Männer im Rock:"Die Blicke nehme ich kaum mehr wahr"

Ben Neudek trägt lieber Rock statt Hose. Der Münchner spricht darüber, warum er sich im Rock wohler fühlt und welche Schimpfwörter er zu hören bekommt.

Lisa Sonnabend

Ben Neudek trägt gerne Rock. Vor sechs Jahren hat er in München einen Männerrockstammtisch gegründet. Neudek ist 37 Jahre alt und arbeitet als Erzieher in einer Behinderteneinrichtung.

sueddeutsche.de: Seit wann tragen Sie Rock, Herr Neudek?

Ben Neudek: Ich stieß vor etwa zehn Jahren im Internet auf das deutsche Männerrockforum, das weckte meine Neugier. Das erste Mal zog ich mir dann im Jahr 2000 einen Rock an, allerdings nur im Privaten. Mit meiner Freundin ging ich kurze Zeit später zu Karstadt, obwohl sie von der Aktion natürlich nicht so begeistert war. Nach ewigem Suchen habe ich dann ein passendes Stück gefunden: einen langen, schwarzen Mikrofaser-Rock.

sueddeutsche.de: Hat es Überwindung gekostet, das erste Mal im Rock in die Öffentlichkeit zu gehen?

Neudek: Ich habe mich erst einmal Freunden im Rock gezeigt - und die haben gemeint: "Das ist tragbar, das kannst du anziehen!" Inzwischen trage ich überall Rock - in der Arbeit oder auf Hochzeiten. Nur auf Beerdigungen würde ich nicht im Rock gehen.

sueddeutsche.de: Warum fühlen Sie sich in Röcken wohler als in Hosen?

Neudek: Man hat unten herum mehr Spielraum, es ist nicht so einengend. Gerade im Sommer ist es sehr angenehm, wenn ein bisschen Wind unten herumweht - und man sich nicht in eine Hose quetschen muss. Mit Rock schwitzt man auch nicht so schnell.

sueddeutsche.de: Finden Sie sich auch attraktiver im Rock?

Neudek: Ja, das Rocktragen hat bei mir schon mit Eitelkeit zu tun, sonst würde ich es nicht machen. Wichtig ist aber vor allem, dass man sich in seiner Kleidung wohl fühlt. Das strahlt man auch von innen aus.

sueddeutsche.de: Wie unterscheiden sich Männerröcke von Frauenröcken?

Neudek: Für viele Männer ist es wichtig, dass der Reißverschluss rechtsrum ist. Männerrock-Designer achten auch darauf, dass der Rock dem Schritt des Mannes gerecht wird. Also eher A-förmig konzipiert ist.

sueddeutsche.de: Wie viele Röcke haben Sie?

Neudek: Rund 30. Davon habe ich sicherlich 80 Prozent aus der Damenabteilung gefischt. Ich habe das Glück, dass ich in Größe 42 passe. Da gibt es eine recht gute Auswahl. Oft ist mir die Damenmode allerdings zu verschnörkelt, Rüschen- oder Blumenmuster mag ich nicht. Ob pink oder schwarz, kurz oder lang - da bin ich hingegen ganz offen.

sueddeutsche.de: Wo stößt man auf spezielle Männerröcke?

Als "Schwuchtel" beschimpft

Neudek: Ich kaufe meist übers Internet. Es gibt zum Beispiel das Münchner Designduo AndersLandinger, das tolle Teile herstellt. In Kaufhäusern ist dagegen gar nichts zu finden.

sueddeutsche.de: In München sieht man auf der Straße so gut wie nie einen Mann im Rock...

Neudek: München ist ein schwieriges Pflaster, was Mode betrifft. Die Stadt ist sehr langweilig und konservativ. Wenn man nach Berlin geht, sieht man zwar auch nicht viele Männer in Röcken, aber da ist modemäßig viel mehr los - und damit auch viel mehr erlaubt.

sueddeutsche.de: Wie reagieren die Münchner, wenn Sie im Rock auftauchen?

Neudek: Einige finden es stark, andere weniger. Viele sind verunsichert, weil sie wahrscheinlich zum ersten Mal einen Mann im Rock sehen. Man merkt dann, wie es in den Köpfen rattert. Aber sie trauen sich fast nie die Frage zu stellen: "Warum tragen Sie Rock?" Das finde ich schade. Viel öfter hört man leider Schimpfwörter wie "Schwuchtel".

sueddeutsche.de: Stört Sie das nicht immens?

Neudek: Ich habe mich entschlossen, mein Ding durchzuziehen - und das mache ich auch. Die Blicke nehme ich inzwischen kaum mehr wahr. Wenn ich mit anderen unterwegs bin, sagen die oft zu mir: "Die Leute schauen schon komisch." München ist zum Glück recht liberal, in Bautzen beispielsweise würde ich mich nicht trauen, im Rock herumzulaufen.

sueddeutsche.de: Dabei haben sogar schon die alten Römer eine Art Kleid getragen: die Toga...

Neudek: Genau, der Männerrock ist ein historisches Gewand. Allerdings wurde es irgendwann von der Hose verdrängt, weil dieses Beinkleid natürlich in vielen Dingen praktischer ist. In einem Rock zu reiten, ist eher schwierig.

sueddeutsche.de: Auf Modeschauen werden inzwischen gelegentlich Männerröcke gezeigt. Wird es irgendwann genauso viele Männer in Röcken geben wie Frauen?

Neudek: Das glaube ich nicht. Das liegt sicherlich auch daran, dass Männer desinteressierter an Mode sind als Frauen. Sie kommen gar nicht auf die Idee, einen Rock anzuziehen. Ich beobachte auch, dass es immer weniger Männer in Röcken gibt. Zu unserem Stammtisch kommen meist nur noch vier oder fünf Rockträger. In der Stadt sehe ich zwar ab und zu einen, den ich noch nicht kenne, aber vor einigen Jahren war deutlich mehr los.

sueddeutsche.de: Woran liegt das?

Neudek: Wir haben seit Ausbruch der Finanzkrise ein Klima, in dem sich die Leute weniger trauen. Aus Angst um den Arbeitsplatz sind sie angepasster geworden.

Informationen zum Münchner Männerrockstammtisch gibt es hier.

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