Kabarett:Neue Biotope

Kabarett: Luise Kinsehers "Mary from Bavary" ist ins Opernfach gegangen und singt die "Königin der Nacht"

Luise Kinsehers "Mary from Bavary" ist ins Opernfach gegangen und singt die "Königin der Nacht"

(Foto: Oliver Hochkeppel)

Luise Kinsehers prächtige Premiere im Lustspielhaus

Von Oliver Hochkeppel, München

Es hat sich einiges getan im Kabarett-Kosmos der Luise Kinseher, wie man bei der Premiere ihres neuen Programms "Wände streichen. Segel setzen" im Lustspielhaus erleben durfte. Die resolute Rentnerin Helga etwa, die schon seit Kinsehers Debüt über ihren abwesenden Mann lästert, machte den Anfang: "Heinz ist tot. An Corona gestorben," verkündete sie knochentrocken. Einzig als Möwengeschrei ist er noch präsent, was die empathisch Unterbegabte nicht weiter anficht: "Was war ich mal jung. Alles hab' ich an ihn verschwendet." Jetzt aber habe sie alles verkauft, verkündet sie an Bord eines Aida-Schiffes, auf dem sie fortan ihren Lebensabend verbringen will, von der Rolex bis zum Haus.

Und mit diesem Hausverkauf setzt sie die Schlüsselhandlung des wieder als Episodenstück aufgebauten Programms in Gang. Hat Kinsehers Bühnen-Alter-Ego doch deswegen eine "Räumungsklage wegen Beschädigung der Bausubstanz" am Hals. Aus einem Riss im Parkett ist nämlich nach anfänglicher Kaschierung und mangels verfügbarer Handwerker ("ich hätte doch sonst nie den Hausmeister geheiratet") erst ein Loch und dann ein ausgewachsenes Biotop geworden, samt Teich, seltenen Libellenarten und wuchernder Pilzkultur. Was wiederum einen Anwalt samt altklugem "Digital-Native"-Sohn auf den Plan ruft.

Kabarett: Ohne Heinz ist Helga glücklich: Luise Kinseher bei der Premiere ihres neuen Programms "Wände streichen. Segel setzen" im Lustspielhaus.

Ohne Heinz ist Helga glücklich: Luise Kinseher bei der Premiere ihres neuen Programms "Wände streichen. Segel setzen" im Lustspielhaus.

(Foto: Oliver Hochkeppel)

Eine richtig spannende Geschichte entwickelt sich da, sogar mit an Josef Hader erinnernden Ausflügen in die Fantastik. Alles greift ineinander, erklärt sich nachträglich, bekommt durch aktuelle Bezüge eine kritische und politische Metaebene. Und für die Auflockerung sorgt "Mary from Bavary", die sich ebenfalls verändert hat: Zwar beschickert und vernuschelt wie immer, hat sie sich von der Rock-Queen ins Opernfach und zur Hochkultur vorgearbeitet. Was Kinseher für beachtliche Gesangseinlagen als Schumann-Interpretin ("Die Sehnsucht") und "Königin der Nacht" nutzt. Ein großer, kluger, nachhaltiger Spaß. Vielleicht Kinsehers bisher bestes Programm (noch bis 5. November im Lustspielhaus).

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