Ludwigsvorstadt/Maxvorstadt:Münchens starke Frauen

Bahnhofsmission

In der Mission im Münchner Hauptbahnhof am Gleis 11, die heute unter katholischer und evangelischer Leitung steht, wird kein Mann abgewiesen, obwohl ursprünglich nur Frauen dort versorgt werden sollten. Die Mitarbeiter sehen es als ihre Aufgabe, Menschen am Bahnhof in akuter Not zu helfen: wenn sie Hunger haben, etwas zum Anziehen brauchen, beim Zugwechsel Probleme haben oder nicht weiterkommen. Sie vermitteln, wenn die Menschen am Bahnhof einen Platz zum Übernachten oder Arbeit brauchen. Die Mission ist immer geöffnet. Von 21 bis 8 Uhr fungiert sie als Frauenschutzraum. Auf Feldbetten und Isomatten können acht Frauen und eine Familie übernachten. Jeden Tag kommen im Schnitt 300 Besucher, vor acht Jahren waren es noch 150 Klienten. Im vergangenen Jahr wurden im Büro 13 000 bis 14 000 Beratungsgespräche geführt. Rund 40 Brotlaibe werden jede Woche aufgeschnitten. Was die Bahnhofsmission immer gut brauchen kann: dickere Plastikflaschen, um den Besuchern Tee mitzugeben, Unterwäsche und Socken - auch für Kinder, in kleinem Ausmaß auch Kleidung der Saison. lo

Bei einer Stadtführung kann man sie kennenlernen: Zum Beispiel Ellen Ammann, die Gründerin der Bahnhofsmission

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Maxvorstadt

Starke Frauen in München? Gab es die? In der Innenstadt sucht man sie fast vergebens. Zwei Schauspielerinnen sind mit Brunnen geehrt worden: Liesl Karlstadt am Viktualienmarkt, Bally Prell in Schwabing. Darüber hinaus begegnet man der Bavaria, die Mariensäule fällt ins Auge. Und dem "Taubenmuatterl" wurde am Salvatorplatz ein Denkmal gesetzt. Diese Sammlung sei zumindest unvollständig, sagen Mitarbeiterinnen des katholischen Frauenverbands In Via. Keine einzige politisch und sozial motivierte Frau ist auf einem Sockel zu finden. "Obwohl Frauen in München viel bewegt haben, sind ihre Spuren kaum sichtbar", sagt In-Via-Vorsitzende Barbara Igl.

Der Verband beauftragte die Historikerin Barbara Reis zum Geburtstag des Vereins, der heuer 120 Jahre alt wird, mit der Spurensuche nach starken Frauen. Sie mündete in eine gut besuchte Stadtführung vom Hauptbahnhof bis zum Odeons-platz, die am Mittwoch, 8. Juli, wiederholt wird. In Via München, ein katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit, hat selbst eine starke, kaum bekannte Frau in seinen Reihen: Ellen Ammann, Gründerin der Bahnhofsmission im Hauptbahnhof, deren Träger In Via ist.

Barbara Reis gibt bei dem Rundgang einen Hinweis, warum Ellen Ammann in Vergessenheit geraten sein könnte. Sie war eine der ersten Frauen, die in den Bayerischen Landtag einzog, versuchte dort sogar, die Ausweisung Adolf Hitlers zu erwirken - vergeblich. Auf Ammanns frühzeitigen Alarm und nachdrückliches Drängen führte Reis auch das Scheitern des Hitlerputsches zurück. Die Biografie, die ein Jahr nach ihrem Tod 1933 herauskam, die einzige, ließen die Nationalsozialisten einstampfen. In Geschichtsbüchern wird Ammanns Rolle kaum erwähnt.

Ellen Ammann gilt als eine der Wegbereiterinnen moderner Sozialarbeit. Sie wollte zunächst die Lage der Fabrikarbeiterinnen verbessern. Als sie Ende des 19. Jahrhunderts nach München kam, traf sie auf viele Mädchen, die in der Hoffnung auf Arbeit in großer Zahl vom Land in die Städte zogen und Zuhältern und ausbeuterischen Firmen in die Hände fielen. Um sie vor Gewalt zu schützen, wollte Ammann sie gleich am Bahnhof abholen. Später baute sie ein Netzwerk auf und rief den katholischen Frauenbund ins Leben, mit dem sie Frauen in den entlegenen Winkeln Bayerns erreichte - mit Gesundheits- und Säuglingskursen.

Doch Ellen Ammann war kein Einzelfall. Im Alten Botanischen Garten stellt Barbara Reis auch den Münchner Künstlerinnenverein vor. Frauen nutzten ihn als ihre Plattform und für den Kampf darum, dass auch Frauen an der Kunstakademie studieren dürfen. Frauen wie Käthe Kollwitz und Gabriele Münter standen dahinter. Am Königsplatz erfahren die Interessierten von der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm und Münchens erster Abiturientin Katja Pringsheim, später die Frau Thomas Manns. An der Brienner Straße erzählt Reis über eine der ersten Ärztinnen Münchens, Rahel Straus, die sich bereits damals gegen den Paragrafen 218 engagierte. Straus arbeitete mit Ammann und der Frauenrechtlerin Anita Augspurg zusammen. Und Reis führt zum Ort des zerstörten Wittelsbacher Palais, in der NS-Zeit die Folterzentrale der Gestapo in München, wo Sophie Scholl verhört wurde. Viel Neues ist zu erfahren bei der Spurensuche. "Man muss eben mit der Nase draufgestoßen werden", sagt eine Teilnehmerin.

Die Stadtführung "Auf den Spuren starker Frauen" findet am Mittwoch, 8. Juli, von 17 bis 19 Uhr statt. Start ist vor der Bahnhofsmission im Hauptbahnhof am Gleis 11. Die Teilnahme ist kostenlos, doch nur nach Anmeldung unter 28 28 24 möglich.

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