Macher in der Münchner Gesellschaft:Raus aus dem Blitzlicht

Macher in der Münchner Gesellschaft: Für manche Vertreter der Gesellschaft ist die Aufmerksamkeit der Fotografen essenziell, für andere ein Graus.

Für manche Vertreter der Gesellschaft ist die Aufmerksamkeit der Fotografen essenziell, für andere ein Graus.

(Foto: Robert Haas)

Die Münchner Gesellschaft, eine Ansammlung von Adabeis, Möchtegerns und Wichtigtuern? Der traditionelle Promibetrieb der Stadt treibt zum Teil merkwürdige Blüten, die wirklich Wichtigen der Szene zeigen sich allerdings nur bei ausgewählten Veranstaltungen.

Von Stephan Handel

Bei Nina Ruge weihnachtet's schon. Schuhbeck serviert jetzt Weißwurst mit Thaicurry. Ralf Bauer gesteht Facebook-Flirts. Uschi Glas hat schon für Nikolaus gestrickt. Sandra Ahrabian war eine Stunde im Lift gefangen. Sandra wer?

Das sind Schlagzeilen, die Münchner Zeitungen in den vergangenen paar Wochen gedruckt haben, und weil über den entsprechenden Seiten Rubriken stehen wie "Leute", "Gesellschaft" oder mindestens "München", muss es das wohl sein: die Society.

Die Wichtigen, die Promis, die VIPs. Die unser aller Sehnsüchte bündeln, den Wunsch nach einem Leben, das irgendwie aufregender, glamouröser, lebenswerter ist als das eigene, und sei es nur durch den Stromausfall in einem Aufzug, an dessen Ende die Gerettete - die übrigens im Nachmittagsfernsehen Zeug wegmoderiert - ihren Rettern durch eine Umarmung dankte, wobei nicht ganz klar ist, ob die drei Feuerwehrleute das tatsächlich für ein Privileg und ein Erlebnis genommen haben.

Ist die Schickeria tot?

Die Schickeria ist tot, hat Michael Käfer verkündet vor etwa einem Jahr, und in regelmäßigen Abständen findet sich der eine oder andere ältere Herr, der wie der Ur-Klatschreporter Michael Graeter das selbe vor sich hin grantelt: Die Schickeria ist tot, zumindest war früher alles besser. Man kann diese These weiterdenken und kommt dann zu dem Ergebnis: Die Schickeria ist nicht gestorben, sie hat ihren eigenen Selbstmord nur vorgetäuscht. Um ihre Ruhe zu haben.

Der Beginn des Niedergangs der einst bundesweit berühmten Münchner Bussi-Gesellschaft fällt ziemlich genau zusammen mit dem Start des Privatfernsehens in Deutschland, das war Mitte der Achtzigerjahre. Das neue Medium benötigte zweierlei: zum einen Bilder, Bilder, Bilder - zum anderen eigene Stars. So wurde noch die drögeste Veranstaltung für sendefähig erklärt, und gleichzeitig wurden so genannte Prominente produziert, deren Prominenz sich in erster Linie daraus speiste, dass sie in einer Vorabendserie den Satz "Hubert, ich liebe ihn immer noch" unfallfrei aufsagen konnten.

Diesen Trend bemerkten bald jene, die sich professionell mit der Erzeugung von Aufmerksamkeit beschäftigen, die PR-Agenturen und Event-Veranstalter: Ein Ereignis, das nicht im Fernsehen vorkam, hatte praktisch nicht stattgefunden, das Fernsehen kam immer dann, wenn die Gästeliste etwas Lustiges, Skurriles, Abgedrehtes versprach - und so buchte bald schon jeder Pizzabäcker zur Eröffnung seiner Klitsche zwei gewesene Next Topmodels. So konnte er sicher sein, dass er zumindest kurzfristig zum "Promi-Wirt" befördert werden würde, auch wenn sich schon eine Woche später nur noch die F-Jugend des benachbarten Fußballclubs ihre Margherita bei ihm reinzog.

Zum Automatismus des Handwerks gehört, dass bald auch die Zeitungen sich wandelten: Was im Fernsehen kam, das musste ja wohl auch relevant, also berichtenswert sein, und was zunächst noch unter dem Deckmantel der Ironie ins Blatt gerückt wurde, übernahm bald schon die Majorität auf den Klatschseiten.

Berühmt für's berühmt sein

Muss man erwähnen, dass bald schon Leute anfingen, sich dieser Ökonomie der Aufmerksamkeit zu bedienen, der mittlerweile notorische Fall der Menschen, die "fürs Berühmtsein berühmt sind"? Die also noch nie irgendetwas Bedeutendes vollbracht haben, die aber immer gut sind für einen Busenblitzer, ein überraschendes so genanntes Bekenntnis, einen neuen Freund, über dessen Vorhandensein die Stadt und der Weltkreis dringend informiert werden müssen?

