Restaurant "Marani":Im Reich der Düfte

Restaurant "Marani": Das Marani versucht, einiges der kaukasischen Sinnenwelt auf den Tisch zu bringen. Der Gast sollte Hunger und vor allem Zeit dabei haben.

Das Marani versucht, einiges der kaukasischen Sinnenwelt auf den Tisch zu bringen. Der Gast sollte Hunger und vor allem Zeit dabei haben.

(Foto: Stephan Rumpf)

Essen bei den Meistern der Tafelei: Das Marani trumpft mit Spezialitäten aus Georgien auf. Ausgerechnet beim Wein wünscht man sich aber etwas mehr Auswahl.

Von Carolus Hecht

In der georgischen Stadt Gori stand bis vor Kurzem der riesenhafte Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili, der düstere Pate von Allmacht und Terror, dessen kolossales Monument die Sowjets in dieser seiner Geburtsstadt 17 Meter hoch in Stein und Stahl aufgetürmt hatten. Man machte etwas beklommen die Wende von dem als Josef Stalin berüchtigten Tyrannen zu dem sinnlichen Paradies, dem er entstammte: Georgien, jenen kaukasischen Gefilden des Weins, des Festmahls, des Tanzes, der Aromen.

Viel Essen muss der Gast bewältigen, viel Zeit mitbringen

In den Hinterhöfen des Landes und in Gori selbst verströmten schon zu Sowjetzeiten, als der Rest der UdSSR oftmals darbte, Volksküchen betörende Düfte. Schöne Menschen luden nicht nur Stalin-Pilger dorthin ein, mit souveräner Geste großzügiger Gastgeber, nicht mit heischender Unterwürfigkeit des Tourismusgewerbes.

In München sucht das Marani, sinnigerweise nahe dem Institut für Zeitgeschichte, einiges dieser Sinnenwelt auf den Tisch zu bringen. Großzügigkeit ist Grundmuster: Die Fülle des Gebotenen, reichlich auch für tapfere Esser, korrespondiert mit dem etwas weitherzigen Umgang mit der Zeit des Gastes, der reichlich davon mitbringen sollte. Marani heißt der traditionelle georgische Weinkeller, in dem die Kreszenzen in gewaltigen, im Boden eingelassenen Terrakottaamphoren reiften.

Dass beim Wein, der namentlich in seiner roten Wesenheit samtige Tropfen von Wucht und Eleganz zu bieten hat, ausgerechnet das Marani, der Weinkeller also, oft nur wenig Nennenswertes vorrätig hält, ist ein wahrer Jammer. Hier wünschte man sich mehr Bemühung, schon um in dieses hierorts verkannte Weinwunderland einzuführen. Mindestens das, was die Karte offeriert, sollte immer habhaft sein. Was da ist, unbedingt probieren!

Granatapfel, Koriander, Walnüsse sind Basis des ausladenden Gewürzreigens der Küche. Eröffnen wir mit gefüllten Auberginen mit Walnuss-Safran-Füllung, Koriander und Granatapfelkernen; der Rote-Bete-Mousse und dem Jungspinat mit Walnüssen; dem gebratenen Hähnchen in Walnuss-Safran-Zimt- oder in Brombeer-Sauce. Stets entfaltet sich da ein ganzer Reigen von Düften.

Empfohlen seien bei den kalten wie warmen Vorspeisen das äußerst reichliche und preiswerte Ensemble, also von allem etwas zu 9,50 beziehungsweise 12 Euro (solistisch zwischen 4,90 und 7,50). Wir favorisierten die Auberginen (kalt) und die im Ofen gebackenen Egerlingkappen mit grobem Salz und Kräutern sowie die gedünsteten Austernpilze mit Schalotten und Kräutern. Selbst die gefüllten Weinblätter, sonst oft eine fade Übung, haben hier Charakter.

Hammel gibt es wohl aus Rücksicht nicht

Teigtaschen sind den Kaukasiern, noch mehr sogar als den Slawen, besondere Verlockung. Chinkali, die georgische Variante mit Hackfleisch und vielen Kräutern, dürfen schier als Delikatesse gelten (pro Stück 1,50). Ob Vor-, ob Haupt-, ob Zwischengericht: Sie passen immer, sättigen aber auch kräftig.

Nun gibt es diverse Spieße, die abgelöst und ohne den albernen Säbel auf den Tisch kommen: Pute mit Tomatensauce, Lamm mit Mirabellensauce, Schwein mit Mirabellensauce, eine Zubereitung, die uns beim Lamm am besten mundete (zwischen 12 und 14). Den in Georgien hochgeschätzten Hammel gibt es wohl aus Rücksicht auf westeuropäische Vorbehalte nicht. Über der durchwegs höchst delikaten Zubereitung sollte niemanden stören, dass hier Fleisch immer etwas mehr Biss hat, als wir das gewohnt sein mögen. So auch die in festen Teig gerollten Rinder- und Schweinehackspieße mit Berberitzen.

Auch für Vegetarier ist reichlich vorhanden

Die saftige Forelle, gefüllt mit Walnussfarce, die frischen Sardellen mit Zitronenfilets aus der Pfanne - nichts in diesem Hause frönt dem Allerweltsgeschmack. Für Vegetarier eine sämige Sensation: Bohnen im Topf mit Kümmel, Thymian, Majoran, dazu eingelegtes Gemüse (zu 5 Euro). Das Lamm in Estragon-Weißwein-Sud überzeugte uns zur Gänze; nicht hingegen das Putenfleisch in Walnusssauce und Koriander: Es wird kalt serviert und verfehlt komplett unsere mitteleuropäischen Geschmackssinne. Saucen und Beilagen mag man nach eigenem Gusto kombinieren. Eine Sonderrolle gebührt den drei Sorten gebackener Hefeteigfladen mit Käse (Chatschapuri), die heiß und köstlich locker, eine ganze Mahlzeit oder für einen Tisch eine schöne Begleitung abgeben können.

Der Ruf der Georgier, Meister der Tafelei zu sein, bestätigte sich im Marani rundum, zumal für lustvolle Esser, die eine aromatische Küche schätzen, in der viel Fleisch und delikat zubereitetes Gemüse um die Vorherrschaft ringen. Trotz des nicht sonderlich glücklichen Gastraumes und anschwellender Hintergrundmusik - das Gedudel wird auf Einrede der Esser sofort eingedämmt - hat das Marani das Zeug zu einem herausragenden osteuropäischen Exoten. Georgier sind auf vieles stolz, zu allererst auf ihr so besonderes, dekoratives Alphabet. Und auf ihre Küche, das schmeckt man.

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