Lyrik:Dichten ohne Maulkorb

Weßling: Anton G. Leitner

Noch lang kein "rausgfressner kaasiger Renddna", wie der Dichter sie aufs Korn nimmt: Anton G. Leitner, hier bei einem Termin in Weßling.

(Foto: Nila Thiel)

Anton G. Leitner wird 60 und nennt sein neues Buch "Wadlbeissn"

Von Sabine Reithmaier, Weßling

Der Begriff Wadlbeißer löst nicht sofort positive Assoziationen aus. Abgesehen von kleinen kläffenden Hunden fallen einem Stänkerer ein, die sich boshafte Kommentare grundsätzlich nicht verkneifen können. Dann gibt es noch diejenigen, die sich in etwas verbeißen und nicht mehr lockerlassen, in die Sprache zum Beispiel, ins Dichten. So verstanden ist "Wadlbeissn" ein guter Titel für den neuen Gedichtband von Anton G. Leitner. Der Weßlinger dichtet, seitdem er 15 ist. Fast genauso lange engagiert er sich für die öffentliche Wahrnehmung von Lyrik, ob als Herausgeber der seit 1993 erscheinenden Jahresschrift "Das Gedicht", als Veranstalter oder indem er Anthologien für andere Verlage zusammenstellt - mehr als 40 hat er inzwischen ediert.

Aufgrund seines leidenschaftlichen Einsatzes könnte man vermuten, dass das "G." zwischen Vor- und Nachnamen nur als Abkürzung für Gedicht steht. Es steht aber für Gerhard, und in den Zeiten, als der Buchstabe noch ausgeschrieben wurde, war Leitner noch Schüler am Wittelsbacher Gymnasium, las Catull, Ovid, Homer, staunte, wie frech und erotisch Dichtung sein konnte und begann selbst zu schreiben. Jetzt wird der "Realpoet" am 16. Juni 60 Jahre alt, dichtet noch immer, hat nichts von seiner Angriffslust verloren, auch wenn er nicht umhin kann, sich über das Älterwerden Gedanken zu machen: "Wenn da dei Bude imma mea / Zuawuchad, meagsd, dassd / Oid weasd / und je meas zua-/ Waxd, umso aidda bisd woan."

Den Dialekt als literarisches Ausgangsmaterial hat er erst spät entdeckt. 2016 legte er mit "Schnablgwax" seine ersten Mundartgedichte vor. Bis dahin hatte er, zwölf Lyrikbände lang, das Hochdeutsche bevorzugt. Erst dann fiel ihm auf, dass sich das Bayerische für seine subversive Kritik ausgezeichnet eignet, seiner Freude an Sprachspielereien und Lautmalereien besser entgegenkommt. Seine Verse eignen sich fabelhaft, um misstrauischen Zeitgenossen die Angst vor Dialektgedichten nehmen. Leitner nutzt die Mundart nicht, um irgendeine wie auch immer geartete bayerische Identität zu stiften, sondern er arbeitet mit den Tönen, den Farben des Dialekts, der ihn, den stets Formbewussten, zweifellos sehr inspiriert.

An seiner Bissigkeit hat der Sprachwechsel nichts verändert, seine Freude, sich einzumischen, ist ungebrochen, der poetische Kosmos groß und vielfältig. Knapp, lakonisch und oft mit einem Schuss Ironie kommentiert er aktuelles Zeitgeschehen. "Vaschonds mi / Biddscheen / Mid Faggdn, Sonsd wea i / No damisch." Er hat eindeutig Probleme mit "EssJuWie"-Fahrer, die die "Schnaufal" von der Straße jagen. Überhaupt sind ihm alle diejenigen, die ihr vermeintliches Recht aggressiv einfordern, ein Dorn im Auge, ganz speziell "rausgfressne kaasige Renddna". Oder die ewig jammernden Bauern, obwohl Leitner sogar dem Güllegestank etwas Positives abgewinnt: "Solang man üwa-/ Haubds no wos / Zum Schnubban / hamm san de / Koronawoiggn / Grod no amoi/ An uns voabei / Zong."

Abgesehen davon, dass diese Beispiele Leitners Lieblingsstilmittel, das Enjambement, gut vorführen, müssen Nicht-Bayern nicht verzweifeln vor den zunächst unverständlichen Silbenfolgen. "Wadl-beissn" ist nämlich eine zweisprachige Ausgabe. Leitner liefert die Übersetzung immer gleich mit, hat für jedes Gedicht eine hochdeutsche Entsprechung geschrieben, die sich zeilengenau auf jeweils einer Doppelseite gegenüber stehen. Das erleichtert die Lektüre auch für diejenigen, die der Landessprache nicht mächtig sind. Auch wenn sich durch die Übertragung die Stärken des Dialekts noch deutlicher zeigen. Da wird aus einem liebevollen "Des wead scho, Bua" ein spitzes "Junge, du schaffst das schon".

Aber weil der lebenserfahrene Leitner weiß, "Wuisln huifd need", reagiert er auf vieles in der Welt inzwischen mit großer Gelassenheit und noch mehr Toleranz. "Need oiss, wos is, / Is aa so, wiasd moands, / Dass is. Awa / Wennsd moands, dass so / Sei soi, nachad lassmas / Hoid so sei."

Anton G. Leitner: Wadlbeissn. Zupackende Verse. Volk Verlag München, 200 Seiten 18 Euro

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