Maibockanstich im HofbräuhausWeniger Söder, mehr Feminismus

Lesezeit: 4 Min.

Django Asül während seiner Rede beim Maibockanstich im Hofbräuhaus. Danach tobte der Applaus.
Django Asül während seiner Rede beim Maibockanstich im Hofbräuhaus. Danach tobte der Applaus. (Foto: Robert Haas)

Wegen der Koalitionsverhandlungen in Berlin fehlt im Hofbräuhaus ein gewohnter Fixpunkt. Und Kabarettist Django Asül versucht, elegant einen Bogen zu spannen.

Von René Hofmann, München

Deutschland steht vor Veränderungen, das war deutlich zu merken beim Maibockanstich am Mittwochabend im Münchner Hofbräuhaus. Das Starkbier aus der Brauerei, die wie die Gaststätte dem bayerischen Staat gehört, ist Münchens ältestes Bockbier. Die Veranstaltung, auf deren Einladungskarten bis 1954 stand „Zutritt nur für Herren“ und bei der bis in die 1980er-Jahre ein echter Ziegenbock Probe trank, ist eine feste Größe im Münchner Veranstaltungskalender.

600 geladene Gäste, das BR-Fernsehen überträgt die Highlights: Eine solche Bühne lässt sich Markus Söder wirklich nur in Ausnahmefällen entgehen. „Stark“ und „vollmundig“: So wie der untergärige Maibock mit dem Alkoholgehalt von 7,2 Prozent vermarktet wird, präsentiert der Ministerpräsident sich und seine CSU ja auch gerne. An diesem Abend aber ging Wichtigeres vor: die Koalitionsverhandlungen in Berlin.

Wie die Fastnacht in Franken und das Derblecken auf dem Nockherberg – den anderen beiden festen Quotengrößen des BR – bezieht auch der Maibockanstich einen großen Teil seines Reizes daraus, dass diejenigen, über die auf der Bühne gesprochen wird, meist unmittelbar vor dieser sitzen. Ohne Söder fehlte dem Abend deshalb zwar ein Fixpunkt, doch wer wollte, konnte auch darin ein Zeichen sehen, das in die Zukunft weist: Irgendwie geht es doch immer und auch immer weiter, selbst wenn einer fehlt, der sich aktuell noch für unersetzlich hält.

Das habe Söder nun davon, dass er nicht Kanzlerkandidat der Union haben werden wollen, schickte der Gastgeber, Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU), in seiner launigen Eröffnung einen Gruß in die Hauptstadt. Der 57-Jährige zapfte das erste Fass nicht nur mit zwei Schlägen an, er leitete auch applaus-umtost her, warum Bier segensreich wirken kann: „Bier hilft beim Vergessen. Der Unterschied zwischen Sondervermögen und Unvermögen verschwindet.“

Der Maibockanstich im Hofbräuhaus sei kein Ort für Politikerbelehrungen (ein unverhohlener Gruß an die Paulaner-Konkurrenz auf dem Nockherberg, wo Maxi Schafroth derlei vor einigen Wochen erteilt hatte), sondern ein wahrhaft demokratischer Versammlungsort: „Hier haben sogar Politiker ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Also ich.“ Die Reaktionen im Publikum zeigten, dass viele nichts dagegen gehabt hätten, wenn Füracker noch mehr geäußert hätte.

Finanzminister Albert Füracker (links) und Michael Möller, Direktor des Staatlichen Hofbräuhauses, halten die ersten Krüge nach dem Anstich in die Kameras.
Finanzminister Albert Füracker (links) und Michael Möller, Direktor des Staatlichen Hofbräuhauses, halten die ersten Krüge nach dem Anstich in die Kameras. (Foto: Robert Haas)
Der Saal beim Maibockanstich war voll besetzt, in den vorderen Reihen saß die Politprominenz.
Der Saal beim Maibockanstich war voll besetzt, in den vorderen Reihen saß die Politprominenz. (Foto: Robert Haas)

Als Haupt-Act aber war Django Asül vorgesehen. „Die Lage ist zu ernst, um tatsächlich ernst zu bleiben“: Mit dieser Losung begrüßte er die „liebe Maibock-Gemeinde“. Seit 2008 spricht der Kabarettist, der aus Hengersberg im niederbayerischen Landkreis Deggendorf stammt, die Festrede. Dass er zuvor ein Jahr lang auf dem Nockherberg geredet hatte – und zwar so scharf, dass es bei nur einem Auftritt blieb –, ist inzwischen weitgehend vergessen. Ausgerechnet diejenigen, die er besonders hart angegangen war (das Finanzministerium, dem die Hofbräu gehört, ist seit 1957 CSU-geführt), holten ihn sich ins eigene Haus.

