Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Schmuckstück statt Parkplatz

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt: Ort zum Plaudern, Ort zum Feiern: der Holzplatz an einem Sommerabend von der Bar München 72 aus gesehen.

Ort zum Plaudern, Ort zum Feiern: der Holzplatz an einem Sommerabend von der Bar München 72 aus gesehen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Anwohner wollen den Holzplatz zurückerobern. Doch sie haben ganz unterschiedliche Vorstellungen. Die einen möchten einen Nachbarschaftstreffpunkt, die anderen einen Ort für ein weiteres Straßenfest im Viertel

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Die Verwandlung des Klohäuschens auf dem Holzplatz in einen "Gedenkort" für drei prominente Wahlmünchner im Februar soll nur ein Anfang gewesen sein. Seit Jahren gibt es Initiativen, die sich dafür einsetzen, den Holzplatz aufzuwerten. Ungepflegt sei er, hieß es immer. Er bestehe hauptsächlich aus Parkbuchten. Jetzt soll etwas vorangehen: Kürzlich haben die Stadt und der Bezirksausschuss 10 000 Euro zur Verfügung gestellt, damit der Platz überplant werden kann. Auch das Planungsreferat ist bereits eingeschaltet. Eine für diese Woche angesetzte Versammlung, eine Art Ideenwerkstatt, bei der die Anwohner ihre Vorstellungen einbringen, muss wegen der Pandemie aufgeschoben werden. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass um den Platz im Glockenbachviertel gerungen wird - und die Interessen sehr unterschiedlich sind.

Seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts machen sich Anwohner für den Holzplatz stark: Der vor zwei Jahren verstorbene LGBT-Aktivist Theo Kempf schrieb vor acht Jahren in seiner Funktion als Seniorenvertreter des Viertels dem Stadtrat, dass der Platz einem Abstellplatz, einer Müllhalde gleiche. "Dabei könnte dies ein Platz zur Erholung, für nachbarschaftliche Treffs und eine schmucke Oase mitten im Zentrum des Bezirks sein. Hier könnte ein Platz von Bürgern für Bürger entstehen." Kempf plädierte für einen Platz für alle Generationen, der zu einer Verschnaufpause im hektischen Getriebe einer Großstadt einlädt. "Vielleicht könnte sogar der unterirdisch verlaufende Bach wieder offen gelegt oder als Brunnen gestaltet werden." Regionalentwickler Theo Eberhard, Dekan an der Universität für angewandte Wissenschaften und ebenfalls Anwohner am Holzplatz, plädierte damals für eine lichte Baumbepflanzung und für Bänke. Der Platz solle "Balkon-Ersatz" sein, ein "kleines Kommunikationszentrum im Herzen des Glockenbachviertels".

Die Bürgerversammlung im November stellte sich hinter den Vorschlag, "aus dem Holzplatz tatsächlich einen Holzplatz" zu machen: autofrei, mit Holzpaneelen ähnlich wie im alten Hafen von Tel Aviv, Sitzmöglichkeiten aus Holz und vielleicht einer Pergola-Dach-Konstruktion ähnlich dem Metropol-Parasol in Sevilla. Ideengeber Eberhard Kaiser, übrigens kein direkter Anwohner, schlug auch einen Wettbewerb vor, bei dem Künstler Holzskulpturen für den Platz entwerfen. "Dann wäre der Holzplatz kein Trauerspiel mehr, sondern eine Perle in unserem Viertel."

Thomas Zufall, Wirt des mit Olympia-Devotionalien ausgestatteten "München 72" direkt am Platz, hat sich zusammen mit dem Isarvorstädter Autor und Verleger Martin Arz mit kulturpolitischer Unterstützung von Beate Bidjanbeg (SPD) dafür eingesetzt, dass das ziemlich verlottert wirkende denkmalgeschützte Pissoir eine von Münchner Streetkünstlern gestaltete Fassade bekommen hat. Das Klohäuschen selbst zu verändern, hatten die Auflagen des Denkmalschutzes verhindert. Drei bekannte Wahl-Isarvorstädter sind dort abgebildet: Physiker Albert Einstein, Queen-Sänger Freddie Mercury und Regisseur Rainer Werner Fassbinder.

Thomas Zufall, der kritisiert, dass der Platz überwiegend für Autos reserviert ist, hat im vergangenen Sommer auch eine zweite seiner Anregungen zumindest ausprobiert: ein Straßenfest. Dafür haben acht Wirte aus der Isarvorstadt den Verein "Cultur Collectiv München" gegründet, der als erstes zum Ziel hat, ein von ihnen organisiertes Straßenfest auf dem Holzplatz zu etablieren - als drittes großes im Viertel neben dem Hans-Sachs-Straßenfest, welches das Sub veranstaltet, und dem ehrenamtlich organisierten Glockenbachfest.

"Nicht soviel Hype" wünscht sich dagegen die Fotografin Margarete Vila, die seit 16 Jahren das Café Tabula rasa am Platz führt, das sich abends in eine Bar verwandelt. Sie gehört seit langem zu jenen, die zur Erneuerung des Holzplatzes aufrufen. Die Anwohner sollten ihre Wünsche bei der Planung einbringen, sagt sie. Ältere sollten die Sonne genießen, Kinder dort spielen können. Vila wünscht sich "einen Platz für alle", nicht für eine Gruppe. "Noch einmal einen Platz mit Blasmusik brauchen wir nicht im Viertel", sagt sie im Hinblick auf die großen Straßenfeste. Das ziehe Besucher an, kein Anwohner. "Die Anwohner fliehen in solchen Fällen." In den vergangenen zwei Jahren habe die Stadt die Situation am Platz etwas verbessert. Es gebe mehr Bänke, die Grünanlage sei gemacht worden, die Bäume würden zugeschnitten und die Mülleimer geleert, erzählt Vila. Doch von einer schmucken Oase sei der Holzplatz weit entfernt.

Beate Bidjanbeg, Leiterin des Kulturausschusses im Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, unterstützt die Anwohner dabei, ihre Vorstellungen und Wünsche zu artikulieren, zu diskutieren und vor allem in die Planung einzubringen, ehe ein städtischer Entwurf vorliegt. Sie hat deshalb das Anwohnertreffen eingeleitet. Brächten die Anwohner ihre Ideen früh ein, hätten sie auch eine Chance auf Beachtung und würden das Ergebnis dann auch besser akzeptieren, sagt sie. Auch für die Planer böten diese Ideen eine "Horizont-Erweiterung".

Beim Umbau des St.-Pauls-Platzes war das Prinzip der Bürgerbeteiligung an größeren Verschönerungsmaßnahmen erstmals im Viertel ausprobiert worden. Dort war das Zusammenspiel mit der Stadt noch nicht optimalgelaufen, jedenfalls waren viele Anwohner enttäuscht - sowohl darüber, wie wenig sie eingebunden waren, als auch von dem erneuerten Platz selbst. Mehr als nur zustimmen hätten sie im Endeffekt eigentlich nicht können, so ihre Kritik. Am Holzplatz hofft man auf mehr. Der Platz sei "immer sehr schwierig gewesen", sagt Margarete Vila. Eine echte Herausforderung.

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