Maria Passagne:Heimliche zweite Heimat

Seit zwanzig Jahren behauptet sich der Club privé Maria Passagne in Haidhausen. Inhaber Gerhart Rehm setzt auf Kontinuität und Tradition. Wohnzimmerfeeling im 50er-Jahre-Stil, fernab vom Kitsch.

Barbara Hordych

Wenn man nicht genau wüsste, dass sie da sein müsste, würde man glatt an ihr vorbeilaufen - der dunklen Holztür mit dem Klingelknopf, die Einlass gewährt in die Bar Maria Passagne. Seit zwanzig Jahren behauptet sich der Club privé nahezu unverändert im Zentrum des wuseligen Stadtteils Haidhausen, in der Steinstraße, inmitten von teuer aufgehübschten Altbauten, die in den vergangenen Jahren so repräsentativ saniert wurden.

Maria Passagne: Heimelige Atmosphäre in dunklem Rot: Das Maria Passagne grenzt sich seit 20 Jahren vom Gängigen ab.

Heimelige Atmosphäre in dunklem Rot: Das Maria Passagne grenzt sich seit 20 Jahren vom Gängigen ab.

(Foto: Robert Haas)

Die äußere Unscheinbarkeit der winzigen Bar mit ihren gerade mal vierzig Plätzen gehörte allerdings von Anfang an zum Konzept: Inhaber Gerhart Rehm, ein jungenhaft wirkender Mann von 48 Jahren, wollte sich mit seiner in dunklen Rottönen gehaltenen "Ein-Raum-Bar" schon immer vom Gängigen abgrenzen. Und dazu gehört ein Publikum, das sich vor allem durch Mundpropaganda zusammenfindet, "eben ein wenig initiativ werden muss, um hierher zu finden und meine Bar gezielt ansteuert".

50er-Jahre-Flair jenseits von Afrika

Das Konzept ging auf: Das liebevoll im Fünfzigerjahre-Dekor gehaltene Passagne mit seinen Tütenlampen und afrikanisch anmutenden Keramik-Köpfen aus deutschen und österreichischen Manufakturen an den Wänden fand und findet ein altersmäßig gut gemischtes Publikum, das sich nur zu gerne an den kleinen Tischen niederlässt, um in einer Umgebung, die den Charme eines nostalgischen Wohnzimmers ausstrahlt, so etwas angenehm Altmodisches wie eine Unterhaltung zu führen. Dazu passt die Musik, ein von Rehm zusammengestellter Mix aus Jazz und Soul: Er stimuliert das Gespräch, anstatt es zu verhindern.

Der ideale Ort also für ein erstes Date, das auch schon mal ein "Blind Date" sein kann: Schon die Größe des Raums erleichtert das Suchen und Finden, wenn auch nicht gleich der Liebe, so doch zumindest des potenziellen Partners. Mit dem man anschließend auch gerne wieder hierher zurückkehrt, wie die auffällig vielen Paarbesetzungen an den Tischen beweisen.

Blind-Dates, Pärchen und Ladies-Runden

Aber auch Freundinnenrunden wie jene Mittdreißigerinnen, die sich regelmäßig zu ihrem Jour fix zusammenfinden, fühlen sich hier zu Hause. An diesem Abend haben sie sich zu sechst auf den roten Lederpolstern um einen Vierertisch zusammengedrängt. Sie folgen gebannt der Erzählung einer schmalgesichtigen Blondine mit dunkel umschatteten Augen, die anscheinend etwas Dramatisches zu berichten hat. Inne hält sie nur, als die Bedienung leise mit dem Essen - lauter asiatische Gerichte von Suppe bis Sushi - an den Tisch herantritt. Als bei einer anderen in der Runde das Handy klingelt, wirft diese nur einen ungeduldigen Blick auf das Display - und versenkt den Störer kurzerhand in ihrer Handtasche. Offensichtlich werden hier wichtigere Dinge verhandelt...

Derweil steht Rehm wie nahezu jeden Abend mit dem Barkeeper hinter der Theke. Von diesem Platz aus hat der in der Schwabinger Türkenstraße aufgewachsene Inhaber, der in Frankreich noch während des Studiums über einen Job bei Freunden eher zufällig sein Händchen für die Gastronomie entdeckte, immer ein Auge auf die Leuchtanzeige. Die blinkt dezent, wenn draußen wieder jemand klingelt. Unter der Woche sind das in der Regel Haidhauser, am Wochenende kommen Gäste aus der ganzen Stadt, die dann auch mal mit Stehplätzen in der dritten Reihe vorlieb nehmen müssen.

Wer drinnen ist, liebt es intim

Unliebsame Gäste erkennt Rehm auf Anhieb - solche, die zu betrunken sind oder in zu großen, lärmenden Scharen auftreten. "Das geht halt hier nicht, das würde den ganzen Raum sprengen", sagt er leise, aber entschieden, während er mit einer großzügigen Geste sein kleines Reich umfasst. Wer drinnen ist, liebt es eben intim. Und überlegt sich mitunter genau, an wen er die Adresse weitergibt.

Generationenübergreifender Ort für einen Plausch

Lauter geht es inzwischen aber am Tisch von besagter Sechserrunde zu: Ob nun das Beisammensein mit den Freundinnen, die Cocktails oder die heimelige Atmosphäre des Quasi-Wohnzimmers ihre Wirkung getan haben. In das Gelächter, das von hier aus in den Raum aufsteigt, kann sogar die am Anfang des Abends so ernste Blondine mit einem leisen Kichern einstimmen.

Auch wenn hier mittlerweile gelegentlich sogar die Kinder der ersten Stammgäste anzutreffen sind und alles auf eine ungebrochene Tradition im Maria Passagne hinweist - Rehm hat am Verhalten seiner Gäste seit der Finanzkrise und der Einführung des Rauchverbots so manche Veränderung ausgemacht: Unter der Woche kommen die Leute früher, essen mehr, trinken weniger - und gehen früher. Spätestens um Mitternacht, auch wenn bis eins geöffnet ist.

Trinken in Maßen

"Niemand trinkt mehr unter der Woche fünf Cocktails und taucht am nächsten Morgen noch halb betrunken im Büro auf - dafür sind alle viel zu besorgt um ihren Arbeitsplatz", sagt Rehm. Und lässt noch Reste des Sozialpädagogik-Studenten erahnen, der er einmal war. So sehr wie er den Kontakt zu seinen Gästen schätzt, so froh ist er jedoch, nicht in dem Stadtteil zu leben, in dem er arbeitet. Mit seiner Frau und den beiden Kindern wohnt er in Schwabing. "Ich muss nicht gleich morgens beim Bäcker den letzten Gast vom Abend vorher wiedertreffen", sagt Rehm schmunzelnd.

Kann er sich an einem so traditionsreichen Ort überhaupt Veränderungen vorstellen? Wenn er von der Stadt die Erlaubnis bekäme, ein paar Stühle und Tische vor die Bar zu stellen, würde er auch ein Tagesgeschäft ins Auge fassen, sagt Rehm. Und dafür in Kauf nehmen, auch von außen sichtbarer zu sein.

Maria Passagne: Steinstraße 42, Tel. 486167, Montag - Samstag 19 bis 1 Uhr.

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