TSV Maccabi München:Rote Karte für Antisemiten – Justiz und jüdischer Sportverband kooperieren

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Nach der Terror-Attacke der Hamas vor einem Jahr überwachte die Polizei ein Spiel der E-Jugend des TSV Maccabi München gegen den FC Türk Sport Garching (Archivbild). (Foto: Leonhard Simon)

Ein heißer Draht zwischen den Vereinen und der Münchner Generalstaatsanwaltschaft soll die Sicherheit verbessern. Und das ist laut Sportfunktionären auch dringend nötig.

Von Martin Bernstein

Der Sportplatz – ein Ort des Miteinanders, der Toleranz und des Fair Play. So stellen es Vereine, Verbände und Politik gerne dar. Oft mag das stimmen. Doch manchmal erleben Sportlerinnen und Sportler auch ganz anderes. Vor allem dann, wenn sie auf ihrem Trikot das Symbol ihres Münchner Klubs TSV Maccabi tragen.

„Ihr Juden habt das mit Corona gemacht“, wird ein Trainer angepöbelt. Auf dem Spielfeld wird ihnen zugerufen, sie gehörten „vergast“. Und in der Gemeinschaftsdusche reißt ein Gästespieler mal so nebenbei vermeintliche Witze über die Shoah. All diese Fälle hätten sich so in den vergangenen Jahren in München zugetragen, berichtet Oberstaatsanwalt Andreas Franck am Mittwoch.

Franck ist oberster Beauftragter der bayerischen Justiz im Kampf gegen Judenhass. In Zukunft wird er voraussichtlich noch mehr zu tun haben. Und das sei beabsichtigt, denn nur jede fünfte judenfeindliche Straftat wird bisher angezeigt. „Wenn die Anzeigen nicht zu uns kommen“, sagt Franck, „dann kommen wir zu den Anzeigen.“ Deshalb ist der Oberstaatsanwalt zusammen mit seinem Chef, Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle, in den Münchner Osten gekommen. Dort sind das Vereinsheim und die Sportanlagen von Maccabi München.

Gemeinsam gegen Judenhass (v. l.): Andreas Franck, Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Justiz, Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle, Justizminister Georg Eisenreich, Makkabi-Deutschland-Präsident Alon Meyer und Maccabi-München-Chef Robby Rajber. (Foto: Leonhard Simon)

Und dort wird an diesem Mittwochmittag eine Vereinbarung unterzeichnet, die Franck künftig mehr Arbeit machen und sie ihm zugleich erleichtern soll. Die Unterschriften von Alon Meyer, dem Verbandspräsidenten von Makkabi Deutschland, und von Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) stehen unter dem Papier. Die jüdischen Sportvereine bekommen damit einen heißen Draht zur Justiz.

Mutmaßliche judenfeindliche Straftaten und weitere Fälle von Hasskriminalität – auf dem Sportplatz wie im Netz – können die Makkabi-Vereine künftig direkt an Franck melden. Er wird laut Justizministerium die gemeldeten Vorfälle auf strafrechtliche Relevanz prüfen und sie der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft zuleiten. Für besonders bedeutende Ermittlungsverfahren wegen antisemitisch motivierter Straftaten ist Franck bayernweit selbst zuständig.

Eine ähnliche Vereinbarung hat das Justizministerium bereits im Februar mit dem Bayerischen Fußballverband geschlossen. Der BFV hat seither sieben Fälle von Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus an die Staatsanwaltschaft gemeldet.

Seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und verstärkt nach den Amsterdamer Ausschreitungen im Zusammenhang mit einem Spiel von Maccabi Tel Aviv sind die jüdischen Sportvereine in Deutschland mit einer Welle des Judenhasses konfrontiert. Und das, obwohl in ihrem Leitbild steht: „Sport verbindet, unabhängig von Religion, Herkunft oder Hautfarbe.“ Makkabi bringe jüdische und nicht jüdische Sportlerinnen und Sportler zusammen und schaffe so „eine Plattform für das Kennenlernen der verschiedenen Kulturen“.

Doch das Fundament dieser Plattform wackelt. Denn nach den jüngsten Vorfällen hätten jüdische wie nicht jüdische Mitglieder Sorgen um die Sicherheit, wie Münchens Maccabi-Vorsitzender Robby Rajber am Mittwoch sagt. „Der Ausbau unserer Strukturen im Kampf gegen Antisemitismus soll für einen noch wirksameren Schutz und eine ganzheitliche Unterstützung von Betroffenen sorgen“, hofft Rajber.

Der TSV Maccabi München wurde 1965 von Überlebenden der Shoah gegründet. Er hat mittlerweile rund 1000 aktive Mitglieder. Doch die Verunsicherung wachse, insbesondere bei den Eltern junger Kicker, erzählen Verantwortliche. Wann und wo trainiert wird, wie die Betreuer heißen – bei jedem anderen Verein ist das wichtiger Teil der Kommunikation. Auf der Internetseite von Maccabi findet man solche Angaben nicht. Aus Sicherheitsgründen.

„Es ist nicht hinnehmbar, dass Vereine in Deutschland ihren Spielbetrieb zeitweise einstellen mussten oder sich Spielerinnen und Spieler nicht mehr mit dem Makkabi-Trikot ins Training trauen“, betont Justizminister Eisenreich bei der Unterzeichnung der Vereinbarung. Oder dass, wie Verbandschef Meyer ergänzt, B-Jugend-Spieler beschimpft, mit Stöcken und Messern bedroht und durch Berlin gejagt worden seien. Laut einer Studie war mehr als ein Drittel der befragten deutschen Makkabi-Mitglieder schon von antisemitischen Übergriffen im Sport betroffen, im Fußballbereich sogar mehr als zwei Drittel. Doch nur jeder dritte Vorfall wurde von den Angegriffenen weitergemeldet.

Münchens Generalstaatsanwalt Röttle verweist darauf, dass die Justiz in Fällen von antisemitischer Hasskriminalität schnell und konsequent reagiere. So sei ein Mann, der während eines Kreisligaspiels gerufen hatte, der Schiedsrichter gehöre „vergast“, zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt worden.

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