Opfer des Nationalsozialismus:Suche nach passendem Mahnmal beginnt von vorn

Opfer des Nationalsozialismus: Der Ort steht offenbar schon fest: Das zentrale Mahnmal für die Ermordeten soll einmal am Platz der Opfer des Nationalsozialismus stehen.

Der Ort steht offenbar schon fest: Das zentrale Mahnmal für die Ermordeten soll einmal am Platz der Opfer des Nationalsozialismus stehen.

(Foto: Catherina Hess)
  • Die Suche der Stadt München nach einem passenden Mahnmal, das namentlich an jede einzelne Münchnerin und jeden Münchner erinnert, die von den Nationalsozialisten ermordet worden sind, beginnt von vorne.
  • Laut Kulturreferat gibt es an den bisher diskutierten Orten Probleme mit dem Denkmalschutz.
  • Einig ist sich die Koalition aus CSU und SPD im Rathaus darin, dass es schnell weitergehen soll.

Von Jakob Wetzel

Die Opfer sollen Namen bekommen: Seit Jahren will die Stadt ein zentrales Mahnmal errichten, um namentlich an jede einzelne Münchnerin und jeden Münchner zu erinnern, die von den Nationalsozialisten ermordet worden sind. Es hat einen Kunstwettbewerb gegeben, eine Jury aus Stadträten, Fachleuten und Vertretern von Opfergruppen hat entschieden, ansonsten drang wenig nach außen. Doch jetzt ist klar: Die Suche beginnt noch einmal ganz von vorne.

Die bisher besprochenen Pläne könnten nicht realisiert werden, daher soll ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben werden; das bestätigt das Kulturreferat auf Nachfrage. Grund für den Neuanfang sei, dass es an den bisher diskutierten Orten Probleme mit dem Denkmalschutz gebe. Am Donnerstag soll der Kulturausschuss des Stadtrats in nicht-öffentlicher Sitzung über eine Neuausschreibung beraten.

Einige Details des Wettbewerbs sind noch unklar - etwa, ob es einen freien Kunst- oder nur einen Gestaltungswettbewerb mit engeren Vorgaben geben soll, und ob zu dem Wettbewerb ausgewählte Büros eingeladen werden sollen wie zuletzt, oder ob diesmal alles offen ausgeschrieben werden soll. Zumindest der Ort aber soll offenbar vorgegeben werden: Das Mahnmal soll künftig am Platz der Opfer des Nationalsozialismus stehen.

Beim ersten Wettbewerb war die Wahl des Standorts den Künstlern überlassen, und gerade daraus hätten sich Probleme ergeben, heißt es aus dem Stadtrat. Konkret favorisierte die Jury zuletzt den Entwurf einer mehrere Meter hohen Mauer aus Ziegeln, die jeweils den Namen eines Ermordeten tragen sollen. Diese Mauer sollte zwischen Hofgarten und Englischem Garten errichtet werden. Die Denkmalschützer aber beklagten sich offenbar, dadurch werde die Sichtachse zwischen den Grünanlagen beeinträchtigt. Die Mauer anderswo aufzubauen, war demnach auch keine Option. Denn der Künstler hatte das Denkmal speziell für diesen Ort entworfen.

"Es ist bedauerlich, dass die Situation so ist, wie sie ist", sagt Klaus Peter Rupp, der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Stadtrat. Er könne die Bedenken der Denkmalschützer aber nachvollziehen. Von der CSU, dem Bündnispartner der SPD im Rathaus, heißt es, dass es einfach konsequent sei, den Wettbewerb jetzt neu auszuschreiben. Das Kulturreferat entspreche damit einer Bitte der Jury, sagt Richard Quaas, der kulturpolitische Sprecher der CSU. "Wir wollten kein Denkmal, das schon im Vorfeld Streitereien ausgesetzt ist wie in Berlin." In der Hauptstadt wird seit Jahren um ein Denkmal gestritten, das an die Wiederherstellung der Deutschen Einheit erinnern soll.

Kritik äußern dagegen die Grünen im Stadtrat: Eine solche Entscheidung hätte im Stadtrat diskutiert werden müssen, statt diesen nur über das Aus der Pläne zu informieren, sagt der Fraktionsvorsitzende Florian Roth. "Und ein Mahnmal, das an ein Menschheitsverbrechen erinnern soll, das soll stören." Es zu verwerfen, weil es Sichtachsen beeinträchtige, sei der Sache nicht angemessen.

