Gourmetküche:"Den Stern zu verteidigen ist mir sehr wichtig, ist ja klar"

Maike Menzel im Restaurant "Schwarzreiter" in München, 2018

Auf ihre kulinarische Kreativität kommt es an: Maike Menzel möchte die regionale Küche erneuern.

(Foto: Florian Peljak)

Maike Menzel ist seit sieben Monaten Münchens einzige Sterneköchin - und gespannt, ob sie es auch bleibt.

Von Franz Kotteder

Andere junge Köche, die erstmals ihren Michelin-Stern verteidigen müssen, haben es leichter. Denn sie sind wenigstens in einer Hinsicht im Vorteil: Sie sind männlich. Und das Publikum schaut dann zwar auch aufmerksam hin und fragt sich: "Schafft der das? Ist er gut genug, den Stern zu halten?" Aber im Falle des Restaurants Schwarzreiter im Hotel Vier Jahreszeiten sieht das in diesem Jahr noch einmal anders aus, wenn an diesem Dienstagabend in Berlin bei einer großen Galaveranstaltung die neuen Sterne für das Jahr 2019 verkündet werden.

Denn seit August vergangenen Jahres heißt die Chefköchin dort Maike Menzel, und sie ist damit eine der wenigen Frauen in Deutschland, deren Restaurant mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Das war noch Ende 2017 unter ihrem Vorgänger Anton Pozeg, bei dem sie aber schon Sous-Chefin war. Und jetzt sind natürlich alle neugierig, ob sie den Stern verteidigen kann und Münchens einzige Sterneköchin bleibt.

Falls Maike Menzel deshalb dieser Tage etwas nervös sein sollte, dann lässt sie sich das jedenfalls nicht anmerken. "Natürlich bin ich gespannt", sagt sie und lächelt, "den Stern zu verteidigen ist mir sehr wichtig, ist ja klar." Die Auszeichnung war damals schon eine tolle Belohnung für das gesamte Team. Sie war zu der Zeit bereits Sous-Chefin und hatte das Konzept der "Young Bavarian Cuisine", das im Schwarzreiter unter Pozegs Vorgänger Christian Michel eingeführt worden war, entscheidend mitgeprägt.

Dass sich dieses Konzept auszahlte, ließ sich nun nicht nur an den Reservierungszahlen für das Gourmetrestaurant ablesen, sondern endlich auch wieder an einem Stern im Michelin-Führer. Doch dann kam sehr schnell die nächste Herausforderung: Denn Anton Pozeg, der noch nicht lange Küchenchef war, riefen schon bald neue Aufgaben innerhalb der Kempinski-Gruppe, zu der das Münchner Luxushaus an der Maximilianstraße gehört. Im August 2018 wurde er nach London berufen.

Seine Stellvertreterin aber schlug er als Nachfolgerin vor, und die damals 28-Jährige brach erst einmal nicht in lauten Jubel aus, sondern überlegte ein paar Tage lang, ob sie sich das wirklich auch selbst zutraute. "Ich habe wenig Zweifel gehabt", sagt sie heute, "wenn man nichts wagt, kann man schließlich auch keine Erfahrungen sammeln. Und ich hätte es sicher bereut, wenn ich das nicht gemacht hätte." So wurde sie schließlich im vergangenen Sommer mit einem Schlag Sterneköchin und Chefin eines Teams von zwölf Leuten.

Das ist für sich genommen schon ungewöhnlich, in der gehobenen Gastronomie gibt es wenig Frauen an der Spitze, aber auch sonst in den Küchenbrigaden. "Die Frauen kommen nicht wirklich zahlreich nach", sagt Menzel. Zwei waren noch in einem Team, beide haben jetzt gerade aufgehört. "Eine davon will wieder zurück in ihre Heimat nach Bolivien, sie hatte einfach zu großes Heimweh." Schade sei das, aber man muss die Dinge eben nehmen, wie sie kommen. Die Arbeit mit dem Team mache aber viel Spaß, sie komme "mit den Jungs" gut zurecht, und sie habe da noch viel vor.

Freilich, das Schreiben einer neuen, saisonal wechselnden Karte sei schon immer wieder eine Herausforderung: "Young Bavarian Cuisine" und der Anspruch, die regionale Küche zu erneuern, schränkten die kulinarische Kreativität natürlich ein. Das sei aber zugleich auch ein Ansporn. Menzel gibt in der Regel grob vor, wohin die Reise gehen soll und welche Produkte sie sich als Hauptdarsteller im nächsten Menü so vorgestellt hat. Dann kommen die anderen, jeder ergänzt, was ihm dazu einfällt oder was er anders machen würde, und am Ende stehen eine Handvoll neuer Gerichte, an denen dann gearbeitet wird.

