Süddeutsche Zeitung

Märkte:Händler am Viktualienmarkt: "Wir sanieren jetzt jede Hütte"

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat den Abriss des Marktes am Wiener Platz gestoppt, nun sind auch die Händler auf dem Viktualienmarkt in Hochstimmung. Dabei ist über dessen Zukunft noch gar nicht entschieden.

Von Heiner Effern und Birgit Lotze

Der ehemalige Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wollte die Zeltstädte vom Hindukusch, so seine Beschreibung der Münchner Märkte, nicht mehr sehen. Sein Nachfolger Dieter Reiter (SPD) hat nun - zunächst für den Markt am Wiener Platz - eine ganz andere Richtung eingeschlagen: Die alten Stände sollen bleiben, eine Sanierung sei möglich, auch wenn die städtischen Markthallen monatelang das Gegenteil behauptet haben.

Mit großer Spannung blicken viele nun auf die Zukunft des Viktualienmarktes, dessen Standl ebenfalls in die Jahre gekommen sind. Als Zeichen für eine Vorentscheidung könne man Reiters Haidhauser Notbremse nicht sehen, sagt seine Sprecherin. Aber eines habe der OB schon bewiesen: Dass er das gewachsene Münchner Stadtbild sehr schätze.

Auf dem Viktualienmarkt wurde am Donnerstag trotzdem schon am frühen Morgen gefeiert. "Wir sind trotz des Regens in Hochstimmung", sagte Elke Fett, die Chefin der Interessengemeinschaft der Viktualienmarkthändler (IGV). "Damit ist der Abriss auch auf dem Viktualienmarkt vom Tisch." Die Standler am Wiener Platz hätten den Kopf hinhalten müssen, sie seien die Vorreiter gewesen, sagt sie. "In Haidhausen sollte die Generalprobe passieren. Und dann wollten sie uns abreißen."

Glas statt Planen, mehr Plastik statt Holz - alles sollte hygienischer werden. Mehr Platz für Kühlflächen, Lagerhaltung und für Toiletten hatte das Kommunalreferat für die Märkte gefordert. Von malerischen Ensembles ist auf den Plänen für die vier festen Münchner Märkte - Elisabethmarkt, Pasinger Viktualienmarkt, Markt am Wiener Platz und Viktualienmarkt - denn auch nichts zu sehen. Eher wirken die Stände wie in Hallen oder in Garagen zusammengefasst, stets gleichförmig angeordnet - am Wiener Platz im ersten Entwurf in der Form eines Ufos, auch darüber schimpften Händler und Anwohner.

Im Kommunalreferat, das für die Markthallen zuständig ist, sieht man es nicht so, dass der OB seinem Referenten in den Rücken gefallen wäre. Er sei froh über die Unterstützung, sagte Kommunalreferent Axel Markwardt. Die Marktstände könnten nun so weit wie möglich in ihrer jetzigen Struktur erhalten bleiben. Das Kommunalreferat habe den Komplett-Abriss des Marktes am Wiener Platz nicht gewünscht, "wir wollten ihn nie plattmachen". Das Kreisverwaltungsreferat habe "überzogene Forderungen" gestellt. Zum Viktualienmarkt wolle man noch keine Entscheidungen treffen, schon gar keine Pflöcke einrammen. Ende des Jahres wolle das Referat über die weiteren Entwicklungen informieren.

Die politische Kehrtwende sei vor etwa drei Wochen eingeleitet worden, vermutet Elke Fett. Auf einer Sitzung des Bezirksausschusses Haidhausen sei erstmals der Vertreter der Münchner Markthallen unvermittelt alleine dagestanden - nicht nur gegen die Unterstützer der alten Marktstandl, sondern auch gegen seine Kollegen aus den anderen Referaten. Er habe als einziger von Abriss gesprochen. Alle anderen Dienststellen hätten deutlich gemäßigtere Worte gefunden.

Fast sechs Jahre hätten die Standlbetreiber gekämpft, sagt die Marktsprecherin. Begonnen habe alles mit einem Gutachten, der TÜV Rheinland habe den Abriss empfohlen. Bislang habe die Stadt München sich kaum stark gemacht, das Lebensgefühl und den Charme des Markts zu erhalten. Dass der Viktualienmarkt einzigartig sei, bewiesen die vielen Touristen und Einheimischen, die dort einkauften. Derzeit wird auch geprüft, ob der Viktualienmarkt als Weltkulturerbe in Deutschland gelte. Und wie geht's weiter? "Wir sanieren jetzt jede Hütte", sagt Elke Fett.

Für die beiden Sanierungsprojekte in Schwabing und in Pasing sehen die Markthallen keinen Bedarf, von den ursprünglichen Plänen abzugehen. Die Planungen seien unter großer Zustimmung der Händler und der Bezirksausschüsse abgelaufen.

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SZ vom 10.06.2016/axi
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