Mahlzeit nach Mitternacht:Treffpunkt der Hungrigen

Beim Alpenimbiss am Sendlinger Tor oder bei McDonald's am Stachus bekommen Müde und Betrunkene aus den Clubs auch mitten in der Nacht Burger und Döner

Von Linus Freymark

Um kurz nach halb drei gibt es das erste Mal Stress. Zwei junge Männer sind vor dem Alpenimbiss aneinandergeraten. "Du hast mir 'ne Kopfnuss gegeben!", brüllt der Kleinere den Größeren an. Er ist gut einen Kopf kürzer als sein Kontrahent, vom Größenunterschied lässt er sich aber nicht abschrecken. Der andere bleibt ruhig: "Das stimmt doch gar nicht, ich hab' doch nur so gemacht!" Sein Oberkörper bewegt sich auf sein Gegenüber zu, stoppt aber, bevor er den anderen erreicht. "Ja eben, das war doch 'ne Kopfnuss!" "Nein, war's nicht!" Das Ganze geht noch eine Weile so weiter, bis sich ein Freund des Kleineren einmischt, dem die Diskussion zu bunt wird und der mit seinem Kumpel weiterziehen will. "Brate, kommst du?" Der Kleinere dreht sich zu seinem Freund um, der Blick noch immer voller Aggression. "Nein!", brüllt er, dann dreht er sich doch um und verschwindet in die Nacht.

Einige Fleischspieße gehen an Wochenenden über die Theke: Der Alpenimbiss ist eine beliebte Anlaufstelle für Nachtschwärmer.

Einige Fleischspieße gehen an Wochenenden über die Theke: Der Alpenimbiss ist eine beliebte Anlaufstelle für Nachtschwärmer.

(Foto: Robert Haas)

Szenen wie diese erleben die Mitarbeiter des Alpenimbisses öfter. Der Dönerladen am Sendlinger Tor ist neben dem McDonald's am Stachus Anlaufpunkt für viele, die ihre Clubnacht schon hinter sich gebracht haben und nun noch etwas Fettiges essen wollen, damit der Kater am nächsten Tag einigermaßen aushaltbar wird. Dementsprechend ist der Zustand der Gäste des Alpenimbisses: Einem fällt beim Essen fast der halbe Döner in den Schoß, andere werden aggressiv und legen sich so grundlos mit anderen Gästen an wie die beiden Streithähne vor der Tür. In diesen Lokalitäten kommen Menschen zusammen, die sich tagsüber unter anderen Umständen wohl kaum über den Weg laufen würden. Jungs in weißen Hemden treffen auf die Obdachlosen der Innenstadt, Mädels in High-Heels auf Bettlerinnen, die die Münzen in ihren Pappbechern klappern lassen. Was erlebt man während einer Nacht zwischen all diesen verschiedenen Menschen?

Mahlzeit nach Mitternacht: Wenn nachts der Hunger kommt, ist oft Fastfood gefragt. Gesund ist das nicht, aber populär.

Wenn nachts der Hunger kommt, ist oft Fastfood gefragt. Gesund ist das nicht, aber populär.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Halb zwei Uhr morgens, vor der McDonald's-Filiale sammeln sich die ersten Gruppen. Noch wirken die meisten relativ fit und gut gelaunt, Gelächter weht über den Stachus. Dominik und Flo, der eine im weißen T-Shirt, der andere im bunten Hemd, kommen über den Platz gelaufen und fragen nach Feuer. Sie sind im "8below" gewesen, jetzt wollen sie kurz etwas essen und wieder zurück in den Club. "Auch wenn's heute nicht so gut ist", meint Dominik, 35, und fängt an, von der Clubszene in Barcelona zu erzählen. Er wohnt seit sieben Jahren in Spanien, von dort betreibt er einen Lederhosenversand, "alles made in Pakistan". Barcelona sei halt eine Urlaubsstadt, da könne man einfach viel besser feiern als in München. Und die Leute, die seien dort auch entspannter, lustiger, schöner. "Also die Weiber." Wild fliegt seine Hand mit der Zigarette beim Erzählen durch die Luft, die Glut zeichnet kleine Kreise in die Nacht. Er hat schon ein bisschen getrunken.

Dominik kommt eigentlich aus Koblenz, zum Studium ist er nach München gezogen und hat die Lederhosenfirma aufgebaut. Als das Geschäft lief, ist er nach Barcelona gezogen. "Wegen dem Wetter, verstehst du?", erklärt er zur Sicherheit noch einmal. Seinen Kumpel Flo, 22, hat er im Urlaub kennengelernt, wenn Dominik in München ist, treffen sie sich zum Feiern. Die beiden wollen wieder zurück in den Club, der Abschied fällt fast schon freundschaftlich aus. "Man sieht sich bestimmt wieder", meint Dominik noch, dann läuft er neben Flo über den Stachusbrunnen in Richtung der Diskothek, aus der sie gekommen sind.

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Vor dem Alpenimbiss ist nach der Fast-Schlägerei wieder Ruhe eingekehrt, ein Mitarbeiter hat Zeit für eine Zigarette vor dem Laden. Ob der Chef kurz zu sprechen sei? Der Mann im himmelblauen Polo grinst. "Wäre er hier, wäre er nicht der Chef." Auch wegen solcher Sätze möchte er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Bis fünf Uhr wird er heute noch arbeiten müssen, so lange hat der Alpenimbiss am Wochenende geöffnet. In guten Nächten verkauften sie hier sieben bis acht große Spieße, erzählt der Mitarbeiter, "das ist dann Stress pur". Zu fünft stehen sie hinter der Theke, einer schneidet das Fleisch vom Spieß, einer kassiert, die anderen füllen die Dönerbrote. Aber heute ist wenig los, beim Alpenimbiss spüren sie, wenn Urlaubszeit ist. Ein paar Leute sitzen an den Tischen oder auf den Stufen vor dem Laden und beißen in ihre Döner.

Die letzte Station dieser Nacht, der Pizzaladen "Puncto Pizza" in der Müllerstraße. Inhaber Sari Münür und seine Mitarbeiter verkaufen hier am Wochenende bis fünf Uhr früh. Die Nachtarbeit sei anstrengend, meint Münür, "aber am Wochenende verdient man halt". Doch auch das sei weniger geworden, in letzter Zeit kämen nachts weniger Leute. Woran das liegen könnte, weiß er nicht. Aber auch in dieser Nacht stehen vor der Bude nur noch Arthur und seine Freundin Melanie, beide mit einem Stück Pizza in der Hand. Es geht auf drei Uhr zu, außerdem hat es angefangen zu regnen. Und deshalb will auch Arthur eigentlich nur noch ins Bett. Er ist in der Kneipe gegenüber gewesen, und es ist ein bisschen später geworden als geplant. "Mit 30 schafft man das nicht mehr so lang", meint er noch. Dann stopft er sich den letzten Bissen in den Mund, verschwindet mit seiner Freundin an der Hand in Richtung Sendlinger Tor.

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