Marathon in München:Jetzt oder nie

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Der erste Marathon ist ein großes Abenteuer für jeden Läufer, denn 42,195 Kilometer sind eine Distanz, auf die man sich monatelang vorbereiten muss. Auch in München starten am Sonntag wieder etliche Neulinge - und eines eint sie alle: Sie haben Respekt vor der Herausforderung, die sie sich selbst vorgenommen haben

Von Anna Dreher

Ein bisschen nervös ist sie schon. Von Bekannten hat Sabine Most viele Dinge gehört darüber, was passieren kann, wenn man sich auf die Marathon-Distanz einlässt. Stimmen im Kopf zum Beispiel, die einen fragen, was man sich da eigentlich gerade für eine Quälerei antut. Ab Kilometer 30 sollen sie zu hören sein, aber Most hast sich schon überlegt, was sie ihnen entgegnen wird: "Da werde ich mir Mut machen: Mensch, jetzt hast du schon 30 geschafft und es sind nur noch zwölf", sagt die 41-Jährige.

Der erste Marathon ist ein Abenteuer. Jedes Jahr wieder gehen nicht wenige Läufer dieses Wagnis ein. Wie viele der rund 20 000 Teilnehmer am Sonntag um 10 Uhr, wenn der Startschuss zum München-Marathon fällt, zum ersten Mal die 42,195 Kilometer in Angriff nehmen, darüber gibt es keine Zahlen. Und es ist ja vor allem ein individuelles Ereignis: der Start, die ersten Kilometer, die mentalen und körperlichen Probleme - und natürlich der Zieleinlauf, wenn man es denn schafft. Manche Menschen stürzen sich für ein Abenteuer von Felsvorsprüngen - andere brauchen für den Kick nur ein Paar Laufschuhe.

Im März hat sich Sabine Most zur Teilnahme am München-Marathon entschieden, davor war sie eine typische Hobbyläuferin im Englischen Garten. Lust auf mehr habe sie schon immer gehabt, aber der Mut hat gefehlt. Bis zu diesem Jahr. "Ich hab' mich spontan angemeldet, ohne zu wissen, was da auf mich zukommt", sagt sie. "Ich dachte: Jetzt, oder ich mache es nie!"

Man läuft für und gegen sich

Most, die im PR- und Marketingbereich arbeitet, hat sich einer Trainingsgruppe angeschlossen. Das brachte das richtige Pensum und eine zusätzliche Dynamik. Ein Läufer läuft ja eigentlich nur für und gegen sich allein, aber mit anderen geht auch das leichter. Beim Wettkampf will sie die Dynamik der Masse aber ausblenden und sich ganz auf den Rennplan konzentrieren, um nach 4:30 Stunden im Ziel zu sein. "Ich bin schon stolz, dass ich das mache. Das war ein großer Sprung für mich."

Der Mut hat bei Michael Hofmann nicht gefehlt, sondern schlichtweg die Zeit zum Trainieren. Sport hat er schon immer viel gemacht, aber eher auf dem Rasen statt auf dem Asphalt: Hofmann war Fußball-Profi, von 1996 an stand er beim TSV 1860 München im Tor - das Olympia-Stadion ist ihm also kein unbekannter Ort. "1998 habe ich dort mein erstes Bundesligaspiel und 2000 die Champions-League-Qualifikation gegen Leeds United gespielt, das war mit mein schönstes Erlebnis als Fußballer", sagt Hofmann. "Im Ziel bekomme ich sicher Gänsehaut, da kommen viele Erinnerungen hoch."

Mittlerweile arbeitet Hofmann als Trainer - und an seinem Marathon-Debüt. "Meine Maße sind ja nicht ganz so gut geeignet, aber ich hoffe, ich habe die Körner, um die Strecke zu schaffen. Das ist ja schon eine brutale Distanz", sagt der 1,93 Meter große und 93 Kilogramm schwere Hüne. Vor zwei Wochen, beim Halbmarathon in Tegernsee, kam der 41-Jährige ach 1:42 Stunden ins Ziel. Am Sonntag will er die volle Distanz in 3:50 Stunden schaffen. "Ich versuche jetzt, alles nachzulaufen, was ich als Torwart nicht gelaufen bin."

