Macher in der Gastronomie:Spitzenköche und Geldadel

Spitzenköche kochen für guten Zweck in München, 2013

Eckart Witzigmann (r.) und Martin Fauster kochen für einen guten Zweck.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sterneköche, Wiesnwirte, Ideengeber: Die Münchner Gastronomie ist so vielseitig wie nie zuvor. Aber vom schönen Schein allein wird man nicht satt - die Zahlen müssen auch stimmen. Und wer die Rechnung ohne die Brauereien macht, kann zusperren.

Von Franz Kotteder

Essen und Trinken sind immer ein Spiegel der Gesellschaft, das ist auch in München so. Und weil die Gesellschaft hier ein bisschen anders ist als anderswo, ist es auch der Spiegel.

Zum Beispiel hat er hier noch einen schönen, alten Barockrahmen. Und die handelnden Akteure lassen sich unterteilen in den klassischen Hochadel, den Geldadel und die Emporkömmlinge, schließlich noch den Plebs. Letzterer besteht in München wie anderswo auch aus den üblichen Fastfood-Ketten und Pizza-Lieferdiensten, regionaltypisch ergänzt durch Leberkässemmeln und Butterbrezen. Hier wird, ganz klar, viel Geld verdient.

Die Burgerbrater McDonald's und Burger King, die beide ihre Deutschlandzentrale in München haben, setzen zusammen 4,1 Milliarden Euro pro Jahr um und belegen die ersten beiden Plätze im deutschlandweiten Ranking der größten Gastro-Unternehmen. Was die Leberkässemmel angeht: Vinzenzmurr findet sich immerhin auf Platz 47, mit einem Umsatz von 48,4 Millionen Euro.

Witzigmann ist und bleibt "der Chef"

Aber wo käme man hin, wenn man immer nur über Geld redete, gerade in München? Der kulinarische Hochadel definiert sich sowieso über ganz andere Kriterien. Es gibt hier zum Beispiel, ähnlich wie im Fußball, einen Kaiser. Der Beckenbauer der Küche heißt Eckart Witzigmann. Es gibt kaum einen Spitzenkoch in der Stadt, der ihn nicht aufrichtig ehrfürchtig "den Chef" nennt. Viele Stars am Kochlöffel haben bei ihm gelernt, im Tantris oder in der Aubergine.

Der 72-jährige gebürtige Österreicher war einer der ersten Drei-Sterne-Köche außerhalb Frankreichs und wurde vom Gastroführer Gault Millau zum "Jahrhundertkoch" ernannt, neben ihm gibt es nur noch drei andere. Witzigmann ist einer der Erfinder des deutschen Küchenwunders in den Siebziger- und Achtzigerjahren, aber er steht längst nicht mehr am Herd eines Restaurants - außer vielleicht dann, wenn es bei einem "Finale dahoam" in der Fußballarena VIPs zu bekochen gilt. Nach wie vor berät er andere, entwirft Gastro-Konzepte und ist bestens vernetzt in der internationalen Szene. "Er weiß fast immer alles als Erster", sagt einer, der ihn schon lange kennt.

Vor 20 oder gar 30 Jahren konnte es leicht einmal passieren, dass man in einem Münchner Restaurant richtig schlecht bekocht wurde. Dass das heute kaum noch der Fall ist, liegt sicher auch an Witzigmann und seinen Kollegen Heinz Winkler und Otto Koch, die die gehobene Gastronomie in München erst so richtig bekannt machten und dadurch auch das allgemeine Niveau der Küche hoben.

Und heute haben Köche wie Hans Haas (Tantris) und Diethard Urbansky (Dallmayr) oder auch Martin Fauster (Königshof) und Bobby Bräuer (Ess Zimmer) einen Ruf wie Donnerhall. Sie gehören zweifellos zum kulinarischen Adel der Stadt. Aber haben sie auch Einfluss? Oder ist die Sternegastronomie nicht vielmehr ein höchst aufreibender Knochenjob, bei dem Aufwand und (finanzieller) Ertrag eigentlich in keinem Verhältnis mehr stehen?

Wo Macht und Einfluss liegen

Tatsächlich liegen Macht und Einfluss eigentlich woanders: bei den Arbeitgebern der Spitzenköche. Da sind zum Beispiel die Luxushotels zu nennen, allen voran der Königshof. Die Hoteliersfamilie Geisel setzt seit jeher auf gehobene Gastronomie im Stammhaus, hat vor knapp zwei Jahren aber auch ein Experiment in Schwabing begonnen. Im dortigen Werneckhof kocht inzwischen das Eigengewächs Tohru Nakamura. Der 30-Jährige ist gebürtiger Münchner und hat im Königshof gelernt. Viele sagen, er biete derzeit die innovativste Küche der Stadt an. Hier sei sonst ja nicht gerade die Avantgarde zu Hause, sondern die Fortsetzung der Tradition, wenngleich auf sehr hohem Niveau.