Langbeinige Blondinen bleiben eine ausreichend lange Zeit mit einem wahlweise reichen, prominenten oder gut aussehenden Mann verheiratet und entdecken sofort nach der Scheidung ihre Leidenschaft fürs T-Shirt-Design, was der news-süchtige People-Journalismus sofort zur Sensation erhebt, denn darunter geht's ja auch nicht mehr - jede noch so banale Nachricht braucht einen Superlativ, so erregt ist die Branche, dass nur noch die wildesten Spitzen herausragen, und wenn da gar nichts ist, das ragen würde, dann wird es ragend gemacht.

Promi-Kategorie? "C"

Mittlerweile reicht das Alphabet nicht mehr aus, um die Wertigkeit dieser "Prominenten" nach unten hin abzustufen. Boris Becker war mal ein echter A-Promi, ist aber mittlerweile durch eigene Blödheit ziemlich zurückgefallen, irgendetwas zwischen B und C. Diesen Status kann Lothar Matthäus gerade noch halten, wenn er aber noch einmal ein 20-jähriges kroatisches Unterwäsche-Model heiratet, dann wird das D an ihm kleben für alle Zeiten.

Und sogar Menschen, die sich eigentlich durch Stil und Klasse auszeichnen könnten, vergessen sich manchmal, zu ihrem eigenen Schaden: Jenes Wiesn-Foto, auf dem sich Vicky Leandros die Füße küssen und mit Champagner übergießen lässt, hat viel Image-Arbeit zunichte gemacht. Seitdem ist die Sängerin vorsichtig mit und bei ihren öffentlichen Auftritten.

Die Schickeria 2013 - eine Ansammlung von Adabeis, Möchtegerns und Wichtigtuern also. Es ist ja aber nicht so, dass in den vergangenen 20 Jahren alle interessanten Menschen München unwiederbringlich verlassen hätten, im Gegenteil: Wem Berlin zu vulgär und Hamburg zu steif ist, der hat in Deutschland wenig Alternativen zu München. Wenn man aber davon ausgeht, dass auch diese Leute ab und zu gerne mit einem Glas Champagner in der Hand rituell herumstehen, dann stellt sich natürlich die Frage: Wo - und wann - tun sie das?

Wo steckt die echte Münchner Society?

Die Antwort ist recht einfach: Sie tun das immer dann, wenn eben keine Kamera dabei ist und keine Klatschreporterin, die unbedingt über die aktuellen Liebesdinge auf stand gebracht werden will. Die echte Münchner Society zeichnet sich mittlerweile dadurch aus, dass sie - meistens - diskret ist, unter sich bleiben und eher nicht in die Medien will, schon gar nicht ins Privatfernsehen.

Das trifft sich glücklicherweise meistens gut mit den Interessen der Medien; gescheite Menschen, die sich gut gekleidet und gesittet über interessante Themen unterhalten und wenig geneigt sind, ihr Innerstes nach außen und in die Notizblöcke zu kehren, stellen für die Aufregungsberichterstattung keine große Verlockung dar.

Ohne großes Bohei findet sich diese Gesellschaft bei jeder Premiere in der Staatsoper. Sie findet sich beim Freundeskreis der Pinakotheken, und wenn dort Bilder versteigert werden, um andere Bilder ankaufen zu können, dann lässt sich beobachten, dass Geist, Geld und Bürgersinn sehr wohl eine Verbindung eingehen können. Sie findet sich bei den Vernissagen von Bernheimer, beim Sommerempfang von Helmut Röschinger und bei so manchem Fest im Starnberger Yachtclub, dessen Vorbereitungen so geheim ablaufen wie Einsätze der Navy Seals, immer von der Angst begleitet, jemand könnte etwas mitbekommen und das Entre-nous an die Öffentlichkeit zerren.

Für Klatschreporter zu wenig glitzy

Dann gibt es zum Beispiel einen so unspektakulär klingenden Event wie eine Einladung des Malteser Hilfsdienstes für sein Kinderhospiz. Den Klatschreportern erscheint das natürlich viel zu wenig glitzy, und sie wissen auch nicht, dass die Malteser-Chefin die Gräfin Ballestrem ist, so dass plötzlich der gesamte bayerische Adel für einen Abend in München versammelt ist. Dem ist das allerdings ganz recht, denn auch er bleibt heutzutage lieber unter sich; die Zeiten, als Poldi nicht nur der Prinz von Bayern, sondern auch der Leopoldstraße war, sind lange vorbei.

So existieren in München zwei Schickerias, zwei Societys nebeneinander: Die laute, aufgeregte, hyperventilierende und extrovertierte, die sich auf jedem roten Teppich verrenkt und bei Bedarf Bein, Busen oder Seele freilegt für eine Erwähnung in den Klatschspalten der Boulevardzeitungen.

Und die andere, die leise, stilvolle, diskrete, die lieber unter sich bleibt und nichts schlimmer findet, als ungefragt ins Licht gezerrt zu werden. Ihre Mitglieder mögen immer noch jene sein, die früher die Schickeria gebildet haben. Sie sind aber erstens natürlich alle älter geworden. Und zweitens haben sie damals, vor gut 20 Jahren, diese Schickeria sterben lassen, damit sie nun ihre Ruhe haben.

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