M-Belleville Bistrot Parisien:Die Provence in Schwabing

Bistrot 'Belleville' in München, 2010

Köchin Manina Panzer im Restaurant 'M-Belleville Bistrot Parisien'.

(Foto: Catherina Hess)

Das M-Belleville hat sich die Bezeichnung "Bistrot" verdient: Dort gibt es gehobene Küche zu fairen Preisen.

Paula Morandell

Dem Wort Bistrot ist hierzulande übel mitgespielt worden. Mittelmäßige Gasthäuser, triste Vorstadtkneipen, Pilsbars, jedem Wirt kam die Bezeichnung gelegen, um meistens völlig zu unrecht eine wie auch immer geartete Beziehung zur französischen Lebensart zu suggerieren.

Deutschen Einbauküchen soll der Schriftzug - auf Kaffeepötten oder Geschirrtüchern, allerdings ohne das französische T am Ende - eine Brise romanischer Leichtigkeit verpassen. Auch das gelingt nicht immer. Insofern ist es fast waghalsig, ein neues Restaurant Bistrot zu nennen, zumal in München, wo Küche und Gepflogenheiten des westlichen Nachbarn bei weitem nicht so geläufig sind wie das in den rheinnahen Gegenden der Fall ist.

Es sei denn, man ist Franzose und kann partout nichts Schlechtes an dem Begriff finden. Das trifft zwar im engeren Sinn nicht zu für die Betreiber des M-Belleville Bistrot Parisien. Aber sie haben lange genug an der Seine - und, nebenbei gesagt, auch in Rom - gelebt, um mit der Pariser Bezeichnung für ein solides, einfaches und relativ preisgünstiges Lokal ausschließlich Positives zu verbinden.

Ganz so wie der berühmteste literarische Stammgast, Georges Simenons sympathischer Kommissar Maigret, der es Band um Band nicht lassen kann, an den polierten Zinktresen ein kühles Bier oder ein Glas Weißwein zu trinken und dem Volk aufs Maul zu schauen.

Im M-Belleville - das M ist die gebräuchliche Abkürzung für eine Metrostation in Paris - haben sich die frankophilen Gastgeber nicht ganz entscheiden können, welche Richtung sie der Innengestaltung geben wollen. Gewürfelte Tischdeckchen, Haushaltskerzen in leeren Weinflaschen sind Zutaten für bodenständige Kleine-Leute-Gemütlichkeit, den Bistrotfaktor also.

Andererseits ist mit gestärkten Stoffservietten gedeckt, man sitzt auf loungeartigen Ledersofas, das markiert den ambitionierten Anspruch. Die Mischung funktioniert aber, es ist behaglich in dem von außen gesichtslosen Neubauquartier, auch dank der vielen Kinoplakate und Filmfotos mit Gabin & Co an den Wänden.

Außerdem spiegelt die Mixtur aus einfach und raffiniert ziemlich exakt das wider, was im Belleville auf die Teller kommt: Gehobene Bistrotküche aus erstklassigen Zutaten gekonnt und einfallsreich zubereitet zu fairen Preisen - und zur allergrößten Freude des Gastes.

Lammhaxe à la provençale

Ausrutscher gab es bei dem, was die an Töpfen und Pfannen regierende Tochter des Familienbetriebs mit Energie und Ehrgeiz zubereitet hatte, während unserer Besuche keinen einzigen. Das Menü kostet selbstbewusste 31 Euro, man sollte sich auch keinen Gang entgehen lassen - einfach beim Verdauungsspaziergang zur Metro, pardon, U-Bahn eine Station auslassen.

Bei den Vorspeisen überzeugten besonders die sämig passierte Fischsuppe, ein Salat aus bissfesten Spargelhobeln und Eiwürfeln in Orangenvinaigrette sowie zartgekochter Oktopus auf einem Bett aus fruchtigem Selleriecouscous. Hier und da aromatische Spritzer von grünem Pistou, der französischen Schwester des ligurischen Pesto, verraten die Liebe der Köchin zu Italien. Brot wird ungefragt nachgeliefert - zum Glück, von Soße und Sud lässt man ungern etwas zurück.

Die Verwendung besten Olivenöls macht sich auch bei den Hauptgerichten bemerkbar, nicht nur bei den Kartoffeln, die als Beilage entweder mit der Gabel zerdrückt und mit Öl beträufelt oder in der Pfanne geschwenkt wurden. Die tomatige Ratatouille-Variation, in der die vom Knochen gelöste Lammhaxe à la provençale auf den Tisch kam, war ein echter Geschmacksausflug in die Provence, was bei so bezeichneten Gerichten oft überhaupt nicht der Fall ist.

Zu den butterzart in Rotwein geschmorten Rinderbacken gab es eine sorgfältig abgestimmte Gemüsekombination aus Schoten und Rüben. Das saftig gebratene Lendenstück vom Kalb, das ebenfalls vom Bio-Hof kam, wurde von Mangold mit feiner Specknote begleitet - bei Klassikern der Hausmannskost verstand sich die Küche meisterhaft auf eine unverfälschte Zubereitung.

Ohne Zugeständnisse an den low-fat-Zeitgeist, aber auch ohne überflüssige Tunkenseligkeit. Die Weinkarte bot dazu interessante Vins Naturels (die Flasche ab 20 Euro), die von ihren Erzeugern nach vorindustrieller Art gekeltert werden. Die Roten wie etwa ein gehaltvoller Côtes du Rhone (das 0,1-LiterGlas für 4,70 Euro) wirkten deshalb etwas trüber als gewohnt.

Zum Abschluss, bei den Desserts, schweigendes Löffeln: Crème brûlée mit leise knirschender Kruste, ein tiefdunkler, herber Schokoladenkuchen, die warme Teighaube des Clafoutis über einem Bett aus Birnen und Mandeln. Einzeln bestellt kosteten die Vorspeisen 11, Hauptgerichte 21, Desserts 7 Euro.

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