Die Rolle als Maibock-Conférencier füllt der inzwischen 52-Jährige mittlerweile mit souveräner Routine. Die Pointen sitzen verlässlich, ohne die Schmerzgrenze zu überschreiten. Asül: „Beim Lieferkettengesetz waren sich Experten schnell einig: Kafka und Achternbusch hätten es nicht besser hingebracht.“

Söders Schachzug, bereits vor der Bundestagswahl einen Kandidaten für das Amt des Agrarministers zu benennen? Asül: „Der Günther Felßner sollte das CSU-Werkzeug gegen den Hubert Aiwanger sein. Quasi ein Bauernfänger.“ Und, über den Rückzug des Bauernfängers nach einer Aktion von Aktivisten auf dessen Bauernhof: „Der Felßner wird das alles gut überstehen. Er ist bekennender Fan des 1. FC Nürnberg. Da ist man es bekanntlich gewohnt, dass der Aufstieg nicht klappt.“

Debatten über eine mögliche Ablöse des Fastenpredigers, wie sie am Nockherberg regelmäßig geführt werden, sind aus dem Hofbräuhaus kaum zu vernehmen. Im vergangenen Jahr verstolperte sich Asül bei seinem Auftritt ein wenig, indem er dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger von den Freien Wählern nach der Aufregung um ein antisemitisches Hetzblatt, das aus seinem Elternhaus stammte, mehr Raum einräumte als dem Ministerpräsidenten.

Auf dem Etikett schaut versonnen ein Ziegenbock

In seiner diesjährigen Rede griff Asül das elegant auf: „Hubert, vor und nach der Landtagswahl hast du es gewaltig übertrieben. Und prompt habe ich es mit dir beim letzten Maibock auch übertrieben. Aber der Hubert hat mir dann versprochen, dass er bissl dezenter auftreten wird. Und er hat Wort gehalten. Mit den Bundestagsambitionen hat er ja gezeigt, dass er raus will aus der großen Politik.“

Der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger war platziert neben Evelyne Füracker.
Der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger war platziert neben Evelyne Füracker. (Foto: Robert Haas)
Auch Katharina Schulze von den Grünen hatte die Einladungsempfehlung mit Kleiderordnung „Tracht“ befolgt.
Auch Katharina Schulze von den Grünen hatte die Einladungsempfehlung mit Kleiderordnung „Tracht“ befolgt. (Foto: Robert Haas)
Ebenfalls im Publikum: Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU).
Ebenfalls im Publikum: Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). (Foto: Robert Haas)

Die große Politik nahm dieses Mal auffallend viel Raum ein. Angela Merkel (CDU) fand als „Staatsschauspielerin“ Erwähnung, Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit angeblichen Ambitionen, Memoiren in Merkel-Dimensionen vorzulegen („Der Cheflektor vom Verlag hat zum Scholz gesagt: ‚Herr Scholz, bei aller Liebe: 700 Seiten – bei Ihren Gedächtnislücken?‘“) und Saskia Esken wurde „als Heidi Klum der SPD“ eingeordnet („Die Heidi Klum wird seit fast 20 Jahren für Germany's Next Topmodel kritisiert ohne Ende. Aber: Die Heidi sitzt fester im Sattel denn je. Und diese Zähigkeit hat die Frau Esken auch.“).

Stammgast beim Maibockanstich: Fußballer Paul Breitner (links).
Stammgast beim Maibockanstich: Fußballer Paul Breitner (links). (Foto: Robert Haas)

Der Bogen, der am Platzl geschlagen wurde, reichte bis in die USA und wieder zurück: „Verteidigungsminister in Amerika ist jetzt ein Fernsehmoderator. Wenn es um Entertainment geht, gehört das Verkehrsministerium natürlich wieder in die Hände der CSU. Wobei ich mir den Alexander Dobrindt auch sehr gut als Verteidigungsminister vorstellen könnte. Der Alex war immerhin dreimal in Folge Schützenmeister in Peißenberg. Ja, jetzt ist alles möglich.“

Asül erntete für seine fünfzehnte Rede in dieser Runde tosenden Applaus, der zum Ende von den allermeisten der Anwesenden stehend dargeboten wurde.

Der Maibock wird in diesem Jahr im neuen Look offeriert: Auf dem Etikett schaut ein Ziegenbock ein überschäumendes Bierglas versonnen an. Etwas frischer soll das traditionsreiche Gebräu so daherkommen. Ein Motiv, das auch der Anstichzeremonie anzumerken war.

Kathi Wolf, 38, Kabarettistin aus Schwaben, gab ihr Maibock-Debüt und servierte als Kellnerin Kathi zur Begrüßung der Gäste etwas, was bisher weitgehend gefehlt hatte – eine feministische Perspektive, unter anderem mit dem Hinweis: „Ich will ehrlich sein, wir Frauen haben in der Gastronomie einen Wettbewerbsvorteil: Ein Kellner hat zwei Hände, eine Kellnerin zwölf – davon zehn am Hintern.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Beste Sprüche beim Maibockanstich
:„Bis jetzt ist Friedrich Merz für SPD und Grüne so was wie der Nikolaus“

Markus Söder auf einer Stufe mit Heidi Klum und Annalena Baerbock als Au-Pair-Mädchen in New York: Die besten Sprüche von Django Asül und Maibockanstich-Newcomerin Kathi Wolf in der Nachlese.

Von René Hofmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: