Kunstdiebstahl im Keltenmuseum:Warum der Einbruch so lange unentdeckt blieb

Kunstdiebstahl im Keltenmuseum: Polizisten suchen die Umgebung des Museums in Manching nach möglichen Spuren ab, viele Stunden nach dem Goldraub.

Polizisten suchen die Umgebung des Museums in Manching nach möglichen Spuren ab, viele Stunden nach dem Goldraub.

(Foto: Lennart Preiss/dpa)

Als sich Kriminelle über den Manchinger Goldschatz hermachten, sicherte die Polizei Geldautomaten. An die Münzen dachte niemand - wie kann das sein? Eine Spurensuche.

Von Susanne Hermanski

Wer sich für Kulturschätze interessiert, dem reicht ein Satz, um stutzig zu werden. Nach dem Goldraub von Manching heißt es in den Berichten über die Tatnacht: Die zuständige Polizeidienststelle habe von Strom- und Datenausfall im Gebiet Manching erfahren, die Beamten seien daraufhin alarmiert losgefahren, um nachzusehen - bei den örtlichen Banken. Auf die Idee, beim Keltenmuseum nach dem Rechten zu schauen, kam man augenscheinlich nicht.

Der Kulturfreund denkt da frei nach Bertolt Brecht anders: Wo kann wohl das größere Verbrechen passieren? An einem privatwirtschaftlich errichteten Geldautomaten mit bunten Scheinen, oder an einem unwiederbringlichen antiken Goldschatz der Ahnen, dem Eigentum der Allgemeinheit? Aber selbst wer mit Brecht wenig am Hut hat, fragt sich vielleicht unwillkürlich: Gibt es nicht eine Liste mit besonders zu schützenden Kunst- und Kulturgütern, auf die Beamte in so einem Fall zugreifen können?

Nach den spektakulären Gold- und Juwelenraubzügen der vergangenen Jahre? Für die teils ebenfalls Stromleitungen gekappt worden waren? Und da das Land schon seit Monaten darüber sinniert, was alles passiert, wenn es zu einem Blackout kommt? Also wenn Strom- und Datenleitungen über einen längeren Zeitraum gekappt sein sollten? Schützt dann die Polizei zuerst die Kartoffelchips in den Supermärkten vor Plünderung oder doch die Kronjuwelen in der Residenz?

Die letzte Frage ist polemisch, zugegeben. Trotzdem ist interessant, wie es bestellt ist um ein Verzeichnis besonders schützenswerter beziehungsweise gefährdeter Orte, in denen Bayerns Kulturschätze lagern, welches eine Orientierungshilfe sein könnte, unter welchen alarmierenden Umständen auch immer. Das Ergebnis der Recherche: "Eine abschließende Gesamtliste ,zu schützender Kulturgüter' gibt es bei der Bayerischen Polizei nicht", so das Innenministerium.

"Selbstverständlich" verfügten die örtlichen Polizeidienststellen aber "über Informationen zu entsprechend bedeutsamen Museen oder Sammlungen in ihren Dienstbereichen", erklärt ein Sprecher. Darüber hinaus könne man keine näheren Auskünfte zur Art und Weise von polizeilichen Objektschutzmaßnahmen geben. Das würde "den Erfolg der Maßnahmen gefährden". Wie es sich verhalten habe mit der "Einsatzpriorisierung" im Fall Manching, dazu könne nur das Polizeipräsidium Oberbayern Nord direkt Auskunft geben.

Kunstdiebstahl im Keltenmuseum: Es war einmal: der Goldschatz aus der Keltenzeit.

Es war einmal: der Goldschatz aus der Keltenzeit.

(Foto: AFP)

Andreas Aichele ist Sprecher des Polizeipräsidiums und nebenher auch als Mitglied des Kreistags von Pfaffenhofen an der Ilm daran gewöhnt, in größeren gesellschaftlichen Zusammenhängen zu denken. Er bringt es auf den Punkt: "Sie stellen quasi die Frage nach einer ,Triage der Sachwerte'? Die gibt es bisher nicht", sagt Aichele. Entscheidend dafür, wohin die Beamten ihre Kontrollfahrten machen, sei ein eingegangener Alarm. Da viele Institutionen - auch staatliche oder kommunale wie das Manchinger Keltenmuseum - mit privaten Sicherheitsfirmen arbeiten, geht bei der Polizei direkt von ihnen aber nie ein Alarm ein. Und wenn der Strom- oder Datenfluss zu einem bestimmten Ort im Einsatzgebiet gekappt sei, bekomme die Polizei das erst dann mit, wenn beispielsweise ein Bürger anruft, der sich erkundigt, ob er mit dem Problem allein ist.

Die Bayerischen Museen sorgen also selbst für ihre Sicherheit, viele werden dabei allerdings durchaus vom Landeskriminalamt beraten. Zudem spielen auch Versicherer dabei eine Rolle. Der Münchner Konzern Allianz etwa bietet Kunstversicherungen seit 1896 an und verfügt daher über weltweite, leidvolle Erfahrungen mit den neuesten Möglichkeiten und Gepflogenheiten der Diebe. Kunstversicherungschef Eric Wolzenburg sagt, sein Team beschäftige etwa zunehmend die Frage, "wie zu verhindern ist, wie Kulturschätze nachts heimlich und unerkannt durch Repliken ersetzt" würden.

Dass Kunstschätze, die aus Objekten mit hohem Materialwert und leichter Beweglichkeit bestehen, bei Raubzügen besonders gefährdet sind, ist im Vergleich dazu eine Binsenweisheit. Trotzdem gilt gerade diesen kleinen Objekten aktuell in allen Häusern Bayerns besondere Aufmerksamkeit. Zum Beispiel überprüft die Schlösser- und Seenverwaltung, die neben der Münchner und der Würzburger Residenz noch für mehrere Dutzend andere Häuser samt deren Kunstschätzen verantwortlich ist, derzeit alle ihre eigenen Sicherheitsmaßnahmen.

Und Kunstminister Markus Blume? Der hat dem Kabinett gerade ein "5-Punkte-Maßnahmenpaket" zum Schutz von Kulturgütern im Freistaat vorgelegt. Darin geht es um die "kritische Infrastruktur" um die Häuser herum, deren Kommunikationseinrichtungen und "intelligente" neue Systeme. Denn Blume sagt, er sei vor allem schockiert davon, wie "die Hemmschwelle gesunken ist, sich an Kunstwerken zu vergreifen". Die Folgen für den eigentlich gewünschten niederschwelligen Zugang zur Kunst könnten verheerend sein. Die Kunst würde eher weggesperrt als zugänglicher gemacht. Und Prioritätslisten hin oder her. "Ganz generell", meint Blume, "wir brauchen in unserem Land auch wieder ein stärkeres Bewusstsein für den Wert von Kunst und Kultur". Er findet, "der gesellschaftliche Aufschrei bei Attacken auf Kunstwerke dürfte ruhig größer ausfallen".

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