Weniger ist mehr: Diese Prämisse würde Maike Menzel schon unterschreiben, sagt sie, auch wenn ihre Teller bisweilen durchaus kunstvoll und fast verspielt aussehen. "Minimalistisch ist mein Stil nicht", sagt sie, "ich lege Wert auf die Details und auch auf die Optik, klar." Jeder Gang sollte sich aber um ein Hauptprodukt drehen, findet sie, drum herum baut sie dann oft verschiedene Variationen von diesem Hauptprodukt, in anderen Konsistenzen oder in verschiedenen Geschmacksnuancen, als Creme oder Sauce oder auch mal als knuspriges Crumble zum Beispiel.

Die Japaner sind ihr kulinarisches Vorbild

Da gibt es dann doch wieder eine ganze Menge Möglichkeiten, mit Produkten aus der Region zu kochen. Denn auch, wenn man sich einen bayerischen Koch eher rund und kräftig vorstellt - Maike Menzel ist eher das, was man klein und zierlich nennt -, die Küchenchefin im Schwarzreiter ist privat wie beruflich sehr bayerisch sozialisiert. Geboren ist sie zwar in Neuss in Nordrhein-Westfalen, aber die Eltern zogen mit ihr bald nach Schondorf am Ammersee, wo der Vater - auch er ein Koch - die Mensa in einem Internat übernahm. Als sich die Eltern trennten, blieben sie am Ammersee. Maike machte ihre Lehre dann in München im Blauen Bock bei Hans-Jörg Bachmeier: "Das war eine superschöne Zeit, ich hab' sehr viel gelernt, und das ist bis heute wie Heimat für mich."

Danach folgten verschiedene Jobs in der Szene-Gastronomie, im Theresa und im Occam Deli, schließlich war sie ein Jahr lang im japanischen Restaurant Emiko des Hotels Louis am Viktualienmarkt. Keine ganz einfache Zeit, denn: "Japanische Köche brauchen länger, bis sie auf einen zukommen. Sie wollen erst das Engagement sehen, das man mitbringt." Von damals kommt aber auch ihre Vorliebe für Sushi, das sie privat am liebsten isst. Dass ihr Münchner Lieblingslokal, das Chang City, seit Anfang Januar geschlossen hat, grämt sie immer noch. "Mein kulinarisches Vorbild", sagt sie, "sind die Japaner und ihre Art, wie sie mit dem Produkt umgehen und welchen Wert sie auf die Qualität legen. Eigentlich verändern sie in ihrer Küche ja kaum etwas an einem Fisch."

Einen gewissen Minimalismus pflegt sie auch zu Hause: "Daheim koche ich selten", sagt sie. Das Abendessen mit ihrem Freund besteht dann schon mal aus einem Baguette vom Bäcker Schmidt, einem Käse vom Tölzer Kasladen auf dem Viktualienmarkt und ein paar Oliven.

Bevor sie in die Küche des Schwarzreiters wechselte, hatte sie noch als Patissière im Restaurant Pageou von Ali Güngörmüs in den Fünf Höfen gearbeitet, "weil das ein Posten war, der mir noch gefehlt hat". Chefköchin war damals Elisabeth Anetseder dort. Eine Frau als Chefin? "Anfangs war es ein bisschen zäh und schwierig für mich", sagt Menzel. Anetseder wusste genau, was sie wollte, und war recht bestimmt. Da brauchte es etwas, bis man zusammenfand. Gelegentlich komme es aber vor, dass jemand zu ihr sage: "Man merkt schon, dass du bei ihr gelernt hast." Inzwischen sehe sie das positiv, sagt sie, "ich beobachte an mir dann gewisse Charakterzüge, die erinnern mich an Elisabeth".

Ein bisschen ruhiger und gelassener ist sie vielleicht. Jedenfalls sind das Eigenschaften, die alle als hervorstechend bei ihr betonen. Derzeit arbeiten sie und ihr Team übrigens noch in einer Art Pop-up-Restaurant im hinteren Teil des Hotels, denn der Küchen- und Restauranttrakt vorne an der Maximilianstraße wird gerade für 20 Millionen Euro komplett umgebaut und neu gestaltet. Übergangsweise hat man jetzt sogar einen größeren Gastraum als früher und arbeitet in einer offenen Showküche. Im Juli sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, dann zieht das Küchenteam wieder in den Keller. Was vom alten Küchentrakt bleiben wird, ist ein Unikat: die Rolltreppe, die von unten zum Restaurant führt und auf der die Kellner dann auch wieder die Speisen zu den Gästen transportieren. Ob die dann auch weiterhin hinauf zu den Sternen führt, wird Maike Menzel an diesem Dienstag erfahren. Wie gesagt: Gespannt ist sie schon.

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