Es ist die Antwort eines Eiskunstläufers, elegant und präzise. Ob denn der Vergleich mit einem "One Hit Wonder", despektierlich vielleicht mit Eintagsfliege zu übersetzen, auf ihn zutreffen würde?
Nun muss man gleich sagen, dass Manfred Schnelldorfer über sich mit einer kritischen Distanz spricht, als sei er selbst nur Beobachter gewesen, etwa bei seiner Goldmedaille mit 21, was ihn bis heute zum einzigen deutschen Olympiasieger im Eiskunstlauf macht. Aber der 79-Jährige lacht dann kurz, es ist ein leicht ratterndes Hehe-Lachen, dem man sich schwer entziehen kann. "Na ja", sagt Schnelldorfer, "da war ich ja schon zehn Jahre im Geschäft". So ist das ja oft bei den vermeintlichen Einmal-Stars: Der Schein trügt. Auch bei Schnelldorfer.
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Der Schein, das ist zum Beispiel dieses sonnig entspannte Coverboy-Lächeln, das er noch mit 79 trägt. Er ist ein seit Jahrzehnten gern gesehener Gast der Münchner Gesellschaftsfeiern, auf denen er noch immer eiskunstläufige Lebensleichtigkeit verbreitet. Dabei hat Schnelldorfer durchaus harte Zeiten erlebt. Und nicht nur als Kind.
Seine Mutter gab 1945 den knapp Zweijährigen beim Roten Kreuz ab, bevor sie mit einem Amerikaner das Land verließ. "Mein Vater hat zwei Jahre nach mir gesucht." Er hat ihn dann gefunden und von da an wuchs Schnelldorfer mit zwei Eiskunstläufern auf. Der Vater war Eislauf- und Tennis-Trainer, die Stiefmutter ebenfalls Eiskunstläuferin. "Mein Vater hat mir einfach alte Schlittschuhe druntergestellt und gesagt: Ich zeige dir gleich, wie's geht." Aber der Junge konnte es ohnehin aus dem Stand.
Schnelldorfers Leben als Jugendlicher: Schule, schlafen, schlittschuhfahren.
Das Leben der Familie spielte sich auf dem Eis ab, bald gab es für Schnelldorfer nur noch: Schule, schlafen, schlittschuhfahren. "Von halb sieben bis abends um neun." Im Prinzregentenstadion fuhr er täglich bis zu sechs Stunden. Und abends ging er mit zwölf Jahren alleine durch die Isarauern im Dunkeln nach Hause. Unverantwortlich einerseits. Andererseits war Schnelldorfer da längst ein Erwachsener, zumindest auf dem Eis, wo er in genau diesem Alter das erste Mal Deutscher Meister bei den Männern wurde.
Es folgten sieben weitere Titel und ein Platzierungs-Crescendo, das beinahe zwangsläufig zum großen Finale führen musste. Mit 13 bei einer Erwachsenen-WM (11.), mit 16 bei Olympia (8.), 1960 EM-Bronze, 1963 EM-Silber, dann kam 1964 Olympia in Innsbruck und das ewige Duell mit dem Franzosen Alain Calmat, der ihn kurz zuvor bei der EM wieder besiegt hatte. Nach dem Pflichtprogramm führte er. "Und ich hatte 41 Fieber."
Das durfte niemand merken, "denn dann hätten die Punktrichter mir sicher Abzüge gegeben." Calmat ("Wir waren dicke Freunde und haben immer viel zusammen gemacht") stürzte in der Kür. Schnelldorfer ("Ich war mehr ein sportiver Läufer als ein künstlerischer") fuhr die fünf Minuten fehlerfrei, "aber nach vier Minuten dachte ich, ich sterbe ab". Er war Olympiasieger. Und vier Wochen später wurde er auch noch Weltmeister. Und dann? Hörte er auf.
"Heute sehe ich das natürlich anders", sagt Schnelldorfer. Statt weiter Architektur zu studieren, hätte er nach der Goldmedaille zum Beispiel beim damals schon lukrativen Eiskunstlaufzirkus in den USA einsteigen können "und sicher Millionen verdient". Aber zum Einen hatte er seinen Eltern versprochen, keine der sogenannten Revues zu machen, bei denen man das ganze Jahr unterwegs ist. "Und ich hatte auch keine Ahnung von Geld und vom Wirtschaften, vielleicht wäre das auch schiefgegangen." Zudem war sein Nervenkostüm etwas angegriffen. Schon mit 21? Aber eben auch schon nach zehn Jahren Profi-Eiskunstlauf.
Schnelldorfer hörte mit dem Eiskunstlauf auf, studierte weiter, wurde dann Bundestrainer im Eiskunstlauf, aber nicht lang, heiratete mehrmals, bekam drei Kinder, stieg als Geschäftsführer mehrmals in Projekte ein, etwa im Sportbereich des Schwabylon oder später in einem Sportshop in Attaching, den er von Fußballer Gerd Müller übernahm, probierte es als Sänger, arbeitete als Model. Wirtschaftlich funktionierte das alles nur so mittel, als Model und in Attaching verdiente er gut, sagt Schnelldorfer, aber vor 15 Jahren waren seine Reserven aufgebraucht. Heute lebt er in Sendling und hat die Trophäen in Kisten verstaut, "ich habe sie lange genug geputzt". Seine Schlittschuhe gibt es schon gar nicht mehr, "die sind in Regensburg im Haus der Bayerischen Geschichte".
Deutschlands einziger Eiskunstlauf-Olympiasieger wird nun am 2. Mai 80 und sagt heute über München: "Das ist keine Sportstadt mehr, das ist heute eine Fußballstadt." Damals war München zum Beispiel das Zentrum des Eiskunstlaufens. "Aber heute ist eine Sportart, die Ästhetik vermittelt, nur noch schwer verkäuflich." Man brauche immer Gegner und Kampf, und deshalb eben den Mannschaftssport.
Und das Eis reizt ihn gar nicht mehr? "Es ginge natürlich noch, Eislaufen ist ja wie Radfahren." Aber wenn man im Prinze mehr machen würde als nur im Kreis zu fahren, würde man sofort des Eises verwiesen. Das ist ihm zu langweilig.
Dafür geht er jetzt eben zu Fuß. "Jeden Tag drei Stunden." Walking? "Nein! Ohne Stöcke, dafür ist mein Gleichgewichtsgefühl ja viel zu gut."