Petra Gerhardt dagegen ist schon ziemlich viel gelaufen in ihrem Leben. Die 39-Jährige ist Triathletin über die Mitteldistanz, das heißt 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer auf dem Rad und 21,1 Kilometer Laufen. Einen Marathon ist die Sportlerin aber noch nie gelaufen. Beim Marathon in München will sie sich Gewissheit holen. "Ich will 2015 am Ironman in Frankfurt teilnehmen. Davor muss ich wissen, dass ich einen Marathon durchhalte", sagt Gerhardt. "Ich will einfach testen, wozu mein Körper in der Lage ist, und ich habe mich schon immer gerne bewegt."

Sie braucht Ziele, auf die sie hinarbeiten kann. Petra Gerhardt ist so ein Trainingstyp. "Ich freue mich auf die Anfeuerungen von den Zuschauern, das ist für mich die absolute Motivation, da bekomme ich Gänsehaut", erzählt sie. "Ich bin ziemlich emotional. Wenn ich ins Olympia-Stadion einlaufen werde, laufen mir bestimmt die Tränen runter."

Manchmal ist so ein Marathon-Start auch mit Angst verbunden. Und mit Fragen. "Was sollen wir denn nur tun, wenn das Rennen vorbei ist? Wir haben so viel trainiert, dass es mir abnormal vorkommt, es nicht mehr zu tun", sagt Stephen O'Sullivan. Er kommt mit zwei Freunden aus Irland angereist, es ist ihre Premiere über die Langstrecke. Sie sind beruflich viel unterwegs, Laufen war also der ideale Sport für die Work-Life-Balance. Was für O'Sullivan, 36, Paul O'Brian, 45, und Kenneth Sorensen, 36, als Ausgleich angefangen hat, ist schnell zu einem alltagsbestimmenden Bestandteil geworden.

Unter vier Stunden ins Ziel

Im April haben sie sich auf den München-Marathon festgelegt und ihre Trainingsgruppe über eine App gestartet. "Wir sind ziemlich streng. Wenn wir über die ganze Welt verteilt waren und gesehen haben, dass einer das Training schleifen lässt, gab es schon mal eine böse Nachricht", sagt O'Sullivan. Dass sie nach dem Rennen in München zu Wiederholungstätern werden, steht für sie schon fest. Aber zunächst gilt: Durchhalten, ins Ziel kommen. Am liebsten unter vier Stunden. Wobei es auch noch um etwas anderes geht als um die Traumzeit. "Paul und ich sind verheiratet und Väter", sagt O'Sullivan und lacht, "aber vielleicht findet Ken ja seine Traumfrau in München."

Rainer Moll weiß jetzt schon, dass dieser erste Marathon auch sein letzter sein wird. Die 42,195 ist eine Zahl, die dem Leiter einer Caritas-Erziehungsberatungsstelle schon seit Jahren im Kopf umhergeschwirrt ist. Motiviert durch die Anmeldung von Kollegen wagt er sich in München erstmals an die große Herausforderung. Es soll ein einmaliges Erlebnis bleiben. "Man muss schon immens viel Zeit investieren. Da wird es schwer, auch noch all die anderen Sachen unter einen Hut zu bringen", sagt Moll. "Aber erleben will ich das schon mal."

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Ob das die richtige Entscheidung war, weiß der 50-Jährige selbst noch nicht. "Ich erwarte Schmerzen. Im Training hat es nach 32 Kilometern ordentlich weh getan. Diese letzte Etappe macht mir schon Angst, aber ich hoffe, dass ich vom Hype getragen werde." Unter 4:30 ins Stadion zu kommen lautet sein Ziel. Seine Familie wird ihn anfeuern, darauf freut er sich schon. Und vielleicht bleibt es ja dann doch nicht bei nur diesem einen Start.

© SZ vom 8.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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