Luise-Kiesselbach-Tunnel:400 Millionen Euro für 2,8 Kilometer

Der Bau des Luise-Kiesselbach-Tunnels war jahrelang Münchens größte Baustelle. Jetzt wird sie fertig und viele fragen sich: Warum so teuer?

Von Marco Völklein

Dieses ewige Gerede, dass die neuen Straßentunnel so teuer seien - Michael Mattar kann es nicht mehr hören. Die drei Tunnel, die 1996 per Bürgerentscheid beschlossen wurden und von denen am Wochenende der dritte am Luise-Kiesselbach-Platz eröffnet wird, seien allesamt von der Münchner Wirtschaft bezahlt worden, sagt der FDP-Stadtrat und macht folgende Rechnung auf: Kurz nach dem Bürgerentscheid habe Rot-Grün die Gewerbesteuer um zehn Punkte angehoben. Allein diese Erhöhung habe über die Jahre weit mehr als 500 Millionen Euro in die Stadtkasse gespült. Zugleich aber habe die Stadt nach Abzug staatlicher Zuschüsse 511 Millionen Euro aufwenden müssen. "Unterm Strich", rechnet Mattar vor, "hat die Wirtschaft mit der Gewerbesteuer alle drei Tunnel nahezu komplett bezahlt."

Und mehr noch: Weil die Gewerbesteuer aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren nicht abgesenkt werde, stünden diese Finanzmittel für den Bau neuer Tunnel zur Verfügung - beispielsweise an der Tegernseer Landstraße, an der Landshuter Allee oder durch den Englischen Garten. Auch CSU und SPD haben sich in ihrem Kooperationspapier darauf verständigt, dass sie weitere Tunnel bauen - und finanzieren - wollen.

Drei Tunnel? Macht eine Milliarde Euro.

Klar ist aber allen Beteiligten: Tunnel sind keine ganz günstige Angelegenheit. Allein das 2,8 Kilometer lange Bauwerk im Südwesten, das sich von der Passauer Straße über den Luise-Kiesselbach-Platz durch die Garmischer Straße bis zur Einmündung der Lindauer Autobahn zieht, wird nach Angaben des städtischen Baureferats exakt 398,5 Millionen Euro kosten. Würde sich die Stadt nun daran machen und die drei weiteren geplanten Tunnelbauwerke realisieren, müsste sie nach Berechnungen des Planungsreferats weit mehr als eine Milliarde Euro aufwenden.

Den Grünen, den Linken und auch der ÖDP im Stadtrat ist das zu teuer - bei einem aus ihrer Sicht viel zu geringen Nutzen. Für das Geld könne man die 2700 Anwohner, die laut einer Studie des Planungsreferats entlang von Tegernseer Landstraße, Candidstraße und an der Ecke zur Chiemgaustraße durch den Tunnel vor Lärm geschützt würden, auch einfach in ein anderes Viertel umsiedeln, spotten Tunnelgegner.

Welche Vorgabe die Stadt beim Tunnelbau macht

Für den 1,5 Kilometer lange Petueltunnel hatten Stadt und staatliche Fördermittelgeber 205 Millionen Euro aufwenden müssen. Als der knapp zwei Kilometer lange Richard-Strauss-Tunnel abgerechnet war, stand am Ende die Summe von 325 Millionen Euro auf der Rechnung. Nicht nur das Bauen im Untergrund macht die Tunnel so teuer. Es ist vor allem der Aufwand für die Sicherheitstechnik und für die Verkehrsführung während der Bauzeit, der Kosten verursacht.

So lautet die Vorgabe der Stadt bei allen Münchner Tunnelprojekten nämlich stets: Der Autoverkehr auf dem Mittleren Ring darf auch bei einem Großprojekt nicht allzu sehr eingeschränkt werden. So war es den Ingenieuren des Baureferats in der Garmischer Straße zum Beispiel gelungen, die meiste Zeit drei Fahrspuren je Richtung für die Autofahrer offen zu halten. Allein dafür musste die Stadt in den vergangenen Jahren 34 Millionen Euro aufwenden - nur für vorübergehende Verkehrsverlagerungen, Ummarkierungen und Baustellenampeln. Schon jetzt zeichnet sich ab: Sollte die Stadt tatsächlich mal einen der geplanten Tunnel in Neuhausen oder Giesing angehen, dürfte dieser Kostenpunkt weiter steigen. Denn die Baustellen dort werden von der Verkehrsführung her noch aufwendiger sein als die bisherigen.

