahren gestorben.

Von Philipp Crone

Am beeindruckendsten waren nicht ihre Fotos. Es waren auch nicht ihre Erlebnisse. Und mit beidem könnte man sehr viele Abende verbringen. Marianne Sayn-Wittgenstein, die am Sonntag im Alter von 105 Jahren in München gestorben ist, hatte zuletzt vor sechs Jahren eine Ausstellung in München, auf der eine Auswahl ihrer wohl berühmtesten Bilder zu sehen waren. Auf jeden Fall waren die berühmtesten ihrer Motive darauf zu sehen, und zwar wie immer bei dieser Fotografin: in ganz normalen bis privaten Momenten. Ganz ohne Inszenierung. Margaret Thatcher mit Prinz Aga Khan bei einem Gespräch im Garten, Sean Connery in Bodybuilder-Pose am Strand oder Fiat-Erbe Gianni Agnelli mit einer überdimensionalen Sonnenbrille.

Die Fotografin konnte solche Bilder machen, weil sie nie offiziell als Fotografin zugegen war, sondern immer als gern gesehener Gast – und später auch als Gastgeberin. Sie machte dabei nicht nur gute Fotos, sondern auch gute Stimmung. Und wer will keine fröhliche Person um sich haben, die noch dazu auch noch ganz unaufdringlich schöne Bilder schießt?

Marianne Sayn-Wittgenstein aus Salzburg galt viele Jahre als bekannteste Gesellschaftsfotografin des Kontinents. Sie wurde dazu, weil sie seit den Sechzigerjahren auf die Feste als Gast eingeladen war, bei denen die normalen Paparazzi am Eingang auf der Lauer lagen und höchstens ein paar verwackelte Aufnahmen aus der Ferne machen konnten. Wie sie zu diesem Nebenjob als Gesellschaftsfotografin kam, hat sie bei ihrer letzten Ausstellung in München 2019 noch einmal erzählt.

Marianne Sayn-Wittgenstein mit 99 Jahren bei einer Vernissage im Jahr 2019.
Marianne Sayn-Wittgenstein mit 99 Jahren bei einer Vernissage im Jahr 2019. (Foto: Ursula Düren/dpa)

Letztlich waren es alte Adelsverbindungen, die ihr Mann und sie quasi qua Geburt hatten, von denen eine nach dem Krieg zu den österreichischen Botschaftern in Bonn führte und einmal auch zu einer Einladung, für die sich Sayn-Wittgenstein aus Vorhängen ein Kleid genäht hatte.

Bei der ersten Einladung in Bonn hatte die Frau, die aus einer Nebenlinie des Hauses Habsburg stammt und 1942 Ludwig Prinz zu Sayn-Wittgenstein heiratete, ihre Kamera dabei. Das Fotografieren war eine Leidenschaft schon aus ihrer Kindheit, bereits mit zehn Jahren schoss die junge Fürstin ihr erstes Bild. Und nachdem sie die erste Hürde eines Paparazzo respektive einer Paparazza genommen hatte, nämlich die dabei zu sein, traf sie eine wohl wegweisende Entscheidung: Zum Dank dafür, dass sie auf dem Fest in Bonn fotografieren durfte, schickte Sayn-Wittgenstein den Gästen Abzüge zu. Zum einen war das eben ein Dank, zum anderen war es eine Art Visitenkarte, auf der ohne einen einzigen Buchstaben geschrieben stand: Ich kann das.

Sayn-Wittgenstein bei einer Ausstellungs-Eröffnung der Galerie von Hubertus Reygers im Jahr 2015
Sayn-Wittgenstein bei einer Ausstellungs-Eröffnung der Galerie von Hubertus Reygers im Jahr 2015 (Foto: Robert Haas)
Und selbst bei der Arbeit.
Und selbst bei der Arbeit. (Foto: Robert Haas)

Die Fotos der Feier gefielen, und die Frau selbst gefiel ebenfalls. Wer einmal mit dieser Frau in Kontakt trat, der war meist von ihrer Lebendigkeit und Lust auf Begegnung beeindruckt. Das war es auch bis ins höchste Alter, was letztlich am beeindruckendsten war an dieser Dame: ihre ansteckende Freude am Leben. Sie hat das immer mal wieder so formuliert. „Ich freue mich auf jeden Tag und frage, wenn ich morgens aufwache: Lieber Gott, was darf ich heute Neues und Tolles erleben?“

Sehr bald nach dem Auftritt in Bonn war sie ein sehr gern und oft gesehener Gast und durfte überall auch Bilder machen. Ob von James Levine oder Audrey Hepburn, ob bei Auto-Rennen oder auf griechischen Inseln, wo sie 1966 zum Beispiel Maria Callas 1966 mit Pudel auf der Schulter fotografierte. Einen bierseligen Prinz Charles hat sie ebenso in ihrem Archiv mit mehr als 300 000 Bildern wie auch einen posenden Salvador Dalí. Und dabei ist in ihren Bildern immer auch Wärme und Sympathie für die Fotografierten zu spüren. Das muss man erst einmal schaffen, ganz abgesehen von den technischen Voraussetzungen, die es in Zeiten vor automatisch belichtenden Handykameras gab, und die Sayn-Wittgenstein bei ihren oft spontan und in Sekunden entstehenden Bildern jederzeit einrechnen musste.

Als sich herumgesprochen hatte, dass die Frau aus Fuschl fotografieren kann, bekam Sayn-Wittgenstein einen Spitznamen, der ihr bis zuletzt erhalten blieb. Caroline von Monaco gilt als Erfinderin des Namens „Mamarazza“ in Anlehnung an die männlichen Paparazzi, die draußen bleiben mussten, während die fünffache Mutter und Ururururenkelin der österreichischen Kaiserin Maria Theresia immer fotografiert hat. Auch auf ihren eigenen Festen in Fuschl, zu denen sie später jedes Jahr während der Salzburger Festspiele lud.

Naturgemäß wurden die Feste mit der Zeit weniger, doch bis vor wenigen Jahren organisierte Sayn-Wittgenstein Ausstellungen in München, wo sie eine Wohnung hatte und die meiste Zeit des Jahres lebte. Dort fiel auch mehr als einmal der Satz mit dem Aufwachen. Fotografiert hat sie noch, als sie schon weit über 90 Jahre alt war, feierte in München im Dezember auch noch ihren 105. Geburtstag, und ist nun am Sonntag gestorben, dem letzten Tag, auf den sie sich vielleicht auch noch einmal gefreut hat.

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