Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Freie Bürger auf freier Fläche

Bei einer Diskussion zwischen Anliegern und Vertretern der Stadt im Kinozelt auf dem Viehhof-Areal fordern die Isarvorstädter erneut den Erhalt des Charakters, mehr Kreativität beim Bauen und Platz für Jugendliche

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Was aus dem Viehhof wird, ist seitens der Stadt noch offen; außer einem Neubau für das Volkstheater ist nichts geplant. Doch die Isarvorstädter machen sich Gedanken, es laufen bereits zwei "Open Petitions": Sie befürchten, dass ihre Freifläche, die stark mit Historie und Erinnerungen verbunden und heute für viele ein Ort der Entspannung ist, zugebaut wird - ohne ihre Mitsprache.

Die Ungewissheit ist groß. Regsam, das Netzwerk der sozialen Einrichtungen in München, organisierte deshalb am Mittwoch eine erste Diskussion zwischen Anliegern und Vertretern der Stadt im Kinozelt auf dem Viehhof-Areal. Eine Zahl erregte zunächst die Gemüter - vor allem, da es offiziell noch keine Planung gibt. Daniel Günthör von der Abteilung Sozialplanung im Münchner Sozialreferat zitierte aus dem städtischen Demografiebericht, nach dem auf dem Viehhof-Areal schon einmal 750 Wohnungen verzeichnet sind. Markthallenleiter Boris Schwartz, Vertreter des Kommunalreferats, bezweifelte, dass diese Zahl auf einer fundierten Basis stehe. Doch er unterstrich das "berechtigte Interesse" der Stadt am Wohnungsbau: "Die Stadt hat jährlich 20 000 Einwohner Zuwachs. Die Menschen brauchen Wohnungen." Die Stadt habe mangels Flächen nur wenige Möglichkeiten, darauf wies Günthör hin: "Derzeit geht es an die Kasernen, Freiham wird bebaut. Von 2035 an geht es nach Johanniskirchen."

Rundgang Sendlinger Viehhof

Kicken zwischen Bierkästen: Dem Viehhof-Biergarten fehlen zwar die Bäume, doch jeder findet seinen Platz. Wie lange die Idylle noch bleibt, ist offen.

(Foto: Florian Peljak)

Beate Bidjanbeg (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, stellte die Wünsche der Isarvorstädter vor, die vor einem Jahr in einem Ideenworkshop erarbeitet worden waren. Die Anwohner wollen eine durchgehende Beteiligung bei der Neugestaltung. Sie wollen den Charakter des Viehhofs erhalten. Sie sprechen sich für ein Mischgebiet aus Wohnen und Gewerbe aus. Wichtig ist ihnen, dass die Stadt mehr Kreativität als sonst beim Bauen zulässt. Die Isarvorstädter wollen Grün und Freiflächen, sie wollen den Viehhof nach wie vor durchqueren können, das Kino und die Freiräume für Jugendliche erhalten.

Rundgang Sendlinger Viehhof

Kunstvoll: Graffiti und Werbung für das beliebte Open-Air-Kino im Viehhof.

(Foto: Florian Peljak)

Die derzeitigen Nutzer des Viehhofes, einige Gewerbebetriebe und der Viehhof-Kino- und Biergarten-Betreiber Hartmut Senkel, wollen am liebsten gar keine Bebauung. Senkel, der mit seiner Open Petition binnen weniger Wochen bereits fast 7000 Unterschriften gesammelt hat, nannte den Viehhof einen "Identifikationsraum" für Tausende Münchner. 750 neue Wohnungen dürften den nicht kaputt machen: "Wenn ich könnte, würde ich den Viehhof zum Weltkulturerbe erklären."

Viel Beifall bekam Metzger Berti Gassner, Vertreter der wenigen Handwerksbetriebe im Viehhof. Er war bereits aus Schwabing von Anwohnern vertrieben worden, sie hatten sich über den Lärm um fünf Uhr morgens aufgeregt. "Wenn hier Bebauung entsteht, dann kommen wieder die Beschwerden, und wir Handwerker können uns schleichen", rief er aufgebracht. Auch Handwerker brauchten die Möglichkeit zur Existenz, "nicht nur Lidl & Co.".

Architekt Frank Schiermeier von der Geschichtswerkstatt forderte die Stadt auf, wohnungspolitisch weniger kleinteilig vorzugehen: "Wenn die Stadt es nicht schafft, weiter zu denken, wird es zu Verteilungskämpfen kommen." Ein Vertreter der zweiten Viehhof-Open-Petition sagte, es sei zunächst wichtig, den Umzug des Volkstheaters auf das Viehhofgelände zu verhindern, "sonst ist in zwei Jahren Schicht im Schacht". Dann entstehe eine große Baugrube, doch eine vernünftige Gesamtplanung sei unterbunden.

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