Ausstellung:Findige Vermittlerin

Lesezeit: 3 Min.

Ein Geburtstagsstrauß für die Verlegerin Maria Friedrich, gezeichnet von der kürzlich verstorbenen Illustratorin Binette Schroeder. (Foto: Binette Schroeder/IJB)

Ausstellung zum 100. Geburtstag von Maria Friedrich, der Gründerin und Verlegerin von dtv junior. Künstler und Künstlerinnen wie Daniela Kulot und Reinhard Michl erinnern sich.

Von Barbara Hordych

Es ist vielleicht die schönste Anekdote, die bei der Eröffnung der Ausstellung "Herzliche Glückwünsche, liebe Maria Friedrich" zum 100. Geburtstag der Gründerin und Verlegerin von dtv junior in der Internationalen Jugendbibliothek zu hören ist: Die Augsburger Kinderbuchautorin und Illustratorin Daniela Kulot, damals Teilnehmerin eines Seminars von Maria Friedrich, erinnert sich an eine Fahrt zur internationalen Kinderbuchmesse in Bologna. "Durch ein Missverständnis fiel meine Buchung für die erste Nacht aus, und es war partout kein Zimmer mehr zu bekommen", erzählt Kulot. Da habe Maria Friedrich ihr die zweite Hälfte ihres Doppelbetts angeboten. "Wir waren damals noch beim Sie", sagt Kulot und lacht gemeinsam mit dem Publikum. Nachdem sie ausgiebig gefeiert habe, sei sie dann spät nachts oder besser früh morgens ins Hotelzimmer geschlichen - da habe sich Maria senkrecht im Bett aufgesetzt: "Mädchen, wo waren Sie so lange? Ich habe mir solche Sorgen um Sie gemacht", rief sie ihr entgegen.

Unermüdlicher Einsatz für die Verbindung von Buch und Bild: die Verlegerin Maria Friedrich im Jahr 2009. (Foto: IJB)

Eine großartige Frau war die Germanistin, Schauspielerin und leidenschaftliche Bücherfrau Maria Friedrich, darin stimmen alle in ihren Erinnerungen in Texten und Bildern überein. Dabei wurde sie zur Verlegerin eher zufällig, als sie 1970 von ihrem Mann, dem dtv-Gründer Heinz Friedrich, gebeten wurde, die Kinder- und Jugendbuchabteilung im dtv Verlag aufzubauen. Auch als sie sich 1990 als aktive Verlegerin zurückzog, vermittelte sie weiterhin als Honorarprofessorin an der Akademie der Bildenden Künste in München in ihrem Seminar "Bild & Buch" zwischen Verlegern und Büchermachern einerseits und angehenden Illustratorinnen und Grafikern andererseits. Praxisnah war ihr Konzept, deshalb lud sie auch ihre Tochter Ulrike häufiger ein, damit diese von der buchhändlerischen Seite berichtete. "Ich baute damals bei Lehmkuhl eine Kinderbuchabteilung auf, und das war natürlich ideal: Meiner Mutter konnte ich sozusagen von der Front berichten, welche Titel gut liefen, welche Cover, die damals noch Umschlag hießen, bei den Lesern und Leserinnen ankamen und welche nicht so. Die Gründe besprachen wir dann gemeinsam in ihren Seminaren", sagt Ulrike Schultheis.

Seine Eule ging um die ganze Welt: Der Schweizer Grafiker Celestino Piatti gestaltete ikonische Buchumschläge für dtv. Trotzdem engagierte Maria Friedrich für das Juniorprogramm andere Illustratoren und Illustratorinnen. (Foto: Celestino Piatti)

Ja, die Cover. Zunächst einmal überbrachte Maria Friedrich dem etablierten dtv-Grafiker Celestino Piatti die heikle Nachricht, dass er nicht für das junge Programm arbeiten sollte, erzählt die heutige Programmleiterin von dtv junior, Susanne Stark. Stattdessen kamen wechselnde, zumeist junge Illustratoren zum Zuge. Beispielsweise Reinhard Michl, der 1982 auch Irina Korschunows Geschichte vom "Findefuchs" illustrierte. Der liegt verlassen und ängstlich im Gebüsch, wo ihn eine fremde Füchsin entdeckt. Was soll sie nur tun? Sie hat doch schon drei Kinder, die sie ernähren muss. Aber allein kann der kleine Waisenfuchs auch nicht bleiben - also nimmt sie ihn trotz drohender Gefahr durch Hund und Dachs mit in ihren Bau, wo sie allen erklärt: "Das ist der Findefuchs. Er gehört jetzt zu uns". "Das war eine sehr sensible Angelegenheit", erinnert sich Michl in seiner Rede. Denn auf keinen Fall sollten die Wildtiere verniedlicht gezeigt werden, "wie das so oft in Bilderbüchern der Fall ist, das hätte mich aber auch nicht interessiert". Seine sehr unsentimentalen Illustrationen trugen sicher zu dem Erfolg des Kinderbuchklassikers bei, dessen erste Auflage nach zwei Wochen verkauft war.

Erstleseklassiker in Millionenauflage: Irina Korschunows Geschichte "Der Findefuchs", illustriert von Reinhard Michl. (Foto: Reinhard Michl/dtv)

"Die erste Million vom Findefuchs will ich noch erleben", hatte Maria Friedrich zu Michl gesagt. Da war sie schon krank. "Aber sie hat 2007 noch erfahren, dass sich das Buch zum einmillionsten Mal verkauft hat", so Michl. Gestorben ist Maria Friedrich dann 2012. Zahlreiche Bilder, die ihr befreundete Illustratorinnen und Illustratoren wie Michl, Kulot oder die kürzlich verstorbene Binette Schroeder, oft mit Widmungen versehen, schenkten, zeugen von der engen Verbundenheit zwischen der Verlegerin und den Künstlern und Künstlerinnen. Diese persönlich geprägte Sammlung, die ihre Tochter Ulrike und ihr Schwiegersohn Ole Schultheis jetzt der IJB schenkten, ist zugleich ein Querschnitt der deutschsprachigen Kinderbuchillustration von den 1970er Jahren bis in die frühen 2000er. Abschreiten lässt er sich nun in der Wehrgang-Galerie.

Herzliche Glückwünsche, liebe Maria Friedrich. Zum 100. Geburtstag der Gründerin und Verlegerin von dtv junior, bis 3. Okt., Internationale Jugendbibliothek, Schloss Blutenburg

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: