"Made in Munich":Die fetten Jahre fangen erst an

Nach einer Durststrecke entdeckt die Filmbranche in München nun den Aufwärtstrend. Und auch Hollywood lässt grüßen.

Claudia Fischer

München galt seit dem Ende des zweiten Weltkriegs als Filmmetropole. Viele ließen sich von seiner glitzernden Film- und Fernsehwelt anziehen. Legendär die Bussi-Gesellschaft, die sogar ihrerseits Protagonist in so mancher Dietl-Verfilmung wurde.

"Made in Munich": Regisseur Marc Rothemund und Sophie-Scholl-Darstellerin Julia Jentsch mit dem Europäischen Filmpreis.

Regisseur Marc Rothemund und Sophie-Scholl-Darstellerin Julia Jentsch mit dem Europäischen Filmpreis.

(Foto: Foto: Reuters)

Doch mit dem Börsencrash kam der Schock: Die fetten Jahre seien nun vorbei, hieß es. Eine Insolvenz jagte die andere, die Kirch-Pleite riss wie die Titanic viele Firmen in die Tiefen des Konjunkturtals. Produktionsfirmen wanderten ab, Filmschaffende wurden arbeitslos. Nach Jahren des Wachstums brachte das Jahr 2001 erstmals einen Umsatzrückgang. Eine Zeit lang schien es, als müsse München von seinem Ruf als Filmstadt Abschied nehmen.

Doch langsam scheint sich die Branche wieder hochzurappeln. Für überschäumenden Optimismus sei es zwar noch zu früh, so Sandra Goldschmidt, Projektmanagerin von connexx.av, einem Projekt von ver.di. "In der letzten Zeit standen wieder viele Münchner Filmschaffende in Beschäftigung. Ich habe den Eindruck, es ist noch kein Boom, aber die Situation wird besser."

Wird also München seinem Ruf als Medienmetropole wieder gerecht? Zumindest zeigt sich Licht am Horizont. Der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien, Wolf-Dieter Ring, sah schon Anfang 2004 deutliche Signale amerikanischer Unternehmen, stärker nach München zu drängen.

Mehr Dreharbeiten in München und Umgebung

Grund dafür war seiner Ansicht nach das Engagement des US-Milliardärs Haim Saban, der Deutschlands größte Senderkette ProSiebenSat.1 übernommen hat. Das habe Firmen aus Übersee das Tor geöffnet, die zuvor nur über das Kirch-Imperium Kontakt zum deutschen Markt hatten. Ring sollte Recht behalten.

Anja Metzger vom FilmFernsehFonds Bayern kann amerikanische Filmaktivitäten in der Landeshauptstadt inzwischen nur bestätigen. "Amerikanische Produktionsfirmen drehen zwar in Tschechien, weil dort die Studios günstiger sind, die Postproduktion aber findet in München statt."

Die Ausstattung von Hollywood-Schinken wie "Herr der Ringe" oder "Munich", in diesem Fall wohl Nomen est Omen, wurde vollständig in München abgewickelt. Dass "made in Munich" immer noch ein gutes Zertifikat ist, finden Anja Metzger zufolge generell wieder mehr Film- und Fernsehproduktionen.

Sie verlegen Dreharbeiten vermehrt nach München oder Umgebung und sorgen damit, ein erfreulicher Nebeneffekt, bei der einheimischen Wirtschaft für Umsatz. Sie profitieren in München von einer, so Metzger, "hervorragenden Infrastruktur". "Vom Dienstleister bis hin zum Casting findet der Produzent hier alles. Die Wege sind kurz und überschaubar."

Zahl der freien Mitarbeiter mehr als verdoppelt

Filme wie "Sophie Scholl", "Der Untergang", "Das Parfüm" oder "Ich bin die Andere" zeugen davon, dass München als Drehort wieder gefragt ist. Insgesamt machen in München gedrehte Film- und TV-Produktionen rund 23 Prozent des Gesamtvolumens der Branche aus.

Die fetten Jahre fangen erst an

Ein Positivtrend zeigt sich auch für die Filmschaffenden. Die Zahl der Arbeitsplätze in München ist laut der aktuellen IHK-Studie zur Informations- und Kommunikationswirtschaft am Standort München im Vergleich zum Stand vor fünf Jahren um die Hälfte auf 187000 gestiegen. Allerdings hätten sich dabei die Gewichte in Richtung freier Mitarbeit verschoben, so Reinhard Dörfler von der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern.

Während die Zahl der Festangestellten nur um 14 Prozent stieg, hätten sich die freien Mitarbeiter mehr als verdoppelt. Was für Filmschaffende generell nichts Neues ist. Wer beim Film arbeitet, ist es gewöhnt, für ein Engagement fest angestellt und anschließend wieder in die freie Mitarbeiterschaft entlassen zu werden.

Generell sei die Informations- und Kommunikationswirtschaft in München wieder auf Wachstumskurs, meldet die IHK-Studie. Angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und des konjunkturellen Umfeldes nennt IHK-Hauptgeschäftsführer Reinhard Dörfler es "erstaunlich", dass die Branche sogar schon im Jahr 2003 um die neun Milliarden Euro investiert habe.

Medienbranche optimistisch

Trotz der aktuellen Krise und dem vielbeschworenen Niedergang des Kinos wird die Medienbranche und damit ihr Teilbereich Filmwirtschaft immer noch als einer der zukunftsträchtigsten Wirtschaftsbereiche gesehen. Dafür sorgen zum einen die sich rasant entwickelnden Informationstechnologien - die aber in letzter Konsequenz den Niedergang des guten alten Lichtspieltheaters begünstigen. Zum anderen entwickelt sich der Informations- und Unterhaltungssektor zu einem Nimmersatt, dem man nicht genug Futter in den Rachen werfen kann - wovon die Filmwirtschaft dann wiederum profitiert.

Und wie schätzen diejenigen, die unmittelbar betroffen sind, die Zukunft Münchens als Medienstandort ein? Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young zeigten sich die Münchner Unternehmen im Gegensatz zu ihren Kollegen in Köln und Berlin schon im vergangenen Jahr optimistisch.

Schon 2004 waren sie der Ansicht, dass die Krise überwunden sei und erwarteten steigende Umsätze. Und das, obwohl es für übergroßen Optimismus auch damals noch gar keinen Grund gab, denn ebenfalls im Gegensatz zu Unternehmen in Köln und Berlin hielten sich in München die Unternehmen mit steigenden und sinkenden Umsätzen die Waage.

Abzuwarten bleibt, wie sich die Filmstadt München 2006 entwickelt. Bei einem Hollywood-Film, der nach ihr benannt ist, kann es eigentlich nur aufwärts gehen.

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