Cirque nouveau:Zirkus-Ballett

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Artistik in Galeriekulisse: "Machine de Cirque" in ihrem neuen Programm. (Foto: L.-W. Théberge)

Das nächste grandiose "Machine de Cirque"-Programm auf Tollwood.

Von Oliver Hochkeppel

Wer vor der Deutschland-Premiere des zweiten Streichs "La Galerie" auf Tollwood in den Wochen zuvor (oder auch noch früher andernorts) schon das für die Kompagnie namensgebende Gründungsprogramm "Machine de Cirque" gesehen hatte, kam um einen Vergleich nicht herum. Hat die wie ihre berühmten Kollegen vom Cirque de Soleil aus dem kanadischen Montreal stammende Truppe damit doch neue Maßstäbe für das Cirque-Nouveau-Genre gesetzt. So gleichberechtigt und homogen hat noch niemand Bühnenbild, Musik, Artistik, Theater und Komik für eine Geschichte ineinandergeschraubt.

Was bei La Galerie noch um die Faktoren Kunst und Licht gesteigert wird. Der sterile, monochrom weiße Prototyp einer modernen Kunstgalerie liefert eine doppelte Vorlage: Für ein Stück über den Kunstbetrieb, in dem selbst Kunst entsteht. So geht es mit dem Klischee des langweiligen Vernissagen-Rumgestehe los, in das dann buchstäblich Bewegung kommt. Absperrbänder, Podeste und Bänke werden ebenso zum Instrumentarium für grandiose Hochleistungsartistik wie die, wie sich später zeigt, dreiteilige multifunktionale Galerie-Rückwand.

Wenn das Ausstellungsfest aus dem Ruder läuft

Man erlebt eine Versteigerung, ein aus dem Ruder laufendes Ausstellungsfest, bei dem es (passend zum Holger-Stromberg-Menü im Zelt) sehr viel ums Essen geht, ein mit der Dunkelheit arbeitendes Zwischenspiel à la "Eine Nacht im Museum". Alles läuft aufs große Finale zu, in dem dann in einer Art Bodenturnen-Body-Action-Painting ebenfalls buchstäblich Farbe ins Spiel kommt und tatsächlich ein Bild entsteht.

Umwerfend sind wieder die Ideen, wie etwa Schleuderbrett- oder Rhönrad-Nummern sinnvoll in die Handlung einbaut werden; überwältigend die Choreografien, die jeden der acht Akteure über weite Strecken so individuell beschäftigen und zugleich zueinanderführen, dass man überhaupt nur Teile des Geschehens erfassen kann; grandios die Einbindung der Saxofonistin, Sängerin und Sprecherin Lyne Goulet ins artistische Geschehen.

Insgesamt ist "La Galerie" vielleicht weniger spektakulär, tempogeladen und lustig als sein Vorgänger, dafür aber poetischer, theatralischer und konkreter. Ein Zirkus-Ballett für alle Sinne. Oder um es mit einem Film-Vergleich auszudrücken: Wenn der "Cirque de Soleil" inzwischen der Disney-Konzern des Cirque Nouveau ist, dann ist "Machine de Cirque" die Arthouse-Variante (noch bis Silvester).

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