Einig ist sich die Koalition aus CSU und SPD im Rathaus darin, dass es schnell weitergehen soll. Das Projekt soll sich nicht noch mehr verzögern. Es sei wünschenswert, wenn es bereits im Sommer 2019, also vor der Sitzungspause des Stadtrats, eine Entscheidung gäbe, heißt es unisono von SPD und CSU.

Der Streit um eine würdige Erinnerung hat an Schärfe verloren

Denn schon jetzt zieht sich die Suche länger hin als geplant. Im Juli 2015 hat der Stadtrat entschieden, dass die in München umstrittenen "Stolpersteine" des Künstlers Gunter Demnig in der Stadt auch weiterhin nicht auf öffentlichem Grund verlegt werden dürfen. Stattdessen sollte es einerseits Stelen oder Wandtafeln an den einstigen Wohnorten der Ermordeten geben und andererseits ein zentrales Mahnmal mit allen bekannten Namen der Toten. Für beide Elemente wurden Wettbewerbe ausgeschrieben. Und nach drei Jahren, hieß es ursprünglich, solle das ganze Projekt ausgewertet werden.

So weit ist es aber noch nicht. 2016 endeten beide Wettbewerbe. Einen Sieger gab die Stadt aber nur für die Gestaltung von Stelen und Wandtafeln bekannt. In diesem Jahr wurden bereits 25 dieser speziellen Münchner Erinnerungszeichen errichtet. Der Streit um eine würdige Erinnerung hat seitdem viel von seiner früheren Schärfe verloren. Parallel hingegen, bei der Auswahl eines Entwurfs für das Namensdenkmal, ging nur wenig voran.

Dass diese Kür schwierig war, liegt auch daran, dass die Situation in München besonders ist. Zum einen, weil das Ergebnis nach dem langen Streit um die Stolpersteine alle Seiten wirklich restlos überzeugen soll. Zum anderen, weil das Denkmal auf sinnvolle Weise erweiterbar sein muss. Denn die Stadt geht davon aus, dass die Nationalsozialisten etwa 10 000 Münchnerinnen und Münchner umgebracht haben. Das Mahnmal soll an jedes einzelne dieser Opfer erinnern - namentlich bekannt sind aber nur etwa 5000 Ermordete. Würde die Stadt nun beispielsweise eine Mauer errichten und auf ihr die Namen der Toten alphabetisch anordnen, damit die Angehörigen sie finden können, dann müsste sie später, wenn weitere Namen bekannt werden, womöglich nachträglich die Steine umstellen.

Er wünsche sich ein Mahnmal, das sich nicht verstecke, sondern in der Stadt präsent sei, und das zugleich einen würdevollen Ort schaffe, um allen Opfern zu gedenken, sagt Rupp. Auf den Platz der Opfer des Nationalsozialismus wolle er sich noch nicht festlegen, doch der sei in jedem Fall eine gute Option. Der Platz zwischen der Brienner Straße und dem Maximiliansplatz bietet sich dabei nicht nur deshalb an, weil dort schon jetzt an die Ermordeten erinnert wird, sondern auch, weil die Fläche - anders als etwa der staatliche Hofgarten - der Stadt gehört. Sollte sich der Stadtrat für einen neuen Entwurf entscheiden, würden sich Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer erübrigen.

Der Platz der Opfer des Nationalsozialismus sei ein guter Platz, sagt auch Marian Offman, der nicht nur für die CSU im Stadtrat, sondern auch im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde sitzt. Er befürworte die Neuausschreibung ebenso wie diesen Standort. Und Richard Quaas findet, dieser könne ohnehin noch ein Denkmal vertragen. Zuletzt ist der Platz von 2012 bis 2014 für 3,9 Millionen Euro umgebaut und herausgeputzt worden; so erhielt er etwa zusätzlich zu der seit 1985 brennenden "ewigen Flamme" unter anderem Sitzgelegenheiten und eine Tafel sowie ein Band aus Bronze. Bislang sei der Platz aber doch eher zurückhaltend gestaltet, sagt Quaas. Man könne durchaus noch ein Element ergänzen, das stärker ins Auge steche.

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