Süddeutsche Zeitung

Münchner Ausbildungsradio:Wie geht es M94.5 nach dem UKW-Verlust?

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Als der Radiosender vor zwei Jahren erfuhr, dass er künftig nur noch digital zu hören ist, herrschte Untergangsstimmung. Doch inzwischen ist man mit der neuen Ausrichtung ganz glücklich.

Von Isabel Bernstein

Die Aufregung im Redaktionsbüro von M94.5 steigt. Noch zehn Minuten bis zu den ersten gesprochenen Nachrichten, noch 70 Minuten, bis das Dienstagsteam zwei Stunden lang live auf Sendung geht. Yvonne-Christin Holzwarts Blick verrät Anspannung und Routine gleichermaßen. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet die Studentin bei dem Radiosender. Gerade nimmt sie als Chefin vom Dienst die Texte für die Nachrichten ab, spricht noch mit dem ein oder anderen Mitarbeiter. Für alles, was in den kommenden Stunden gesendet wird, zeichnet sie verantwortlich. Erneuter kurzer Blick auf die Uhr. Noch sieben Minuten.

Vor zwei Jahren herrschte ebenfalls Aufregung in den Räumen von M94.5. Aber es war nicht jene routinierte Hektik wie an diesem Dienstag. Der Medienrat hatte beschlossen, dass das Münchner Ausbildungsradio mit seinen etwa 220 Mitarbeitern seine UKW-Frequenz verliert, künftig also nur noch digital und im Internet zu hören ist. Auf den Fluren war die Wut groß, denn die Frequenz ging an Rock Antenne, die zweite Welle von Antenne Bayern. Noch ein kommerzieller Mainstream-Sender in der musikalisch ohnehin wenig abwechslungsreichen Radio-Landschaft, kritisierten viele Anhänger von M94.5 die Entscheidung. Zahlreiche Bedenken waren zu hören: dass das Ausbildungsradio künftig kaum noch wahrgenommen und die Ausbildung schwieriger wird, dass Bands nicht mehr live ins Studio kommen, weil ihnen der Sender zu unbedeutend erscheint.

Sind die Befürchtungen wahr geworden? Nein, sagt Simon Kerber. Er hat als Volontär die damalige Entscheidung mitbekomme, inzwischen arbeitet der 30-Jährige als betreuender Redakteur bei dem Sender. "Eigentlich", bekräftigt er nach einer kurzer Denkpause, "haben sich viele Bedenken als unbegründet herausgestellt".

Sicher, ganz problemlos lief die Umstellung auch nicht ab. M94.5 verlor auf einen Schlag drei Viertel seiner 12 000 Hörer, denn die meisten empfingen den Sender über UKW, also über ein analoges Radiogerät. Auch hätten viele in der Studentenschaft, aus der der Radiosender seine Mitarbeiter rekrutiert, gedacht, "dass es uns nicht mehr gibt", sagt Programmleiter Klaus Kranewitter. Doch inzwischen sind die Bewerberzahlen für Praktika und Mitarbeit wieder wie früher, etwa 30 Studenten fangen pro Semester neu im Sender an.

Tatsächlich kamen am Anfang auch weniger Bands ins Studio, aber seit etwa einem Jahr sind wieder regelmäßig Gruppen zu Besuch, spielen Live-Gigs. Und erst kürzlich war der Anwalt von Deniz Yücel zu Gast. Recht schnell nach dem UKW-Verlust, erinnert sich Kerber, habe im Funkhaus an der Rosenheimer Straße eine "Jetzt-erst-recht-Stimmung" geherrscht, auch die Rock Antenne werde nicht mehr als großes Übel wahrgenommen. "Am Anfang herrschte schon das Gefühl vor: Die haben unsere Frequenz", sagt Kerber.

Inzwischen hört sich das anders an, bei Tageschefin Yvonne-Christin Holzwart etwa. "Im Nachhinein muss ich sagen: Wir haben nur gewonnen." Sie ist seit vergangenem Juli eine von vier bis fünf M94.5-Moderatoren, die immer mittwochs zwischen 22 Uhr und Mitternacht auf Rock Antenne senden dürfen. Die Kooperation war ein Wunsch des Medienrates, um jungen Nachwuchsjournalisten auch nach der UKW-Umstellung ein bundesweites Sendefenster zu geben.

Die Kooperation mit Rock Antenne als Sprungbrett

Für Holzwart ist die Zusammenarbeit eine Bereicherung: "Das Tolle ist: Sie stehen mit offenen Armen da und bieten uns eine Plattform - das macht ordentlich Bock auf mehr." Sie bekommt durch die Kooperation eine Menge Tipps von Profis, lernt ein anderes Umfeld, ein anderes Studio kennen, kann niedrigschwellig Kontakt zu einem der größten Radiosender in Bayern aufbauen - einer ihrer Kollegen ist dort inzwischen regelmäßig im Programm zu hören - und lernt, dasselbe Thema je nach Zielgruppe unterschiedlich aufzubereiten. Denn der Fokus eines Beitrags aus München ist freilich ein anderer, je nachdem ob er für einen irgendwo in Bayern lebenden Hörer von Rock Antenne Anfang 40 produziert wird oder für einen lokalen Sender mit überwiegend jugendlicher bis studentischer Zuhörerschaft.

Ohnehin ist das wahrscheinlich einer der größten Schritte für M94.5 in den vergangenen knapp zwei Jahren gewesen: Der Sender musste lernen, ein und dasselbe Thema nicht nur für ein Format umzusetzen. Die jungen Medienmacher sollen sich nicht mehr auf Radiomachen konzentrieren, sondern sich genauso überlegen, wie sie Menschen über Formate wie Podcasts, Artikel auf der eigenen Internetseite, Youtube-Videos oder Social-Media-Beiträge erreichen und informieren können. Das ist eine generelle Entwicklung in der Medienlandschaft, die im Fall des Münchner Ausbildungssenders durch die Entscheidung des Medienrates aber noch zusätzliche Dynamik bekommen hat.

Klaus Kranewitter sieht das durchaus positiv: Er will, dass seine Mitarbeiter alle Werkzeuge des modernen Journalismus erlernen, damit sie später frei sind in ihrer Berufswahl, Radiomoderatoren ebenso werden können wie Film-Cutter, Kameramänner und -frauen oder Online-Redakteure. Diese Werkzeuge bekommen sie mit, egal ob M94.5 auch über UKW oder nur über DAB+ zu hören ist, egal, ob 3000 Zuhörer oder 12 000 vor den Geräten sitzen. Deshalb ist Kranewitters Antwort auch recht deutlich auf die Frage, ob sich der Radiosender noch einmal um eine UKW-Frequenz bewerben will in ein paar Jahren. "Nein. Das war eine schöne Zeit, aber sie ist vorbei."

Im Studio gegenüber dem Redaktionsbüro ist inzwischen das grüne Licht angegangen. Es ist Nachrichtenzeit, M94.5 ist wieder auf Sendung - trotz des Trubels an diesem Tag und in den vergangenen Jahren.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2019
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