Magister an der LMU:Uni-Abschluss nach 36 Semestern

Magister an der LMU: Philosophiestudent Stefan Dörr: "Ich bin geistig jung geblieben."

Philosophiestudent Stefan Dörr: "Ich bin geistig jung geblieben."

(Foto: Catherina Hess)

Als einer der letzten Magisterstudenten Münchens macht Stefan Dörr nun seinen Abschluss in Philosophie. Vielleicht immatrikuliert er sich bald wieder.

Von Yvonne Gross

Die Vorzüge des Studentenlebens sind zahlreich: vergünstigte Tarife, bereichernde Kontakte oder schlicht das legere In-den-Tag-hinein-Leben. Bei Stefan Michael Dörr, 47, weiß man da gar nicht so recht, ob man bewundernd schmunzeln oder doch einfach nur verdutzt gucken soll. Er beendet nun - als einer der letzten Magister - nach fast 18 Jahren sein Philosophiestudium an der LMU, einem "Schlaraffenland der Geistigkeit". Zumindest vorerst.

SZ: Sie bekommen demnächst Ihr Magisterzeugnis im Fach Philosophie an der LMU München verliehen - nach 18 Jahren als immatrikulierter Student. Wie haben Sie das geschafft?

Stefan Michael Dörr: Vorweg: Ich hatte ja eigentlich keinen Schulabschluss, holte also erst den Hauptschulabschluss, dann 1995 die Mittlere Reife nach. Das Abitur habe ich dann im Juli 1999 gemacht und mich daraufhin für Germanistik immatrikuliert.

Germanistik? Aber Ihren Abschluss haben Sie nun in Philosophie gemacht?

Als ich 2010 nach zweimaliger Verlängerung endlich vor der Zwischenprüfung stand war klar: Die Scheine reichen nicht mehr aus, und ich stehe vor der Exmatrikulation.

Und dann?

Über ein Seminar in meinem Nebenfach Philosophie ergab sich dann die Lösung: Dank eines Empfehlungsschreibens meiner Dozentin war der Hauptfachwechsel möglich - obwohl das Magisterstudium zu dem Zeitpunkt bereits ein Auslaufmodell war. Nach einem Unfall im Jahr 2014 hatte ich im September 2016 meine Magisterarbeit dann angemeldet und im Juli dieses Jahres meine letzten Prüfungen hinter mich gebracht.

Waren Sie dabei die ganze Zeit Vollzeit-Student? Wie haben Sie sich das finanziert?

Mir hat es so gefallen am Haus, da kann man sich gar nicht vorstellen, das hinter sich zu lassen. Natürlich hatte ich als Student nie wirklich viel Geld. Ich habe verschiedentlich gejobbt, hatte aber auch Unterstützung durch meine Eltern, die mir Miete und Krankenkasse bezahlten. Ich rechne es ihnen hoch an, dass sie so menschlich waren, mich diesen Weg gehen zu lassen und immer an meiner Seite geblieben sind. Das rührt mich sehr.

Gab es in den Jahren schiefe Blicke von Kommilitonen?

Natürlich ist es so, dass ich in gewisser Weise aus meiner Generation herausgefallen bin. Außerdem prägt der studentische Lebensstil ja auch die Persönlichkeit - ich bin ein geistig Junggebliebener. Gleichzeitig hatte ich an der Uni aber nie Probleme, die Menschen dort sind ja offen. Grundsätzlich habe ich über die LMU nur Gutes zu sagen: Die Menschen helfen einem, ich habe nur gute Erfahrungen gemacht.

Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?

Meine älteren Geschwister standen dem Ganzen natürlich sehr kritisch gegenüber. Freunde hat das nie gestört, wobei sich mein Freundeskreis aber auch aus Leuten zusammengesetzt hat, die selbst ein freies Leben gelebt haben.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Mein Nachbar und guter Freund war in den Neunzigerjahren ein sehr gefragtes Model, heute pendelt er zwischen München und Hawaii. Ein anderer war Fotograf. Und dann gab es natürlich auch Studenten, so wie ich, die sich irgendwie so durchgeschlagen haben - mal in Indien, dann wieder in München.

Und die anderen?

Für Leute, die den klassischen Karriereweg gehen, bin ich schwerlich zu fassen.

Wie geht es nun für Sie weiter?

Jetzt muss ich kreativ sein! Auf dem klassischen Weg habe ich aufgrund meiner Biografie natürlich keinerlei Chancen mehr. Ich überlege, als Autor zu arbeiten. Ich denke, dass ich es irgendwie schaffen kann. Der Einstieg ist die Herausforderung. Aber ich mache mir natürlich keine Illusionen.

Und an der Uni bleiben ist keine Option?

Unter Umständen möchte ich gern noch promovieren, das reizt mich schon. Ich bin auch schon im Gespräch mit einem Professor, es soll um die "Prolegomena" von Kant gehen. Aber mal sehen, so etwas braucht ja zwei bis drei Jahre. Und dafür müsste ich mich im März auch erst mal wieder immatrikulieren.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Interviews war die Rede davon, dass Stefan Dörr der letzte Magisterstudent Münchens ist. Es gibt aber noch weitere Studierende im Magister; allerdings nicht alle mit einer so beeindruckend langen Studiendauer.

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