Die Sicherheit geht ins Geld

Ein weiterer Punkt, der ins Geld geht, ist die Sicherheit. Schrankenanlagen und Ampeln an den Portalen, eine komplette Videoüberwachung auf der gesamten Länge eines Tunnels, Lüftungsanlagen, Brandmelder und weitere Feuersschutzeinrichtungen, Lautsprecheranlagen sowie die Technik, über die Durchsagen der städtischen Tunnelüberwachung in die Autoradios übertragen werden - all das kostet viel Geld. Allein in den Bereich Sicherheits- und Betriebstechnik flossen nach Angaben des Baureferats am Luise-Kiesselbach-Platz 35 Millionen Euro. Ohne diese Einrichtungen dürfte ein Tunnel gar nicht mehr in Betrieb gehen.

Nach zum Teil verheerenden Tunnelunglücken vor allem in den Alpen, hatte der Gesetzgeber vor ein paar Jahren die Anforderungen an die Sicherheitstechnik deutlich nach oben geschraubt. Und auch wenn jedem klar ist, dass ein Tunnel in der Münchner Innenstadt wenig vergleichbar ist mit einer kilometerlangen Röhre durch ein Alpenmassiv - die Stadt ist verpflichtet, auch bestehende Tunnel nach und nach mit der geforderten Sicherheitstechnik auszurüsten. So musste der Stadtrat zuletzt gut 29 Millionen Euro für die Sanierung und gleichzeitige sicherheitstechnische Nachrüstung des Trappentreutunnels bewilligen. Und selbst beim Petueltunnel, der ja erst vor etwas mehr als zehn Jahren in Betrieb ging, musste die Stadt bereits 16 Millionen Euro nachschießen, um die Sicherheitstechnik auf den neuesten Stand zu bringen. 6,4 Millionen Euro flossen in eine bessere Beleuchtung des Brudermühl- sowie des Altstadttunnels.

Unterhaltskosten in Millionenhöhe

Hinzu kommt der jährliche Unterhalt, also die Ausgaben für Wartung, Überwachung und Betrieb der Röhren. Nach einer Aufstellung aus dem Herbst 2011 wendet die Stadt dafür 4,1 Millionen Euro pro Jahr auf. Den größten Brocken machte dabei der mit viel Technik ausgestattete Richard-Strauss-Tunnel aus, für den die Stadt pro Jahr 1,3 Millionen Euro ausgibt.

Luise-Kiesselbach-Tunnel: Während der Bauphase im Jahr 2013

Während der Bauphase im Jahr 2013

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Beim neuen Tunnel am Luise-Kiesselbach-Platz kalkuliert das Baureferat mit Unterhalts- und Betriebskosten in ähnlicher Höhe. Überwacht werden die städtischen Straßentunnel von Mitarbeitern in der Verkehrsleitstelle in Moosach. Dort sitzen Leute des Baureferats, des Kreisverwaltungsreferats sowie Beamte der Polizei rund um die Uhr vor zahlreichen Bildschirmen - und greifen ein, sollte in einer der Röhren irgendetwas passieren. Das Gebäude an der Schragenhofstraße, das im April 2012 fertiggestellt wurde, hatte sich die Stadt 41 Millionen Euro kosten lassen.

Tunnelskeptiker wie der Grünen-Politiker Herbert Danner verweisen immer wieder auf diese Zahlen und sagen: Straßentunnel kosten viel Geld, nicht nur im Bau, sondern auch im Unterhalt. Und sie brächten unterm Strich relativ wenig. Das will Michael Haberland allerdings auf keinen Fall so stehen lassen. Der Chef des Autofahrerklubs "Mobil in Deutschland" ist einer derjenigen, die sich schon beim Bürgerentscheid 1996 vehement für die Röhren am Mittleren Ring ausgesprochen hatten - und er kämpft auch jetzt für weitere Tunnel. Die Bauten verflüssigten den Autoverkehr, sie schützten die Anwohner vor Lärm und vor Abgasen. "Solche Verbesserungen", meint Haberland, "sollte sich eine reiche Stadt wie München leisten."

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