Wie zum Beispiel im Hause Dallmayr, zu dem ja auch der Spiegel im Barockrahmen trefflich passt, oder selbst im Hotel Bayerischer Hof, dessen Chefin Innegrit Volkhardt sich mit Steffen Mezger einen Sternekoch leistet. Das Hotel Vier Jahreszeiten hat inzwischen begriffen, dass es nachziehen muss und im März den deutschen Starkoch Dieter Müller verpflichtet, der von Mitte kommenden Jahres an die Küchenbrigade an der Maximilianstraße instruieren soll.

Man leistet sich den Sternekoch

Noch wesentlich einflussreicher dürfte freilich das Unternehmen Feinkost Käfer sein, und das seit Jahrzehnten. Nicht nur wegen der guten Vernetzung zu Wirtschaft und Politik, sondern auch wegen der Ausbildung in den diversen gastronomischen Betrieben des Hauses - vom Catering bis hin zum Gourmetrestaurant. Viele, die heute einen Namen haben in der gehobenen Gastronomie, haben ihr Handwerk bei Käfer gelernt. Und nicht zuletzt ist die Käfer-Gruppe eines der umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands.

Womit wir schon beim Geldadel wären. Die Bezeichnung ist ein bisschen ungerecht, denn die Wiesnwirte zählen ja eigentlich zum originären Münchner Adel: "Blaues Blut" in des Wortes wahrster Bedeutung. Ganz vorne mit dabei ist da die Kuffler-Gruppe um den Patron Roland Kuffler, der seine Firma - unter anderem mit Weinzelt, Spatenhaus, Mangostin und neuerdings Kuffler California Kitchen - zum größten familiengeführten Gastro-Unternehmen Deutschlands gemacht hat. Seinem Einfluss in der Stadt ist es möglicherweise nicht abträglich, dass zu seinen Freunden auch Oberbürgermeister Christian Ude zählt.

Und natürlich haben Wiesnwirte schon durch ihre Finanzkraft Einfluss in München; die meisten von ihnen machen mit ihren diversen gastronomischen Betrieben mindestens 20 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Noch wichtiger sind vielleicht noch die Brauereien - ganz einfach deshalb, weil die meisten Lokale ja von ihnen verpachtet werden und sie über die Pacht nicht nur die Getränkepreise, sondern auch das Speisenangebot zumindest indirekt beeinflussen. Anders ausgedrückt: Wenn der Wirt die Rechnung ohne die Brauerei macht, kann er zusperren.

Neue Konzepte für neue Kundschaft

Irgendwo zwischen Geldadel und den Emporkömmlingen sind dann jene angesiedelt, die mit raffinierten und abwechslungsreichen Konzepten neue Kundschaft gewinnen können. Etwa die Gruppe um Marc Uebelherr, Simi Berst und Ulli Springer, die mittlerweile zehn Lokale vom Steakhaus bis zum Fischlokal betreibt, oder das Duo Rudi Kull und Albert Weinzierl mit acht sehr unterschiedlichen Restaurants mit unverwechselbarer Note. Sowohl Uebelherr als auch Kull recherchieren in der ganzen Welt neue Gastrokonzepte, die sie dann in München umsetzen. Damit setzen sie Trends, die die Stadt und ihre Szene neu beleben.

Eigentlich würde man sich das ja eher von der Partykultur erwarten, vom Nachtleben also. Gerade hier aber ist eine merkwürdige Entwicklung zu beobachten. Besonders die Partymacher im fortgeschrittenen Alter, die in den Neunzigerjahren mit Tanzveranstaltungen sowie umfangreichem Bier- und Limesausschank nachgerade stinkreich geworden sind, steigen jetzt in die klassische Gastronomie ein.

Matthias Scheffel etwa, einer der cleversten Strippenzieher in der Münchner Clubszene, eröffnete im ehemaligen Filmcasino ein kalifornisches Restaurant, sein gelegentlicher Geschäftspartner Constantin Wahl gar ein bayerisches Wirtshaus im Tal. Man lernt daraus: Geld allein macht nicht glücklich, es braucht zum Spiegel schon auch einen schönen Barockrahmen.

Zumindest in München.

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